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Ökologie: Der Gesang des Meeres

Vieles ist noch unbekannt über das Leben der großen Meeressäuger. Mit Unterwassermikrofonen kundschaften Wissenschaftler den Alltag von Walen und Robben aus - und erleben dabei einige Überraschungen.
Grönlandwal an einem Eisloch

Geheimnisvolle Geräusche dringen aus den Lautsprechern. Soll man es ein an- und abschwellendes Heulen nennen? Eher ein Pfeifen oder Quietschen, ein Trillern oder Schnarren? All das im Wechsel? Oder nichts davon? Kate Stafford von der University of Washington und ihre Kollegen sind jedenfalls fasziniert von den vielfältigen Stimmen der Grönlandwale, die durch die Framstraße zwischen Spitzbergen und Grönland schallen. Um diese Töne einzufangen, haben die Forscher ein Jahr lang mit Unterwassermikrofonen in den eisigen Ozean gehorcht. Über den erstaunlich großen Erfolg dieser Aktion berichten sie: "Wir hatten auf ein bisschen Grunzen und Stöhnen gehofft", erinnert sich Kate Stafford. "Fünf Monate lang astreine Gesänge zu hören, hatten wir nicht erwartet."

Schließlich schienen die Chancen für ein solches akustisches Spektakel ziemlich schlecht zu stehen: Während des Walfangbooms zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert hatten Jäger auch die Grönlandwale massiv dezimiert. Der ursprünglich größte Bestand, dessen Verbreitungsgebiet vom Nordosten Grönlands über Spitzbergen bis in den westlichen Teil der russischen Arktis reichte, soll einst zwischen 25 000 und 100 000 Tiere umfasst haben. Doch zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die Walfänger diese so genannte Spitzbergen-Population fast ausgerottet.

Grönlandwal | Grönlandwale (hier ein Individuum aus der Population in der Beaufortsee vor Alaska) sind vom Aussterben bedroht. Da sich die Tiere sehr schlecht beobachten lassen, sollen Unterwassermikrofone mehr über ihren Alltag verraten – mit Erfolg.

Zwar hat die Internationale Walfangkommission den Grönlandwal bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1946 unter Schutz gestellt. Ob und wie stark sich die Bestände wieder erholt haben, weiß allerdings niemand so genau. Schätzungen zufolge soll es insgesamt wieder mehr als 10 000 Tiere geben, die sich auf vier verschiedene Populationen in den arktischen und subarktischen Meeren verteilen. Den Bestand bei Spitzbergen stuft die Weltnaturschutzunion IUCN aber nach wie vor als "vom Aussterben bedroht" ein. Denn die Tiere lassen sich in der Region sehr selten blicken, in der Framstraße wissen Experten seit den 1970er Jahren nur von etwa 40 Sichtungen. Da liegt der Verdacht nahe, dass die Population noch immer sehr klein ist.

Konzerte im Eis

Allerdings sind Grönlandwale trotz ihres bis zu 18 Meter langen Körpers auch keineswegs leicht zu entdecken. Schließlich spielt sich der größte Teil ihres Lebens unter Wasser ab, und das auch noch in der rauen Arktis, wo das Wetter selbst im Sommer häufig nicht zu gemütlichen Walbeobachtungs-Trips einlädt. Vom kalten, dunklen Winter mit seinen peitschenden Stürmen gar nicht zu reden.

Mit Hilfe ihrer Mikrofone aber hofften die Forscher, mehr über die Zahl und den Alltag der schwimmenden Polarbewohner zu erfahren. Denn Grönlandwale sind als sehr kommunikative Meeressäuger bekannt: Um sich mit ihren Artgenossen zu verständigen, haben sie die verschiedensten Töne auf Lager. Die Palette reicht dabei von einzelnen Rufen über Abfolgen von verschiedenen Lauten bis hin zu komplexen Gesängen, die sie manchmal stundenlang wiederholen. Mitunter gibt einer der Unterwassermusiker sogar ein zweistimmiges Lied zum Besten, indem er gleichzeitig in hohen und tiefen Frequenzen singt.

Allerdings stand vor dem Beginn der Lauschaktion keineswegs fest, dass sich überhaupt Grönlandwale in Reichweite der Mikrofone aufhalten würden. Geschweige denn, dass diese dann auch noch in der richtigen Stimmung für musikalische Darbietungen wären. Tatsächlich aber schienen die Tiere entschlossen zu sein, ihre stimmlichen Talente ausgiebig unter Beweis zu stellen. Schon Ende Oktober schallten die ersten Strophen durch die Fluten, zwischen Ende November und Anfang März zeichneten die Mikrofone fast stündlich ein neues Unterwasserkonzert auf.

Höhepunkt der Musiksaison war also ausgerechnet der kalte und dunkle Polarwinter – für die Forscher ein unerwartetes Ergebnis. Denn historische Beobachtungen der Walfänger sprachen zwar dafür, dass die Framstraße ein Sommerlebensraum war. Doch wo die Spitzbergen-Population den Winter verbrachte, war völlig unklar. Vielleicht nutzen die Tiere die Region ja sogar zur Fortpflanzung, überlegen die Wissenschaftler. Schließlich gelten die Gesänge der Grönlandwale als akustische Werbebotschaften, mit denen die Männchen eine Partnerin zu umgarnen versuchen. "Wenn es sich tatsächlich um ein Paarungsgebiet handelt, wäre das ein spektakuläres Ergebnis", meint Kate Stafford. Gerade bei einem so bedrohten Bestand sei es wichtig zu wissen, dass überhaupt noch eine Fortpflanzung stattfinde.

Überraschend war aber nicht nur die Häufigkeit, sondern auch die Art der Gesänge. Insgesamt haben die Mikrofone nämlich mehr als 60 unterschiedliche Kompositionen aufgezeichnet – eine Vielfalt, die eher an Vögel als an Meeressäuger erinnert. Noch wissen die Forscher nicht genau, wie dieser stimmliche Abwechslungsreichtum zu interpretieren ist. Bei einigen anderen Walarten singt jeder schwimmende Casanova seine eigene Melodie. Das aber würde bedeuten, dass in der Framstraße mehr als 60 Männchen und vielleicht noch einmal so viele Weibchen überwintern. Damit hätte sich die einst fast ausgerottete Population viel besser erholt als bisher angenommen.

Es könnte natürlich auch sein, dass jeder der Unterwasser-Tenöre gleich mehrere Lieder beherrscht. Und auch das wäre ein spannendes Ergebnis. Denn damit wären Grönlandwale die begabtesten Sänger in ihrer Verwandtschaft. Auch bei anderen Walarten singen die Männchen zwar nicht unbedingt ihr Leben lang die gleiche Melodie. Oft beschränken sie sich aber auf ein Lied pro Saison und bringen dann erst im folgenden Jahr wieder etwas Neues zu Gehör. Ob die Grönlandwale da tatsächlich eine Ausnahme sind, hoffen die Forscher in weiteren Untersuchungen klären zu können.

Der Sound der Antarktis

Derweil haben Wissenschaftler ihre Ohren aber auch am entgegengesetzten Ende der Welt auf Empfang gestellt. Im Südpolarmeer betreibt das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) seit Ende 2005 einen dauerhaften Horchposten namens "PALAOA". Das ist nicht nur die Abkürzung für "Perennial Acoustic Observatory in the Antarctic Ocean" (Mehrjähriges Akustisches Observatorium im antarktischen Ozean), sondern auch das alte hawaiische Wort für "Wal".

Die Abhörstation PALAOA in der Antarktis | Das akustische Observatorium PALAOA steht auf dem Ekström-Schelfeis, etwa 20 Kilometer entfernt von der Neumayer-Station in der Antarktis.

Die Lauschstation, ein mit Messtechnik vollgestopfter Container, steht etwa 20 Kilometer nördlich der deutschen Forschungsstation Neumayer III auf dem Ekström-Schelfeis. Diese schwimmende Gletscherzunge, die über die Küste hinaus ins Weddellmeer ragt, ist stellenweise bis zu 100 Meter dick. In ihr Eis haben die Projektmitarbeiter Löcher gebohrt und vier Unterwassermikrofone in die darunter schwappenden Fluten hinuntergelassen. Die Lauschgeräte schicken ihre Daten zunächst an einen Computer im PALAOA-Container, der sie dann per WLAN zur Neumayer-Station weiterleitet. Ein Satellit überträgt die Informationen schließlich in komprimierter Form an die Rechner der Projektmitarbeiter in Bremerhaven. "So können wir das ganze Jahr über live verfolgen, was sich in der Umgebung der Station gerade tut", erläutert die Meeresbiologin Ilse van Opzeeland.

Gerade in den eisigen und dunklen Wintermonaten sind solche Informationen auf anderen Wegen kaum zu beschaffen. Die meisten Forschungsschiffe haben dann Pause, und wegen der schlechten Licht- und Wetterverhältnisse ist ohnehin wenig zu sehen. Doch die Ohren im Ozean bleiben weiter auf Empfang. "Anfangs hatten wir immer mal Probleme mit der Energieversorgung des Containers", erinnert sich die AWI-Forscherin. Die Solarzellen auf dem Dach helfen in der Polarnacht schließlich nicht viel weiter, und auch der Windgenerator lieferte nicht genug Strom. Inzwischen aber besitzt die Station eine Methanol-Brennstoffzelle. Und seither reißt der Datenstrom aus dem tiefen Süden auch im Winter nicht ab.

Krachen und Singen

Was da durch die Bremerhavener Büros schallt, ist für schreckhafte Menschen manchmal eine echte Nervenprobe. So kann es durchaus vorkommen, dass plötzlich ein gewaltiges Getöse aus den Lautsprechern tönt. Dann ist in Hörweite der Station wieder ein Eisberg gegen das Schelfeis gekracht oder hat einen seiner Kollegen gerammt. Vielleicht einmal im Jahr kommt es zu solchen Kollisionen, bei denen gefrorene Riesen von der Größe Berlins aufeinanderprallen können. Dann wird es nicht nur im Südpolarmeer, sondern auch in Bremerhaven richtig laut. Allerdings kann Eis durchaus auch dezentere Geräusche von sich geben. Etwa ein leises Poltern und Knacken, wenn zwei Schollen aneinanderreiben. Oder ein seltsames metallisches Heulen, von dem die Forscher noch nicht genau wissen, wie es entsteht.

Spannender als den Gesang der Eisberge findet Ilse van Opzeeland aber den der Robben und Wale in der Region. PALAOA erfasst ein großes Spektrum von Frequenzen zwischen 10 Hertz und 16 Kilohertz. "Damit können wir sowohl die sehr tiefen Stimmen der Blauwale belauschen als auch die hohen Klicklaute, mit denen sich Orcas und andere Zahnwale orientieren", erläutert die Biologin. Und auch bei den Unterhaltungen der Robben, die sich zwischen diesen beiden Extremen abspielen, sind die Forscher häufig Zeugen. Von vielen Tönen wissen sie inzwischen, zu welcher Art sie gehören, manche können sie sogar bestimmten Verhaltensweisen zuordnen. Die verräterischen Klänge liefern daher ein immer detaillierteres Bild von den Lieblingsplätzen und Wanderrouten, von den Bestandsgrößen und vom Sozialverhalten der einzelnen Meeresbewohner.

Allerdings kann sich auch der begeistertste Wal- und Robbenfan unmöglich das gesamte Material anhören, das PALAOA aus der Antarktis schickt. Schließlich hat der Horchposten bisher rund 46 000 Stunden Daten aufgezeichnet. Diesen Wust lassen die Forscher daher von Computern nach besonders interessanten Botschaften aus der Unterwasserwelt durchkämmen. Dazu geben sie einen bestimmten Klang in eine Spezial-Software ein, die Wissenschaftler an der Cornell University in den USA entwickelt haben. Anhand dieses Tonbeispiels durchsucht der Rechner dann die Daten nach ähnlichen Geräuschen. "Diese Beispieldateien zu entwickeln, ist sehr aufwändig, und man muss hinterher auch immer wieder überprüfen, ob das Programm damit auch wirklich die richtigen Sequenzen findet", sagt Ilse van Opzeeland. Doch wenn alles klappt, spuckt der Computer am Ende zum Beispiel eine Übersicht aller aufgezeichneten Buckelwal- oder Orca-Rufe aus.

Robben-Reigen

Die Analyse dieser Daten liefert oft spannende Einblicke in den Alltag der Meeressäuger. So war zwar bekannt, dass sich Weddell- und Krabbenfresser-Robben vor den Küsten der Antarktis fortpflanzen. Doch dass auch Seeleoparden und Rossrobben ihre Rendezvous in diesen Gewässern abhalten, haben die Forscher erst im Rahmen des PALAOA-Projekts erfahren. Bei allen vier Robbenarten stoßen Männchen und Weibchen typische Rufe aus, an denen man sie erkennen kann. In einigen Fällen haben Biologen auch herausgefunden, was diese akustischen Botschaften bedeuten. So versuchen männliche Weddell-Robben mit bestimmten Lauten, Weibchen anzulocken und Rivalen einzuschüchtern. Und weibliche Seeleoparden zeigen mit ihrer Stimme an, dass sie gerade empfängnisbereit sind. Als die Unterwassermikrofone diese Töne einfingen, war also klar, dass in der Umgebung des Horchpostens gerade Paarungen auf dem Programm standen.
Auch belauscht | Krabbenfresser-Robben stimmen ihre Paarungsgesänge vor allem Anfang November an. Der Rest des Monats gehört dann den Weddell-Robben – so geraten sich die Gesänge nicht ins Gehege.

Inzwischen wissen die Forscher auch, in welchen Monaten sie mit welchen Robbenstimmen rechnen können. Denn jede der vier Arten scheint eine ganz bestimmte Hochzeitssaison zu bevorzugen. Während die Krabbenfresser-Robben ihre Paarungsgesänge vor allem Anfang November anstimmen, gehört der Rest des Monats vor allem den Weddell-Robben. Diese werden dann im Dezember von den Seeleoparden abgelöst, und im Januar folgen schließlich noch die Rossrobben.

Die vier Arten haben die Termine für ihre Darbietungen offenbar so über den Sommer verteilt, dass sie sich möglichst wenig überschneiden. "Möglicherweise ist es für die Tiere einfach günstiger, sich akustisch nicht in die Quere zu kommen", vermutet Ilse van Opzeeland. Denn dann ist die Chance größer, dass die gesungenen Botschaften auch tatsächlich bei den eigenen Artgenossen ankommen. Wer mit seiner Stimme Frauen oder Konkurrenten beeindrucken will, kann schließlich niemanden gebrauchen, der ihm ständig dazwischenredet.

Orcas und Buckelwale

Auch die Aktivitäten verschiedener Walarten im Südpolarmeer kann die Lauschstation nun zum ersten Mal durch sämtliche Jahreszeiten verfolgen – oft mit überraschenden Ergebnissen. Die auch als Schwertwale bekannten Orcas zum Beispiel hatte man eigentlich gar nicht so nahe vor der Küste des antarktischen Kontinents vermutet. "Ihre Stimmen sind dort aber fast das ganze Jahr hindurch zu hören", berichtet Ilse van Opzeeland. Als der Livestream aus dem tiefen Süden im vergangenen März wieder einmal Orca-Klänge in die Bremerhavener Büros übertrug, haben die Forscher sogar einen besonderen Coup gelandet: "Das Wetter war gut, und so sind die Überwinterer aus der Neumayer-Station rausgefahren und haben Fotos von den Tieren gemacht", erzählt die Wissenschaftlerin.

Gesang eines Grönlandwals

Grönlandwale sind als sehr kommunikative Meeressäuger bekannt: Um sich mit ihren Artgenossen zu verständigen, haben sie die verschiedensten Töne auf Lager.

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Seither kann das Abhörteam genauer sagen, wer die belauschten Rufer sind. Zwar ist mit Orcinus orca bisher nur eine einzige Schwertwalart anerkannt. Allerdings unterscheiden Biologen innerhalb dieser Art fünf verschiedene "Ökotypen", die sich im Aussehen und in ihrer Lebensweise unterscheiden. An der Form des weißen Flecks hinter dem Auge der Tiere haben Ilse van Opzeeland und ihre Kollegen sofort erkannt, dass die Orcas auf den Fotos typische Küstenbewohner sind, die sich vor allem von Fischen ernähren. "Wir können die Stimmen jetzt also direkt mit dem Aussehen der Tiere in Verbindung bringen", freut sich die Forscherin. Um herauszufinden, ob sich die fünf Ökotypen akustisch unterscheiden lassen, müsse man zwar noch viele weitere Daten sammeln. Doch ein erster Schritt sei getan: "Wir lauschen nicht mehr blind."

Buckelwale | Die Unterwassermikrofone zeichnen auch regelmäßig Gesänge von Buckelwalen auf.

Doch so spannend das Zuhören auch ist, manchmal können die Ohren allein kein vollständiges Bild von den Vorgängen unter der Wasseroberfläche liefern. So wissen die PALAOA-Mitarbeiter zum Beispiel noch nicht, ob sich Buckelwale in der Antarktis paaren. Denn auch wenn sie die damit verbundenen Gesänge bisher nicht gehört haben, ist das noch kein Beweis dafür, dass Buckelwale für Schäferstündchen im kalten Wasser nichts übrig haben. Lange waren Biologen schließlich auch davon überzeugt gewesen, dass die bis zu 15 Meter langen Meeressäuger den Winter in tropischen und subtropischen Meeresgebieten verbringen und selbst im Sommer kaum weiter als bis zum 60. Breitengrad nach Süden vordringen. PALAOA aber lauscht auf dem 70. Breitengrad. "Und trotzdem haben wir dort auch mitten im Winter Buckelwalstimmen gehört", berichtet Ilse van Opzeeland. Zwar ist der antarktische Kontinent zu dieser Zeit von einem gewaltigen gefrorenen Panzer umgeben. Doch der Wind schafft auch immer wieder offene Stellen im Eis. Diese so genannten Polynjas nutzen die Buckelwale offenbar als Winterquartier.

Die Stimme des Giganten

Auch andere Walarten scheinen einen deutlich größeren Teil ihrer Zeit vor der Küste der Antarktis zu verbringen als bisher angenommen. So galten Blauwale lange als echte Eisverächter, die zugefrorene Gewässer meiden. Doch die Stimmen dieser mitunter mehr als 30 Meter langen und bis zu 200 Tonnen schweren Riesen schallen das ganze Jahr über durchs Südpolarmeer. Das ist aber nicht die einzige interessante Erkenntnis, die PALAOA über das größte Tier der Erde geliefert hat.

In anderen Meeresgebieten hatten Wissenschaftler bereits festgestellt, dass die Blauwale heutzutage mit tieferen Stimmen singen als noch vor einigen Jahrzehnten. So liegt die Frequenz der Blauwalgesänge vor Kalifornien inzwischen fast ein Drittel niedriger als noch in den 1960er Jahren. "Einen solchen Trend können wir nun auch vor der Antarktis bestätigen", sagt Ilse van Opzeeland. Es gibt mehrere Theorien, was hinter dieser Veränderung stecken könnte. Eine davon besagt, dass eine tiefe Stimme in Blauwalkreisen ein Qualitätsmerkmal ist, das auf Weibchen besonders attraktiv wirkt.

Die schwimmenden Casanovas würden also gern so tief wie möglich singen, konnten sich das aber lange Zeit nicht leisten. Denn die Walfänger hatten die Bestände dieser Art auf vielleicht ein Prozent ihrer ursprünglichen Größe dezimiert. Da musste man seine Werbemelodien schon besonders laut ins Wasser schmettern, um von einem der weit verstreuten Weibchen gehört zu werden. Die Bassstimme aber verschlingt so viel Energie, dass der Gesang automatisch leiser ausfällt als eine Darbietung in höheren Frequenzen. "Dass die Gesänge nun tiefer werden, könnte also eine gute Nachricht sein", meint Ilse van Opzeeland. Denn möglicherweise ist das ein Hinweis darauf, dass sich die Bestände erholen.

"Ähnlich wie beim Grönlandwal wissen wir auch bei vielen anderen Walen nicht genau, wie sich die Populationen seit dem Ende des kommerziellen Walfangs entwickelt haben", erklärt die Forscherin. Auch zu dieser Fragen hoffen sie und ihre Kollegen mit Hilfe ihres Horchpostens künftig mehr Informationen liefern zu können: "In diesen Daten steckt noch Arbeit für etliche Forscherleben."

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  • Quellen
Stafford, K. et al.: Spitsbergen’s endangered bowhead whales sing through the polar night. In: Endangered Species Research 18, S. 95 – 103, 2012
Van Opzeeland, I. et al.: Acoustic ecology of Antarctic pinnipeds. In: Marine Ecology Progress Series 414, S. 267 – 291, 2010
McDonald, M. et al.: Worldwide decline in tonal frequencies of blue whale songs. In: Endangered Species Research 9, S. 13 – 21, 2009
Boebel, O. et al.: Real-Time Underwater Sounds from the Southern Ocean. In: EOS 87, S. 361 – 364, 2006

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