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Onkologie: Blutdrucksenker gegen Tumoren

Krebswucherungen besitzen oft eine ungewöhnlich dichte und feste Zwischenzellsubstanz. Sie schnürt die Blutgefäße ab und hindert Arzneistoffe daran, in den Tumor einzudringen. Abhilfe versprechen überraschenderweise Medikamente, die eigentlich zur Blutdruckregulation entwickelt wurden.
Krebswucherung

Seit den 1970er Jahren beschäftige ich mich aus einer recht ungewöhnlichen Perspektive mit der Bekämpfung von Krebserkrankungen. Ursprünglich als Ingenieur ausgebildet, betrachte ich Tumoren als physikalisches anzugehendes Problem. Ich untersuche, wie ihr Wachstumstempo und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber medikamentösen Therapien mit ihrem inneren Aufbau zusammenhängen.

Anfang der 1990er Jahre fanden meine Mitarbeiter und ich, damals noch an der Carnegie Mellon University, heraus: Die Blutgefäße, die einen Tumor versorgen, weisen oft eine abnorme Struktur auf – und dies ist der Grund dafür, warum Arzneistoffe häufig nur sehr schlecht in den Tumor eindringen. Die Adern dort sind unverhältnismäßig stark verschlungen und haben durchlässige Wände. Während das Blut in die kompakte Tumormasse eintritt, staut es sich in den Gefäßen, worauf Blutflüssigkeit (mit darin gelösten Stoffen) durch die Aderwände dringt und sich außerhalb im Zwischenzellraum sammelt. Je mehr Flüssigkeit in die Tumormasse einsickert, umso mehr steigt dort der Druck, der seinerseits das Fluid aus der Geschwulst heraus- und ins umgebende Gewebe hineinpresst. Später konnten wir zeigen: Verändert man die Tumorblutgefäße so, dass sie weniger porös sind, sinkt der Druck im Zwischenzellraum des Tumors und dringen Arzneistoffe effektiver ins Innere der Geschwulst vor – was den Erfolg medikamentöser Therapien verbessert, die sich gegen Krebszellen richten.

Unlängst fanden wir heraus, dass der Flüssigkeitsdruck nicht die einzige physikalische Kraft ist, die hier wirkt. Tumoren sind Haufen aus bös- und gutartigen Zellen sowie Blut- und Lymphgefäßen, die allesamt in ein fasriges Material eingebettet sind, die so genannte extrazelluläre Matrix. Sowohl die Zellen als auch die Matrix können die durchlaufenden Blut- und Lymphgefäße abquetschen. Das führt dazu, dass Teile des Tumors kaum durchblutet werden – weshalb Arzneistoffe über die Blutbahn nur sehr schlecht dorthin vordringen können. Zudem ist die extrazelluläre Matrix in Tumoren außergewöhnlich dicht und steif, was die Verteilung von Wirkstoffen innerhalb der Geschwulst zusätzlich behindert.

Ausgehend von diesen Erkenntnissen suchten mein Team und ich nach Wegen, die extrazelluläre Matrix in Tumoren abzubauen. Wir haben einen Ansatz gefunden, von dem wir uns viel versprechen, da er auf einer gebräuchlichen Klasse von Arzneimitteln beruht: Blutdrucksenkern. Aktuelle klinische Studien testen nun diese Art der Behandlung an Patienten mit einer bestimmten Art des Pankreaskrebses – eine Erkrankung mit extrem matrixreichen und schwer zu behandelnden Tumoren. ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Chauhan, V. P. et al.: Angiotensin Inhibition Enhances Drug Delivery and Potentiates Chemotherapy by Decompressing Tumor Blood Vessels. In: Nature Communications 4, 2516, 2013

Jain R. K.: Normalizing Tumor Microenvironment to Treat Cancer: Bench to Bedside to Biomarkers. In: Journal of Clinical Oncology 31, S. 2205 - 2218, 2013

Stylianopoulos, T. et al.: Causes, Consequences and Remedies for Growth-Induced Solid Stress in Murine and Human Tumors. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 109, S. 15101 - 15108, 2012

Literaturtipp: Serie "Physik und Krebs", SdW 8/2013 und 9/2013
Reduktionistische Ansätze für die Tumormedizin

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