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Psychoaktive Substanzen: Mit LSD gegen Alkoholsucht

LSD-Ticket

Auf den ersten Blick wirkt das nicht wie eine überzeugende Vorgehensweise: Alkoholkranken zu Therapiezwecken eine Dosis LSD zu verabreichen. Doch genau das taten mehrere Forschergruppen in den 1960er und 1970er Jahren. Die Intuition dahinter war es, den Patienten neuen Schwung für ein Leben ohne Alkohol zu verleihen, indem man sie eine oft als bewusstseinserweiternd und inspirierend empfundene Drogenerfahrung machen ließ.

Das passte zum Nimbus, der die halluzinogene Droge seinerzeit umgab: Das Lysergsäurediethylamid (LSD) galt eine Weile als regelrechtes Wundermittel für eine gezielte Beeinflussung der Psyche. Doch mit der Zeit wurde diese Idee immer mehr aufs Abstellgleis geschoben, berichten Teri Krebs und Pål-Ørjan Johansen von der naturwissenschaftlich-technischen Universität Norwegens in Trondheim: Die Forschergemeinde habe die LSD-Therapie schließlich mehrheitlich für wirkungslos gehalten. Nun aber haben die beiden Wissenschaftler gemeinsam den Fall neu aufgerollt – und kommen zu einem überraschenden Ergebnis: Die LSD-Behandlung habe durchaus einen förderlichen Effekt auf Alkoholkranke.

Zu diesem Schluss kommen sie durch eine Metaanalyse jener klinischen Studien von damals; insgesamt sechs Erprobungen konnten sie ausfindig machen, die auch heutigen Standards genügen. Diese haben sie nun miteinander verglichen, auf Fehlerquellen abgeklopft und die Ergebnisse ausgewertet.

Viele davon hätten für sich genommen keine statistisch signifikanten Ergebnisse produziert, so die Wissenschaftler. Bei der Zusammenschau ergab sich jedoch folgendes Bild: Von insgesamt 536 Patienten hatten über alle Studien verteilt 315 Probanden eine einzelne LSD-Gabe erhalten. 59 Prozent davon zeigten drei Monate später bei Anschlussuntersuchungen mit standardisierten Tests merkliche Verbesserungen; in der placebobehandelten Kontrollgruppe waren es hingegen nur 38 Prozent. Insgesamt scheint dieser förderliche Effekt mindestens sechs Monate anzuhalten und nach einem Jahr verflogen zu sein.

Alle ursprünglichen Studien hatten dabei mehr oder weniger viel Wert darauf gelegt, das Verabreichen des LSD mit einer psychotherapeutischen Behandlung zu kombinieren, in deren Rahmen die Droge als "Katalysator" dienen sollte. Selbstbeschreibungen von Probanden, die in einigen der Studien protokolliert wurden, entnehmen die beiden Forscher, dass dies durchaus gelungen sei: Die Patienten berichteten offenbar häufig, sie hätten "bedeutende Einsichten in ihr Problem gemacht, neuen Lebensmut gewonnen und den festen Entschluss gefasst, mit dem Trinken aufzuhören."

In ähnlicher Weise würden heutzutage gegen Rückfall Psychopharmaka eingesetzt, deren Erfolgsquoten in etwa gleichauf mit LSD lägen, schreiben Krebs und Johansen. Erstaunlich finden es daher die beiden Wissenschaftler, wie wirksam das LSD schon bei einer einzelnen Dosis sein kann.

Dass die Erforschung der Substanz trotzdem aufgegeben wurde, führen die Autoren auf eine Vielzahl von Gründen zurück, darunter die schwache Aussagekraft zahlreicher zu kleiner Studien, der daraus entstandene Eindruck, dass keine Studie eine Wirkung habe nachweisen können, und nicht zuletzt die Enttäuschung vieler Forscherteams selbst, die sich einen deutlich stärkeren Effekt erhofft hatten. Schließlich habe sich Ernüchterung eingestellt, und die Forschung trat in den Hintergrund.

Krebs und Johansen sprechen sich nun dafür aus, die Erprobung des LSD in der Alkoholtherapie wieder aufzunehmen und auf vergleichbare Halluzinogene wie Psilocybin auszudehnen. Außerdem müsse man womöglich die Substanz den Betroffenen regelmäßiger verabreichen und mit modernen psychotherapeutischen Interventionsansätzen kombinieren. Insgesamt habe die Forschung vergangener Jahre ergeben, dass LSD körperlich unbedenklich sei und nicht abhängig mache. Man müsse sich allerdings auf seine potenziellen psychiatrischen Nebenwirkungen einstellen, zu denen vor allem Angstattacken und Verwirrung zählen. Überdies sollte es nur von aufgeklärten Probanden in einem kontrollierten, sicheren Umfeld eingenommen werden.

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  • Quellen
J Psychopharmacology 10.1177/0269881112439253, 2012

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