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Rauschdrogen: Negative Rückkopplung bremst Cannabiswirkung aus

Cannabis

Seit Jahren ist das alkaloidhaltige Harz vieler Hanfsorten nicht nur dank seiner beliebten Rauschwirkung, sondern auch wegen einer Vielzahl potenzieller medizinischer Anwendungen im Gespräch. Fans ebenso wie Forscher sprechen Cannabis eine ungewöhnliche Bandbreite an Heilwirkungen zu: Appetitlosigkeit ebenso wie chronische Schmerzen oder Krämpfe soll das Naturprodukt angeblich lindern. Doch diese Wirkungen zu erforschen, gestaltet sich ausgesprochen schwierig, da Cannabis als Betäubungsmittel eingestuft ist. Entsprechend hoch sind die rechtlichen und finanziellen Hürden.

Nun hat ein Team um Monique Vallée von der Universität Bordeaux einen Mechanismus gefunden, mit dem der Körper die in der Medizin unerwünschten Wirkungen des Cannabisinhaltsstoffs Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) selbst abschwächt. Hauptakteur ist der bisher für völlig inaktiv gehaltene Steroidhormonvorläufer Pregnenolon. Das Molekül bindet an den Cannabinoidrezeptor CB1, über den THC wirkt, und unterbindet so die Rauschwirkung. Dieser Zusammenhang war bisher nicht aufgefallen, weil Pregnenolon nicht an der eigentlichen Bindungsstelle des Rezeptors andockt, sondern außerhalb – eine so genannte allosterische Hemmung.

Wie die Forscherinnen in ihren Versuchen entdeckten, geht die Beziehung auch in die andere Richtung. Stimuliert THC oder eine analoge Substanz den CB1-Rezeptor, steigt die Pregnenolonkonzentration in weiten Teilen des Gehirns proportional zur Dosis der Droge um das bis zu 30-Fache – eine negative Rückkopplung, die die Rauschwirkung der Cannabinoide ausbremst. In Ratten und Mäusen reduzierten Gaben von Pregnenolon Gedächtnisstörungen und ungezügelten Appetit, die wichtigsten unerwünschten Effekte des Cannabiskonsums, signifikant.

Die Bedeutung dieser Befunde reicht über mögliche bessere Cannabispräparate weit hinaus: In der Forschung diskutiert man die allosterische Hemmung von Membranrezeptoren – also die Bindung außerhalb der Bindungstasche – als grundlegenden und weit verbreiteten Mechanismus. Nach dieser Theorie verhindern derartige Mechanismen, dass zu viele Signalstoffe die Membranrezeptoren und die sorgfältig austarierten Schaltkreise übermäßig aktivieren. Eine solche zelluläre Bremse böte ein bisher noch völlig unbeachtetes Ziel für ganz neue Klassen von Medikamenten.

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