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Reportage: Licht ins unerforschte Universum

Satellit Gaia

Zehn Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt: Mit rasender Geschwindigkeit rotieren Staub und Sterne in der Form einer Scheibe um ein gigantisches Schwarzes Loch. Nichts kann ihm entkommen, nicht einmal Licht. Diese unheimliche Erscheinung des Weltraums gibt den Astronomen große Rätsel auf.

Unser „Schwarzes Loch“ im Seminarraum des Heidelberger Astronomischen Rechen-Instituts ist dagegen harmlos. Es besteht aus einer blauen Plastikschüssel mit einem Loch in der Mitte, das von unten mit einem Finger zugehalten wird. Da hinein schüttet Svea Proft Wasser und Sternenstaub und nimmt kurz darauf, den Finger weg. Es entsteht ein Strudel, der die glitzernden Staubfahnen herumwirbelt, zerreißt und schließlich mit sich in den Abgrund zieht.

Bodenloser Trichter | Wie ein Schwarzes Loch Staub und Materie in sich saugt, ist mit einem ganz einfachen Experiment zu begreifen.

Svea Proft schmunzelt über unsere verblüfften Gesichter. Sie gibt Kurse für Schülerinnen der siebten Klasse, daher kennt sie eine Menge solcher Experimente. Außerdem schreibt sie gerade ihre Doktorarbeit über Quasare. Jeder davon beinhaltet in seiner Mitte ein gewaltiges Schwarzes Loch mit der Masse von mindestens einer Million Sonnen. Und es will mehr. In einem Jahr verschluckt ein Quasar die Masse von ein bis zehn Sonnen. Die Kerne aktiver Galaxien drehen sich enorm schnell, heizen sich dabei auf Tausende von Grad auf und senden gewaltige Strahlung aus. Quasare sind so hell, dass wir sie von der Erde aus mit Teleskopen sehen können. Gleichzeitig geben sie so viel Energie ab wie Tausende von riesigen Galaxien. Und das aus einer Region, die so klein ist wie unser Sonnensystem. Viele feuern Strahlen von Teilchen fast mit Lichtgeschwindigkeit ins All. Dadurch gibt es gewaltige Jets, die sich über Millionen von Lichtjahren ausdehnen.

Interview mit Svea Proft | Svea Proft ist Doktorandin am Heidelberger Astronomischen Recheninstitut. Ihr Spezialgebiet sind Quasare und die Raumsonde Gaia.
Entdeckt wurden die ersten Quasare vor fünfzig Jahren. Zunächst hielten Wissenschaftler sie für ganz normale Sterne. Erst später wurde deutlich, dass sie ungeheuer weit entfernt sind und über riesige Leuchtkraft verfügen. Der Name Quasar kommt vom englischen Begriff für sternenähnliche Objekte. Noch ranken sich viele Rätsel um die Quasare, die auf ihre Lösung warten. Dazu könnte die Raumsonde Gaia beitragen und die Aufgaben, die ihr die Heidelberger Astronomin mitgegeben hat.

„Globales Astrometrisches Interferometer für die Astrophysik“, so lautete der Name des Projekts der Europäischen Weltraumorganisation (ESO) beim Beginn vor 20 Jahren. Gaia wird inzwischen klein geschrieben und steht für die Erdgöttin in der griechischen Mythologie. Nach ihrem voraussichtlichen Start im November 2013 ist es Hauptaufgabe der Raumsonde, die präziseste dreidimensionale Karte der Milchstraße zu erstellen, die es jemals gab. In fünf Jahren wird sie dabei viele Milliarden Positionen und Bewegungen sowie Farbspektren und Helligkeit von Gestirnen messen. Dabei könnte sie 5000 neue Planeten der Größe Jupiters entdecken.

Kosten wird das Projekt 740 Millionen Euro, plus 200 Millionen Euro für die Datenverarbeitung. Diese Daten werden per Funk an sechs Rechenzentren gesendet. Ihre Arbeit wird Gaia 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt verrichten. Aus diesem Grund kommt das Weltraumteleskop nicht zurück. Das wäre zu teuer. Forscher bezeichnen Gaia als größte Digitalkamera, die je ins All geflogen ist. Insgesamt ist sie 2,1 Tonnen schwer und 3,5 Meter breit.

Satellit Gaia | So stellen es sich Grafiker vor, wird es aussehen, wenn die Raumsonde Gaia durchs All fliegt.

Svea Proft möchte in ihrer Doktorarbeit herausfinden, was Gaia machen kann, um Quasare zu erforschen und was nicht. Obwohl die Raumsonde in der Milchstraße ihre Position behält, kann sie weit ins Universum hinausblicken und somit auch Quasare besser erforschen als es bisher möglich war. Ziel der Forschung von Svea Proft ist herauszufinden, warum die Quasare so unterschiedlich stark strahlen und so verschieden sind.

Ein wenig traurig erzählt sie, dass sie möglicherweise an der Auswertung von Gaias Daten gar nicht beteiligt sein wird. Die stehen komplett wahrscheinlich erst 2020 zur Verfügung. Was die Forscherin bis dahin macht, steht noch in den Sternen. Vielleicht etwas mit Mikrolinsen? Was es mit denen auf sich hat, erklärt sie mit einem Experiment, das auf Albert Einstein zurückgeht. Dahinter verbirgt sich der Effekt, dass das Licht von einem Stern auf dem Weg zur Erde gekrümmt wird, wenn ein anderer Himmelskörper dazwischen liegt.

Ein gespanntes schwarzes Tuch wird zur Raumzeit. Da hinein wirft die Astronomin eine Holzkugel, die eine Mulde erzeugt. Die Kugel steht für den Himmelskörper, der mit seiner Masse, das Licht ablenkt. Das Licht wird durch eine kleinere Kugel symbolisiert, die anstatt den direkten Weg zu nehmen, einen Schlenker macht.

Mit dem Wunsch, dass Svea Proft die Gaia-Ergebnisse auch wirklich auswerten kann, endet ein spannender Ausflug in die aktuelle Astronomie.

Ein kurzes Video über Schwarze Löcher findest du hier

Dieser Artikel entstand beim Wissensschreiber-Workshop zum Thema "Astronomie" im September 2013 in Heidelberg.

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