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Kommentare - - Seite 92

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Propagandaschlacht

    13.08.2021, Boris Büche
    »Krieg«, »mächtiges Arsenal«, »gewaltige Waffen«, »Front« und der »Kampf um den Planeten« – genau das sind Vokabeln, durch die sich Propaganda auszeichnet!

    Es sollte beachtet werden, dass nicht nur die "Leugner" Propaganda treiben, sondern eben auch die, die solche Vokabeln benutzen, oder davon sprechen, "der Planet" sei "in Lebensgefahr". Das war er in den Glazialen nicht, in den Interglazialen nicht, und er wird es in der menschgemachten Erwärmung nicht sein, oder dem (dadurch ausgelösten) nächsten Glazial.

    Dass die Biosphäre vor großen Umstellungen steht, ist sicher - aber wiederum nicht singulär. Die Klimaforschung ist sich einig, dass der Eintritt der Glazialperioden ein Vorgang war, der eher Jahrzehnte, als Jahrhunderte dauerte.

    Sosehr ich als Mensch und Biologe schätze, dass der Klimawandel (und die menschliche Verantwortung) anerkannt wird, so sehr erschrecke ich angesichts der Kriegsrhetorik. Ich fürchte, da kommt nichts Gutes zustande.

    Anstatt mit Schreckensszenarien die Menschheit in psychologische Lähmung, oder Panik zu versetzen, wäre es konstruktiver, sich zu überlegen, wie man mit dem Wandel klarkommt. Gegen den möglichen "Klimakrieg" ist der Wandel definitiv die kleinere Katastrophe.
    Beispiel: Der Meeresspiegel steigt? Ja, jährlich um knapp zwei Millimeter. Muss das eine Katastrophe bedeuten? Nein! Für den Wasserstand an jeder Küste ist die grade herrschende Windrichtung wesentlicher. So es am betreffenden Meer nennenswerte Gezeiten gibt, diese noch mehr, bzw. kumulativ. Es bleibt genug Zeit, Gebiete zu räumen, deren Untergang kommt, anders als bei einer Sturmflut.
    Die öffentliche Meinung ist hier irrational; wenn eine Sturmflut um Zentimeter höher ausfällt als vor Jahrzehnten, ein wesentlich anderer outcome ist nicht zu erwarten.

    Planetare Vorgänge steuern zu wollen, ist Hybris. Wir belächeln schließlich milde diejenigen, die glauben, das Klima werde seit Jahrzehnten per "chemtrails" manipuliert. DA sind wir sicher: Das geht nicht. Warum sind wir nicht genauso überzeugt davon, dass guter Wille auch nicht mehr vermag als böser?

    Was mir zuwenig thematisiert wird, ist die Stellgröße, die wir am ehesten beeinflussen können: Unsere Vermehrung. Wie wäre es mit: "Vasectomy for Future" anstatt "Climate War"?
  • Antwort auf Kommentar von Max Mothwurf

    13.08.2021, Christina Hegenberg
    Zu Ihrer Behauptung, Moore stünde in der Kritik, weil die sog. "Hockeystick-Kurve" einer wissenschaftlichen Überprüfung "bekanntlich" ja nicht standgehalten hätte, steht in Wikipedia Folgendes:

    "Die Grundform und -aussage des Hockeyschläger-Diagramms – eine allmähliche Abkühlung bis zum Beginn der Industrialisierung, gefolgt von einer ungewöhnlichen raschen Erwärmung, mit den wärmsten Dekaden in der Gegenwart – wurde mittlerweile vielfach durch Arbeiten anderer Autoren und auf Basis weiterer Klimaproxys bestätigt."

    Gefolgt von Diesem:

    "In den folgenden Jahren wurde das Paper auf wissenschaftlicher Basis unter Anwendung verschiedener Rekonstruktionsmethoden mehrmals überprüft, ohne dass offensichtliche Fehler gefunden wurden. Bis einschließlich 2013 erschienen über ein Dutzend Folgestudien mit unterschiedlichen statistischen Ansätzen, die zu ähnlichen Resultaten gelangten."

    Und Diesem:

    "Hingegen kritisierten Steven McIntyre und Ross McKitrick vom Fraser Institute, einem von der Erdölindustrie finanzierten Think Tank, das statistische Verfahren zur Gewinnung des Hockeyschläger-Diagramms grundlegend.[...]Diese Auffassung gilt jedoch mittlerweile als widerlegt."

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
  • Als Urheber der berühmten »Hockeystick-Kurve«.....

    13.08.2021, Max Mothwurf
    ...die ja bekanntlich einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standgehalten hat, steht Moore wohl zu Recht in der Kritik.
    Aber hier gings ja nur um das Buch, nicht um den Autor.....
  • Politische Neutralität?

    13.08.2021, Peter Bock
    Ich habe die Spektrum immer als ein politisch neutrales populärwissenschaftliches Magazin auf hohem Niveau geschätzt, dessen Artikel fundiert über naturwissenschaftliche Zusammenhänge berichtete und es dem Leser überließ, sich eine Meinung zu dem Thema zu bilden. Sollte auch die Spektrum jenem offenbar jetzt allgemeinen Trend vieler Medien hin zu - vorsichtig ausgedrückt - meinungsbildender Berichterstattung folgen wollen? Das wäre aber schade!
    Stellungnahme der Redaktion

    Lieber Herr Bock,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir bemühen uns stets um politische Neutralität und möchten diese natürlich auch weiterhin wahren. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Rezension – bei der eine Stellungnahme und auch Meinung der rezensierenden Person ausdrücklich gewünscht ist. Insofern grenzt sich eine Buchbesprechung (ebenso wie Kommentare oder Kolumnen, die manchmal erscheinen) eindeutig von unserer sonstigen Berichterstattung ab.

    Viele Grüße

  • Wir haben nur diesen einen Planeten

    10.08.2021, Michel Benoit Dorm
    Es gibt viele ökologische Probleme, die herumgeistern und die wir lösen können. Überbevölkerung, wobei die sich scheinbar in absehbarer Zeit auch selbst regulieren könnte (stimmt das wirklich?). Abfälle aller Art die richtig zu entsorgen sind. Und das Klima, die Mammutaufgabe. Wir hätten schon heute die Technologie für Elektroautos, Solarzellen, Windkraftanlagen, Wasserstoff als Speichermedium für überschüssigen Strom im Sommer oder in der Nacht, eventuell Thorium-Kernkraftwerke, Wasserstoffflugzeuge, Wasserstofflastwagen damit wir von fossilen Energien wegkommen könnten ohne rigoros zu verzichten. Wir können das bewältigen und die Reise kann weitergehen
  • Globalisierung

    09.08.2021, Paul Kalbhen
    Genügt es noch, Veränderungen nur in kleinen Schritten für den Klimaschutz zu planen, wenn auch Solar- und Windkraftanlagen weiterhin notwendig sind (sicher nicht meines Erachterns Frackingverfahren!). Müsste nicht auch „weltweit“ mit internationalen Vereinbarungen gegen die maßlose Rodung riesiger Dschungelwälder – mit freilich nur temporärer CO2-Speicherung – und gegen das unbegrenzte Wachstum der Weltbevölkerung vorgegangen werden? Und weiter: Logisch ist doch, dass die angestrebte globale 1,5 0C - Grenzerwärmung laut Pariser Abkommen sich höchstens auf den Ist-Zustand der Kohlendioxid-Speicherung in der Atmosphäre beschränkt, also die akute Katastrophengefährdung aufrecht erhält. Weitsichtige Experten verlangen deshalb in der Atmosphäre eine Reduzierung des Treibhausgases durch technische Verfahren des sogenannten Carbon Capturing (innerhalb des „Geo-Engineering“) und dessen Speicherung auf der Erde und eventuelle chemische Umwandlung. Einige Verfahren sind laut Spektrum der Wissenschaft und VDE Dialog bereits fortgeschritten, benötigen aber eine „globale“ finanzielle Unterstützung – statt diese in wahnwitzige Weltraumausflüge zu investieren. Freilich ist das Geo-Engineering -- wie auch die sogenannte Wasserstoffwirtschaft – wegen des schlechten Wirkungsgrades bei der Energieumsetzung auf „Ökostrom“ aus regenerativen Quellen angewiesen.
  • Ist Windkraft wirklich so toll?

    08.08.2021, R. Maçon
    "99 Prozent der Fläche" können bei Windenergie weiter genutzt werden, schreibt Frau Engel. Fragt sich nur von wem? Wenn Windräder im Wald stehen, muss es ein Netz von ausgebauten Zufahrtswegen geben. Das Resultat kann man dann noch nicht einmal als "Holzplantage" bezeichnen. Was machen die nachfolgenden Generationen mit den riesigen Betonkernen, die wir als Basis für Windräder im Wald betonieren müssen? Wenn der Infraschall den Menschen stresst, dann wird er das auch bei Tieren machen. Es wird also zu Ausweichreaktionen kommen. Die Ökosysteme werden sich durch Windräder mithin nachhaltig verändern.

    Es hilft nichts nur über die ökologischen Probleme fossiler Energieträger zu reden. Wissenschaft sollte sich keinem Parteibuch verpflichtet fühlen.
  • Andere Deutung der "Zufallslücke"

    03.08.2021, R. Oberschmid
    Da gibt es z.B. von Albert Einstein zwei widersprüchliche Einstellungen bzw. Aussagen:
    Einerseits hat er die statistische Streuung als angebliches Ergebnis der Quantenmechanik als eine erst unvollständigen Erfassung der Wirklichkeit durch unsere Naturgesetze empfunden, denn so seine berühmt gewordene Anmerkung dazu: „Der Alte (Gott) würfet nicht!“.
    An anderer Stelle hat er aber angemerkt, dass der Zufall offenbar Gottes Weg ist, unerkannt (anonym) zu bleiben. Einen ähnlichen Ausspruch gibt es von Albert Schweitzer.
    Man kann daraus noch weitere Schlüsse zum "Geheimis" unseres Bewusstseins und unseres Gefühls unserer Willensfreiheit ziehen. Mehr in der kurzen Schrift "Traktatus logico ontologicus" (Amazon EBuch 2020) von Vinzenz Vintir.
  • Maria und Maria

    03.08.2021, Manfred Polak
    Kleine Korrektur zum religionsgeschichtlichen Anhang: Die englische Königin Maria die Katholische alias Bloody Mary war eine Tudor und keine Stuart. Die schottische Königin Maria Stuart (ebenfalls katholisch) hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die englische Religionspolitik.
  • Multiversen

    02.08.2021, Martin Falley
    Ich kann mir vorstellen, dass es mehrere oder gar viele Universen gibt, die sich alle gegenseitig beeinflussen. Damit ließe sich auch die dunkle Materie und/oder dunkle Energie, sowie die Expansion unseres Universums mit steigender Geschwindigkeit erklären. Andere Universen ziehen und drücken an unserem Universum. Dass wir andere Universen nicht sehen (können), liegt an der Lichtgeschwindigkeit. Wir können einfach nicht weiter sehen, als die 13,8 Mrd Lichtjahre, auch wenn unser Universum vermutlich größer ist. Das wird in anderen Universen evtl. nicht anders sein. Ausserdem denke ich mir, dass jedes Universum seinen eigenen Zeitstrahl hat, der mit dem anderer Universen nicht übereinstimmt und sich damit jedes Universum auf einer eigenen Zeitebene bewegt.
    Die Entstehung der Universen stelle ich mir ungefär so vor, wie eine Super- oder Hypernova. Grundlage dafür war vielleicht das Vorhandensein unendlicher Energie.
  • Zu Herrn Köhlers Anmerkungen

    30.07.2021, Michael Hedenus
    Ich habe Ihre Anmerkungen gerade erst gesehen. Ja, der Fehlerteufel ist flink, selbst wenn der Text von zwei Leuten gegengelesen wird, wird schnell aus einem d ein t. Aber viel wichtiger: Ich hoffe, Sie haben nicht mittlerweile Ihr Geld für dieses Buch verschwendet... Und ja: eine “Geschichte“ der Technik soll nicht nur eine kalendarische Auflistung von Leistungen sein, sondern erklären, warum sich Menschen mit einem Problem überhaupt befassen. Die Altvorderen waren von Jules Verne stark beeinflusst! Er hat sie inspiriert ind dadurch auf sie eingewirkt. Hier wird Geschichte erst wirklich spannend...
  • Wenn im Zweifel, zweifle ich

    29.07.2021, Paul S
    Wahrnehmung folgt Nutzen. Wir sehen die Welt, wie es uns nützlich ist, und nicht, wie sie wirklich ist.

    Eine Ideologie ist eine gute Idee, der das Gute und die Idee amputiert werden mussten, um sie massentauglich zu machen. Wenn Sie ein Ziel erreichen wollen, egal welches, brauchen Sie Masse, Energie und Richtung in angemessener Menge und Kombination. Wenn Sie nicht zufällig einen Schraubenzieher zur Hand haben, um sich aus Sperrmüll, streunenden Hunden und ein paar AAA-Batterien eine nukleare Cyborg-Armee zu basteln, müssen Sie auf Rohlinge zurückgreifen, die Mutter Natur zuhauf bereitgestellt hat, zur freien Verfügung aller geneigten User. Und wenn Sie zig Millionen nützliche Idioten im Gleichschritt marschieren lassen wollen, haben Sie keine Wahl, als den gemeinsamen Nenner unterschiedlichster Mitbürger zu suchen, die alles unterschiedlich missverstehen, aber die gleichen tierischen Instinkte und Herdentriebe haben, gleichermaßen Stimmungen haben, Trends mitmachen und Moden folgen. Ist sie an die Masse angepasst, ist eine Ideologie nur eine Uniform: Der Uringeruch des Alphatieres, mit dem es all die anderen Äffchen markiert hat, damit sie sich im Handgemenge nicht gegenseitig umbringen. Sie bekommen eine Horde, die sich von anderen Horden ausschließlich durch Slogans, Symbole und am Fließband vorgefertigte Gedankengänge unterscheidet, die sie abspult wie eine kaputte Schallplatte, ohne aus ihnen ausbrechen zu können.

    Gesunder Menschenverstand bezeichnet für gewöhnlich gesunden Menschenverstand und sein Gegenteil. Wenn ich eine Herde Zebras in Afrika über die Savanne galoppieren sehe, kann mir mein gesunder Menschenverstand sagen, es dürften tatsächlich Zebras sein und keine bemalten Pferde, denn es gibt weder Grund noch Mittel, damit sich jemand so viel Mühe machen sollte. Er kann mir aber auch sagen, es müssen bemalte Pferde sein, denn als ich daheim in Deutschland im Wanderzirkus zwischen Greifen und Einhörnern ein Zebra sah, hat es sich nach genauer Überprüfung als bemaltes Pferd entpuppt. Beide Aussagen sind lupenreine Vernunft.

    Vernunft ist also im Wesentlichen eine Denkweise, die sich vernünftig anfühlt, und nicht eine, die vernünftig ist, das Betriebssystem einer bestimmten Gruppe oder eines bestimmten Menschen. Also: etwas breiter definierte Ideologie. Ich spreche gern von Relideologie, weil man in der Praxis selten zwischen Religion und Ideologie unterscheiden muss – es ist einfach eine Sammlung von Algorithmen, Funktionen, in die die Variablen der Realität eingefügt werden, Vorurteilen und Glaubenssätzen, ein Modell der Welt, das für die jeweilige Gruppe gut genug funktioniert, dass sie nicht tot umkippt, wobei alles als Wahrheit angesehen wird, das Nutzen und Profit bringt, und alles als Lüge, was dem Geschäftsmodell in die Quere kommt. Wenn Sie genau nachgucken, stellen Sie fest, dass sich nicht Ihr Bewusstsein in Ihrem Kopf befindet, sondern Ihr Kopf in Ihrem Bewusstsein: Ihr Geist lebt in einer Virtual Reality, einer Matrix, einem Holodeck, einem Modell der Welt, das Impulse von Außen in in Simulationen umsetzt, und simulierte Handlungen in tatsächliche Handlungen des Körpers. Das Programm, das das Hirn dafür schreibt, muss nur bedingt mit der Wirklichkeit um Sie herum übereinstimmen. Was dabei wahr oder falsch scheint, wird durch Belohnung und Bestrafung festgelegt, Drogen und Entzug. Sie sind im Wesentlichen eine Laborratte, der die Evolution zwei Elektroden ins Hirn gepflanzt hat, ins Belohnungs- und Bestrafungszentrum, und jetzt steuert Sie sie wie ein Spielzeug-Auto. Wir sind die idealen Sklaven, denn wir bestehen aus Sklaverei. Das Universum tickt im Wesentlichen wie der Zuhälter einer Crack-Hure, der kriecht seinen Pferdchen auch in den Kopf und schmeißt alles raus, was er nicht gebrauchen kann.

    Anders gesagt: Nicht ideologisches Denken ist nicht Denken, sondern wirre Daten-Pampe, weil Denken auf vorgefertigten Schaltungen, Algorithmen basiert. Zum Denken braucht man nun mal ein Gehirn mit einer Struktur und keinen leeren Eimer ohne. „Ideologiefreies Denken“ ist ein Oxymoron.

    In Deutschland bedeutet „Vernunft“ so viel, wie der „Einzig wahre, allein seligmachende Glaube“, deswegen beansprucht jede Relideologie das Wörtchen für sich, während sie für Ketzer und Irrlehren scheinbar neutrale, unscheinbar abwertende Begriffe wie „gesunder Menschenverstand“ prägt, wobei die Abwertung eben darin liegt, dass man ihnen den Namen Gottes, Vernunft, verweigert. Was ich für recht unvernünftig halte, aber reden Sie mal mit Äffchen in Stammeskriegen.

    Die Ideologie, die die physikalische Realität um uns herum antreibt, ist strikt darwinistisch (auch sie funktioniert ja, indem sie stur und dämlich festgelegten Mustern folgt und kaputte Schallplatte spielt). Um uns evolutionär an sie anzupassen, müssen unsere Relideologien einerseits realistisch genug sein, dass wir fressen können und es vermeiden, gefressen zu werden. Andererseits muss sie unsere Empathie und unseren Verstand weit genug drosseln, uns ausreichend unter Drogen halten, dass wir nicht an der bestialischen Grausamkeit eines solchen Universums verzweifeln. Sie parkt uns in einer Goldlöckchenzone zwischen Wahrheit und Lüge, wo wir überleben können. Seelisch und körperlich.

    Meine Ideologie behauptet einfach mal mir nichts, dir nichts, dass die Welt mit dem Verstand begreifbar ist – ich bin da an Grenzen gestoßen, doch noch lange nicht dort, wo wir sie bislang gezogen haben. Ich lehne Hexerei und okkulte Mächte ab – ich glaube nicht an „andere Regeln“ in der Quantenphysik, weil ich für all die Phänomene Analogien finden kann, wenn ich aus dem Fenster gucke, und sie mir mit Regeln erklären kann, die ich im Alltag immer und überall sehe. Aus dem gleichen Grund glaube ich Einstein nicht, wenn er mir weiß macht, wenn sich ein Lineal in die Länge streckt, streckt sich die echte Strecke mit. Und siehe da: Wenn man den Hokuspokus exorziert und stattdessen nach rationalen Erklärungen sucht, fügt sich die Welt auch zu einem schlüssigen, logischen Ganzen zusammen. Das Problem ist – mein Dafürhalten stimmt nicht mit dem überein, was Welt und Wissenschaft so für vernünftig halten. Was nu?

    Als ich gemerkt habe, dass ich allen Ernstes der Ansicht bin, dass ich Recht habe und alle anderen sich irren, bin ich als Erstes zum Psychiater gerannt, um die wahrscheinlichste Erklärung abzuchecken. Er meinte, ich würde noch halbwegs richtig ticken, aber der war Krankenkasse, der zählt nicht. Wer weiß, vielleicht irre ich mich, und die ganzen Zebra-Herden sind tatsächlich bemalte Pferde. Aber wer Recht hat, bestimmt die Zebra-Herde, und nicht irgendwelche dahergelaufene Vernunft.
  • Ich starre mal Löcher in die Luft...

    27.07.2021, Paul S
    Der Vorteil des Luftverkehrs ist, dass da die Schienen schon verlegt sind, sogar in mehreren Stockwerken übereinander. Und die sind auch noch extrem rohstoffsparend, wartungsarm und kostengünstig. Das Problem ist das Kerosin, doch da wird intensiv an Ersatz geforscht. Vielleicht werden wir in fünf Jahren über die hohe Umweltbelastung durch die Bahn schimpfen, und die Flugzeuge für ihre Umweltfreundlichkeit preisen?

    Ich weiß nur, wenn ich tausend Kilometer fliege, verbringe ich mehr als die Hälfte der Reisezeit in Autos und Bahnen, auf den paar Kilometern zum und vom Flughafen (und beim einchecken), während über mir die Tauben und Fliegen die große 3D-Freiheit genießen. Am Boden sind viele Probleme zu lösen, in der Luft sind die Lösungen integriert, an Problemen gibt es nur eins. OK, zwei – wie kommen all die Vögel aus den Turbinen automatisch in die Bordküche?

    Um meinen inneren Captain Hindsight mal aus dem Käfig zu lassen: Ah, hätten wir bloß den Cargo Lifter nicht aufgegeben. Die Probleme waren enorm, doch, hätten wir's durchgezogen, wären die Lösungen schon da, und könnten auf die Personenbeförderung übertragen werden – heute ist's wohl zu spät, dort anzufangen, wo die Hindenburg aufgehört hat. Mit Luftballons ließen sich so viele Dinge energieeffizient bis in die Stratosphäre heben, zum Beispiel für Raumfahrt oder Kommunikation. Hätten wir genauso viel Ingenieurskunst in sie investiert, wie in den Burj Khalifa und die ISS, könnten sie relativ sicher sein – sicher genug, um oben am Burj Khalifa noch ein paar locker verbundene Stockwerke dran zu hängen, oder fliegende Häuser zu bauen, vielleicht mit ein paar Gyroskopen drin, damit's innen weniger schaukelt. Windräder in den Wolken verschandeln nicht die Landschaft und können genauso nach günstigen Luftströmungen suchen, wie ein Fesselballon, Solarpanele über den Wolken stören sich nicht an Wolken, und wenn's eine Karambolage gibt, kann das Weather Girl bei der Wettervorhersage dazu „It's raining men“ summen, worauf sie gefeuert wird und wir einen schönen Skandal für die Saure-Gurken-Saison haben, oder wenn die Politik es nötig hat, von wichtigeren Problemen abzulenken. Man könnte sogar an fliegende Segelschiffe denken, in bester Cyberpunk-Manier.

    Tja. Bleibt nur, sich so lange mit der Deutschen Bahn herumzuplagen, bis man vor Frust über den Untergang des Planeten in Jubel ausbricht, weil die Deutsche Bahn dabei mit draufgeht, und sich voller Enthusiasmus ins Flugzeug zu setzen, um dazu beizutragen. So als Lufthansa-Kamikaze.
  • Miseridiscordia

    26.07.2021, Paul S
    Ich find's gut, wenn ich fresse, aber schlecht, wenn ich gefressen werde. Wenn ich den Widerspruch auflösen will, muss ich jedem das Recht einräumen, es genauso zu sehen. Dann ist das Leben plötzlich ein sehr faires Spiel – jeder tötet, jeder stirbt, ist OK, weil der Gefressene alles genauso handhabt, auch nur ein Mörder ist, der nicht gut genug war. Eine Gladiatorenarena, in der eine Scheingerechtigkeit darüber hinwegtäuscht, dass das Spiel selbst nicht gerecht ist. Schließlich haben wir keine Wahl, und Schmerz ist von Natur aus ungerecht, daran ändert sich nichts, wenn man ihn nach fairen Regeln verteilt. Gleichzeitig erkenne ich in jedem Lebewesen etwas, das dieses Schicksal absolut nicht verdient hat. Reine Seelen, blutige Hände, Opfer und Täter zugleich, zugleich schuldig und unschuldig, man kann uns weder vergeben noch uns verdammen – die idealen Teufel für eine Hölle, die nichts Gutes haben will, also auch keine Gerechtigkeit, und Glück nur toleriert, wenn es eine durch tausendfaches Leid Anderer erkaufte Sünde ist, welche die Seele noch tiefer in die Verdammnis schickt.

    Ich kann so nicht leben. Ich kann weder jeder nervigen Fliege das gleiche Mitleid entgegenbringen, wie einem Menschen, noch einen nervigen Menschen genauso mitleidslos erschlagen, wie eine Fliege. Ich habe nicht die Motivation, zu sterben, bloß weil ich keinen Sinn in dem Schwachsinnsspiel sehe, der das ganze Leid wert wäre, und ich kann nicht ohne eine Gemeinschaft überleben, die sich mit mir durch die Gladiatorenarena kämpft. Aus purem Eigennutz muss ich in ein paar Dinge und Kreaturen einen höheren Wert hinein lügen, ihnen eine bevorzugte Behandlung zugestehen, auch wenn ich weiß, dass objektiv kein Unterschied besteht zwischen mir, Florence Nightingale, Jack the Ripper und einer Ratte: Wir alle prügeln uns nach eigener Fasson durch die Welt, mögen, was uns scheinbar nützt, hassen, was uns scheinbar schadet, ignorieren, was uns ignoriert und biegen Weltanschauung und Empathie für unsere persönliche Überlebensstrategie zurecht. Ich kann mich kaum überwinden, zuzugeben, dass Adolf Eichmann und seine Opfer die Hinrichtung gleichermaßen verdient – und gleichzeitig nicht verdient – hatten. Mein Verstand erkennt die Gleichheit, die Sinnlosigkeit und die Hoffnungslosigkeit, die Perfektion der Hölle, die Feinheiten eines bis ins Detail ausgetüftelten Perpetuum mobile, das nur dazu dient, das Böse durch den Drang zum Guten in ewigen Teufelskreisen zu erhalten. Doch meine Natur will das Gute.

    Also blende ich die Widersprüche aus, spiele das Satansspiel mit, erlaube mir, an Dinge zu glauben, die der Verstand längst in der Luft zerrissen hat. Tue Gutes, auch wenn ich weiß, dass es nichts nützt, denn alles, was ich für gut halte, stärkt nur ein Monster, das dadurch mehr Leid anrichten kann. Ich muss nicht heucheln, ich muss mich nicht selbst betrügen, aber hinnehmen muss ich. Die Wahrheit beugt sich vor der Lüge, denn nein – ohne Widersprüche kann man nicht leben. Weder seelisch noch körperlich. Lügen erhalten das Leben, die Wahrheit – die Lügen.

    Ein Geist, der den Schmerz nicht mehr aushält, entwickelt eine Persönlichkeitsspaltung – das Hirn zerspringt in mehrere Einheiten, die ihn aussperren, die allein für sich leben, und vom Rest nichts wissen wollen. Sie entwickeln sich eigenständig, und wenn sie wieder Kontakt aufnehmen, gibt es Hardware-Konflikte – Widersprüche, kognitive Dissonanz. Der Verstand löst diese Widersprüche auf, näht den Geist wieder zusammen, und das fühlt sich geil an – immer mehr Aha-Momente, immer mehr Erleuchtung. Doch wer Licht sucht, findet Feuer.

    Die Wahrheit, die Weltsicht ohne Widersprüche, Konflikte, Lügen, sprengt mich wieder in tausend widersprüchliche Scherben. Und das Spiel geht von vorne los. Lieber finde ich also ein Gleichgewicht zwischen all den Widersprüchen, mit dem ich durch den Tag komme. Satan is happy, tut weniger weh. Ich suche mir ein Rauchwölkchen Sieben über dem Höllenfeuer, auf dem ich schweben kann, ohne der Wahrheit allzu oft zu nahe zu kommen. Und ertrage, dass dieses „Schweben“ im Grunde das verzweifelte Klettern auf einen darwinistischen Haufen Verdammter ist, von denen diejenigen ganz unten im Feuersee der Wahrheit brutzeln, während die ganz oben den Herrn der Hölle und der Lügen als den Gott der Liebe und der Wahrheit preisen. Meine Neigung zu schwülstiger Sprache ist mir übrigens manchmal fast schon peinlich, aber bei all meinen anderen Macken fällt sie nicht so sehr auf, dass es mich stören würde.

    Es werde Licht = es werde Schmerz. Alle Dinge der Welt beziehen ihre Kraft und Bedeutung aus Schmerz allein, und sei es durch seine Abwesenheit. Und gegen diese ultimative Wahrheit, die Erkenntnis über die wahre Natur des Universums, schmeiße ich gleich Ibuprofen ein.
  • Überleben des Allerwertesten

    26.07.2021, Paul S
    Man kann's Werte nennen oder Ehre, in Vernunft einbetten oder Religion – es kommt immer wieder aufs Selbe raus, weil ein paar Werte angeboren sind, oder zumindest immer wieder durch Experimente und Evolution einer Gesellschaft herausgefunden werden. Der Staat ist ein kollektives Raubtier, und wenn er Leute verdaut, stanzt er ihnen den Gencode ein, der ihn zusammenhält.

    Dabei gibt’s Evergreens, die immer funktionieren. Sozialverhalten, Loyalität, Gerechtigkeit (= die lästige Perversion der Selbstgerechtigkeit), Mitgefühl, Freundschaft, Liebe, Respekt, Anstand. Wie jede andere Gruppe von Teilchen, werden auch Menschen durch ein Gleichgewicht aus Geben und Nehmen zu einer Einheit verschmilzt, ist dieses Gleichgewicht gestört, fällt die Gesellschaft auseinander.

    Es gibt aber auch lokale Anpassungen an Wirtschaft und andere Gegebenheiten. Wenn alle Leute mit Sklaverei reich und mächtig werden und nach der Weltherrschaft greifen, können Sie nicht einfach so Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ausrufen, sonst sind Sie bald selbst Sklave oder Dünger. Das ging nur auf der Piratenhalbinsel namens Westeuropa, wo man genug Schwarze und Kolonien hatte, um die weißen Leibeigenen zu einer höheren, freien Kaste zu machen – der Wilde Osten hatte nur die eigene Bevölkerung zum Versklaven, so blieb dort der Adel das Staats- und Herrenvolk, während im Westen alle Weißen eines Landes zum Adel wurden und die Nation zur Staatsreligion mutierte, als ihr eigener Gott vom eigenen Gnaden, vor dem alle auf die Knie zu fallen haben. In Afghanistan können Sie auch keine Gleichberechtigung der Frauen propagieren, weil es dort keine funktionierende Polizei gibt – vor Vergewaltigung und Entführung schützt nur der eifersüchtige Primat mit der Kalaschnikow-Keule, und wenn der sein Eigentum in der Höhle verstaut, dient das der Sicherheit beider. Tut weh, weil jeder seine Macht nach Kräften missbraucht – aber man überlebt.

    Was für Werte man auch haben mag – meistens strebt man nach ihnen, wenn die Leute gucken, während man im Privaten noch fleißiger danach strebt, ihnen nie gerecht zu werden. Wir haben also ein Tauziehen, einen Interessenkonflikt zwischen Ich und Wir, verschiedenen Individuen, Gruppen, Hierarchiestufen. Solange auch hier das Gleichgewicht herrscht, läuft das System stabil. Wieder eines dieser lustigen Spannungsfelder zwischen Polen, die die Welt aufrecht erhalten, das Kraftfeld, das viele Teilchen zu einem größeren Teilchen, viele Organismen zu einem größeren Organismus, viele Netzwerke zu einem großen Netzwerk, viele Wellen zu einer Welle verknüpft.

    Dabei variieren die Werte und Prioritäten nach Eigennutz des Benutzers. Rassismus ist klar: Ich bin für meine Mitmenschen nutzlos, eine Gesellschaft, die nach Fähigkeiten und Verdiensten wertet, wird mich in die niederste Kaste einsortieren oder verstoßen, also muss ich mir aus meiner Haut einen Wertgutschein schneidern, da muss ich nix für leisten, kann noch weiter degenerieren und mich schlimmer aufführen als ein Schwein, und bin trotzdem der Größte. Angeborene, unverdiente Werte, Werte, die wenig Mühe kosten, Werte, die mehr Form als Inhalt erfordern: Erbe, Nationalität, Blutsadel, Religion, Hautfarbe – nehmen in korrupten, kranken Gesellschaften an Bedeutung zu, weil im großen Gemetzel der heuchelnden Psychopathen Mitmenschlichkeit tötet und Wertelosigkeit siegt.

    Wer sich nicht selbst kontrollieren kann, muss kontrolliert werden. Menschen ohne Werte brauchen Gott, Führer und Peitsche, da ersetzen Gehorsam und Unterwerfung die Mitmenschlichkeit: Organisation von oben verdrängt Selbstorganisation. Es schützen einen nicht mehr Ehre und Werte der Gemeinschaft, sondern die Macht der Obrigkeit, also wird man zum Speichellecker, dem der Boss wichtiger ist als der Nachbar. Natürlich nutzt der Boss seine Macht aus, um den Staat leer zu fressen: Ein Reicher, einige Günstlinge und viele Sklaven. Die meisten Rassisten sehen sich als Günstlinge des Führers, weil ihnen nicht in die hohlen Schädel geht, dass die große Mehrheit von ihnen besser als Sklaven verwertbar wäre.

    Wenn Sie also eine Demokratie zur Diktatur umformen wollen, sorgen Sie für Werteverfall. Wenn wir uns dann wieder auf Werte besinnen, kommen die am wenigsten anstrengenden Werte zuerst auf den Tisch, weil wir einfach die Fähigkeit verloren haben, uns selbst im Griff zu haben.

    Alle Information ist Gencodes, nicht nur DNA, und sie will im Grunde nur das eine: Gott werden. Eine Welt erschaffen, in der alles nur dazu dient, sie zu erhalten und zu mehren. Ein Handschlag fühlt sich genauso zu einer Umwelt hingezogen, die seinem Überleben dient, wie ein Intellektueller zu Orten, wo man viel mit komplizierten Worten und weltfremden Theorien zu tun hat, ohne viel Hand anlegen zu müssen, oder ein Populist zu leicht beeinflussbaren Bauerntrampeln, die Hexen verbrennen wollen, weil der Hagel die Ernte zerstört hat. Und wir alle suchen das Gleichgewicht, und wir alle dienen dem Druckausgleich, und wir alle folgen den Gesetzen der Thermodynamik, während wir uns einbilden, was ganz Besonderes zu sein, und nicht bloß Teilchen, wie alle anderen auch.

    Sei's drum. Der Zeitgeist befiehlt Faschismus, und jede Nation der Welt sucht ihren eigenen Weg dorthin, jede, so gut sie kann. Ob der jetzt durch die Faschisten eingeführt wird, oder gegen die Faschisten, ist egal. Im letzteren Fall wird er halt „freiheitlich-demokratische Wertegemeinschaft“ heißen, und die besseren Werte zu Worthülsen ausgehöhlt haben, in denen er die schlechteren versteckt. Wir suchen nach Werten, weil wir alle Werte, die etwas wert waren, verraten haben, weil wir ihrer nicht wert waren. Und auch Wertlosigkeit zieht es zu den Wertlosen, und auch sie will bloß überleben.
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