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Serie Rohstoffe: "Die Welt besitzt genügend Vorräte"

Gehen unserer Industrie die Rohstoffe aus? Und welche alternativen Quellen könnte sie sich erschließen? spektrumdirekt sprach mit dem Rohstoffforscher Ulrich Schwarz-Schampera von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover.
Gold
Der Markt für Rohstoffe wirkt immer stärker umkämpft, die Preise schwanken massiv. Was bedeutet das für die zukünftige Rohstoffversorgung der Bundesrepublik?

Ulrich Schwarz-Schampera | Der Geowissenschaftler arbeitet als Spezialist für Lagerstätten bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Die BGR wiederum ist als Fachbehörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie die zentrale wissenschaftlich-technische Institution zur Beratung der Bundesregierung in allen Fragestellungen zum Thema Geowissenschaften. Neben der Zentrale in Hannover gibt es noch Außenstellen in Berlin und Grubenhagen sowie das Seismologische Zentralobservatorium im fränkischen Gräfenberg.
Der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie, Anm. d. Red.) sieht sie mit Sorge und steht bezüglich der zukünftigen Bedarfsdeckung in engem Kontakt mit der Bundesregierung. Die Frage ist also aktuell, drängend und wird auch als Problem erkannt. Das betrifft allerdings weniger Rohstoffe wie Kupfer oder Eisen, deren Bedarf nicht zuletzt zu einem gewissen Prozentsatz durch Recycling gedeckt werden kann. Die BGR bekommt vor allem immer wieder Anfragen zu den Sondermetallen und deren Verfügbarkeit – etwa aus der Solarbranche. Diese benötigt unter anderem größere Mengen an Indium, dessen statische Reichweite häufig nur mit fünf bis sechs Jahren angegeben wird – das ist die Zeitspanne, für die die momentan bekannten globalen, wirtschaftlich förderbaren Vorkommen eines Erzes beim gegenwärtigen Verbrauch reichen würden. Und das schafft entsprechende Nervosität bei den darauf angewiesenen Firmen.

Ist das Material tatsächlich so knapp?

Wir versuchen die Sorge zu nehmen, dass durch eine geologische Verknappung die Preise übermäßig steigen oder die Metalle ganz ausgehen, weil die statische Reichweite vermeintlich kurz ist. Dem ist nicht so: Geologisch existieren keine Beschränkungen, auch wenn vereinzelt der Aufwand zur Gewinnung dieser Rohstoffe mit der Zeit größer werden könnte.

Welche Rolle spielt die BGR sonst noch – außer die Industrie zu beruhigen?

Unsere Aufgabe ist es, Politik und Industrie über Rohstoffe zu informieren. Wir beraten das Bundeswirtschaftsministerium und klären auf, ob, wo und wann womöglich Engpässe bei der Rohstoffversorgung auftreten und wie die Politik helfen kann. Dadurch soll frühzeitiges Handeln gewährleistet werden. Leider ist das geologische Knowhow in vielen Firmen verloren gegangen: Man hat sich nur auf den Markt verlassen, ohne zu bedenken, woher der Markt die Rohstoffe bekommt. Wir sprechen daher mit der Industrie, wo sie alternative Lieferanten finden könnte, wenn es andernorts zur Angebotsverknappung kommt. In diesem Sinne haben wir gerade die sechs kritischsten Metalle näher untersucht, deren Verfügbarkeit nach einer aktuellen Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) und des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in naher Zukunft womöglich schwierig werden könnte: Tantal, Niob, Germanium, Scandium, Indium und Gallium.

Drohen tatsächlich Engpässe oder ist hier ebenfalls eher eine Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und der tatsächlichen Lage vorhanden?

Geologische Engpässe existieren so gut wie nicht. Doch diese Metalle sind nur Nebenprodukte, die beim Abbau der Hauptprodukte wie Zink, Aluminium, Zinn, Titan oder Uran anfallen. Indium etwa erhält man nur durch die Produktion von Zink. Wenn die Teilnehmer am Weltmarkt übereinkommen, dass Zink reichlich vorhanden ist und der Abbau zurückgefahren wird, dann leidet darunter die Versorgung mit Indium. Beim Scandium lässt sich das gegenwärtig gut beobachten: Es ist ein Nebenprodukt der Urangewinnung. Momentan boomt der Markt für Uranerze, und jeder größere Bergbaukonzern möchte hier tätig werden, weil die Preise hoch sind und die weltweite Nachfrage weiterhin stabil bleiben dürfte.

Je mehr Uranlagerstätten erschlossen werden, desto mehr Scandium kommt anschließend auf den Markt. Umgekehrt würde sich der alleinige Abbau für Scandium nicht rentieren. Das sind klassische Koppelprodukte.

Die Märkte für Koppelprodukte sind wahrscheinlich sehr wechselhaft. Wie kann sich die Industrie auf extreme Schwankungen einstellen?

Zumindest hier zu Lande halten die metallverarbeitenden Betriebe die benötigten Rohstoffe nicht langfristig vor. Sie haben nicht die notwendigen Kapazitäten. Und es rechnet sich nicht, da keiner weiß, ob er denn die Materialien auch wieder zu vernünftigen Preisen verkaufen kann. Es gibt jedoch Staaten, die entsprechende Vorräte besitzen: Japan, Südkorea, in der Vergangenheit auch die USA. Südkorea hat letztes Jahr erst beschlossen, Metallreserven anzulegen – das hat die Preise für einige Sondermetalle hochgetrieben.

Und der deutsche Staat?

Deutschland hat dies in der Vergangenheit nicht gemacht und wird wohl auch zukünftig darauf verzichten – eine gute Entscheidung meiner Meinung nach. Die Bevorratung rechnet sich nicht, weshalb die USA unter Bill Clinton ebenfalls ihre Lager geleert haben. Die Bundesrepublik steht auf dem Standpunkt, dass die Rohstoffe auf dem Weltmarkt zu bekommen sind. Und bisher war dem auch so.

Indium | Das seltene silbrig weiße Schwermetall Indium gehört zu den Rohstoffen, dessen Verfügbarkeit relativ knapp ist. Es wird meist zu Indiumzinnoxid verarbeitet, das man für Flachbildschirme und Touchscreens benötigt.
Man muss dabei auch berücksichtigen, dass gerade die Gruppe der Seltenerdmetalle – die in der momentanen Diskussion am häufigsten genannt werden – vor allem deshalb rar sind, weil China der Hauptproduzent ist und den Export drosseln möchte. Das bedeutet aber nicht, dass es diese Metalle nicht ebenso andernorts gibt. China hat in der Vergangenheit den Markt durch kostengünstige Produktion beherrscht. In der Folge haben viele Minen geschlossen, weil sie nicht mehr rentabel waren. Hält das Land die Materialien aber zurück, steigen die Preise und neue Anbieter können wieder ins Spiel kommen.

China ist ein gutes Stichwort: Das Land engagiert sich stark auf den Rohstoffmärkten in Afrika und Südamerika und sichert sich die Zugänge zu den Rohstoffen vor Ort. Haben wir bald neue Abhängigkeiten?

Diese Ängste bestehen, und sie haben Politik wie Industrie sensibilisiert. Bisher war China vor allem auf dem Markt für Basismetalle wie Eisen oder Kupfer tätig, das Land produziert jedoch mittlerweile auch viele Sondermetalle. China ist allerdings nicht bekannt dafür, dass es konkurrenzlos große Lagerstätten besitzt. Ein beträchtlicher Teil stammt daher vermutlich aus der Wiederverwertung von Abfällen, die in Europa, Japan oder den USA aus Kostengründen nicht weiterverarbeitet werden. In China lohnt sich dagegen die Aufarbeitung. Aus dieser Quelle stammen folglich viele der Rohstoffe, die das Land wieder verkauft.

Gibt es weitere Rohstoffe, deren Import von wenigen Anbietern dominiert wird?

Chrom ist in diesem Zusammenhang ein gutes Beispiel: Es konzentriert sich regional auf das südliche Afrika, vor allem auf Südafrika. Während der Apartheid hatte die Weltgemeinschaft Südafrika mit einem Handelsembargo belegt, so dass die Zufuhr von dort limitiert wurde. Heute wird der Handel mit dem Rohstoff, der während des Kalten Kriegs strategische Bedeutung hatte, von anderen politischen Einflüssen gesteuert. Simbabwe, wo ebenfalls eine bedeutende Lagerstätte vorhanden ist, produziert wegen der inneren Instabilität deutlich weniger, als dies früher der Fall war. Und keiner kann vorhersagen, ob die südafrikanische Politik auf Dauer stabil bleibt.

Es existiert also eher so etwas wie eine Art theoretische Verknappung. Die Welt besitzt genügend Vorräte, doch bleibt offen, ob die Wirtschaft im Bedarfsfall stets schnell genug auf Alternativen ausweichen kann. In der Vergangenheit ist dies jedoch immer gelungen.

Hin und wieder hört man Bedenken, dass Industriezweige dorthin abwandern könnten, wo Rohstoffe in ausreichender Menge verfügbar sind. Können Sie das bestätigen?

Das ist denkbar, aber zumindest momentan spielt die Rohstoffversorgung wohl noch eine untergeordnete Rolle bei der Standortentscheidung von Firmen. Es ist hier zu Lande noch keine Solarzelle nicht produziert worden, weil Indium, Gallium oder Selen fehlte. Der höhere Preis für Rohstoffe kann in den meisten Fällen noch durch verringerten Materialeinsatz aufgefangen werden. In den Dünnschichtsolarzellen oder Flachbildschirmen verarbeitet die Industrie immer kleinere Mengen der nötigen Metalle.

Hinzu kommt das verstärkte Recycling: Eine belgische Firma zum Beispiel arbeitet alte Autokatalysatoren auf und liefert nun sieben bis acht Prozent des weltweiten Platinbedarfs. Ähnliches kann man sich für Elektronikschrott oder Solarzellen vorstellen: Es existieren bereits die Verfahren, um die eingesetzten Metalle erneut zu gewinnen – zurzeit fehlt es hier eher an einer leistungsfähigen Infrastruktur zum Sammeln der Altanlagen und Geräte.

Welche Alternativen könnte sich denn die deutsche Industrie erschließen – neben dem Recycling?

Es wäre sehr förderlich, wenn es wieder Unternehmen in der Bundesrepublik gäbe wie beispielsweise die ehemalige Preussag oder Metallgesellschaft, die sich um die Beschaffung von Rohstoffen kümmern. Das geht jedoch nur über marktwirtschaftliche Anreize. Andererseits gibt es verschiedene Unternehmen der Rohstoffverarbeitung, die sich in Einzelfällen engagieren und Minen im Ausland gesichert haben. Die großen Namen sind aber vorerst weit gehend verschwunden.

Und der Staat?

Dass der Staat handelt, widerspricht im Großen und Ganzen unserer Auffassung von Marktwirtschaft. Die BGR hat für die Bundesrepublik zwar Forschungsclaims für Manganknollen auf dem Meeresgrund erworben, wird dort aber niemals selbst abbauen. Sollte sich zeigen, dass diese Vorkommen Gewinn bringend ausgebeutet werden können, müsste sich ein entsprechendes Firmenkonsortium dafür finden. Unsere erste Aufgabe als Teil der Politik lautet Aufklären und Beraten – handeln und kaufen müssen die Unternehmen selbst.

Herr Schwarz-Schampera, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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