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Ich wollte es von Anfang an nicht recht glauben, daß das betreffende Bakterium GFAJ-1 (so heißt das Viech) uns den Gefallen tun sollte, wir könnten mal erfolgreich Frankenstein spielen. Der erste Faupax ist es, mit einem Ergebnis aus schlampigen Versuchsdurchführungen an die Öffentlichkeit zu gehen, der zweite, daß die Jedermann-Presse daraus gleich eine Alien-Story drehen muß. Man weiß, daß Laien sich außerirdisches Leben gerne als besonders bizarr und phantastisch vorstellen. Das aber wäre erstens sehr unwahrscheinlich und zweitens auch gar nicht nötig. Schaut man sich den biochemischen Teil der Evolution auf der Erde etwas genauer an, stößt man auf ein paar einfache Grundsätze, die wahrscheinlich für den ganzen Kosmos gelten. Über sehr lange Zeiträume wird sicher vieles möglich. So auch der Einbau anderer Elemente in lebenswichtige Biomoleküle. Nicht aber sofort. Z.B. hat das erste Auftreten von freiem Sauerstoff am Ende des Präkambrium nahezu alles bis dahin entwickelte (anearobe) Leben ausgerottet. Noch für die anearoben Einzeller von heute ist Sauerstoff ein tödliches Gift. Die wenigen "Überlebenden" von damals lernten zunächst, sich gegen dieses sehr reaktionsfähige Gas zu schützen und später sogar, dessen enormes Energiepotenial für sich zu nutzen. Indem sie die Oxidationsmechanismen ihres Stoffwechsels auf die Nutzung von Sauerstoff umstellten. Ganz ähnlich könnte vielleicht auch der Austausch von Phosphat durch Arsenat auf sehr lange Sicht möglich werden. Ganz auf die Schnelle aber bringt das Arsenat den Tierchen den sicheren Tod. Wenn Wikipedia über Arsen und Phosphor schreibt, die beiden wären sich sehr ähnlich, ist das nicht einmal falsch. Aber falsch aus der Sicht der Biochemie. Unterschiede wie z.B. die weitaus leichtere Reduzierbarkeit von As(V) (Arsensäure) gegenüber P(V) oder die extrem verschiedene hydrolytische Stabilität analoger As- und P-Verbindungen gegenüber Wasser bei normaler Temperatur machen beide Elemente aus der Sicht eines lebenden Organismus unvereinbar. Überhaupt gibt es nur eine einzige Klasse von Elementen, die in einem Organismus ohne schlimmere Folgen austauschbar wären, nämlich die Metalle der Seltenen Erden. Die aber spielen in der Biochemie gar keine Rolle, sie kommen in lebenden Zellen gar nicht vor. Wöllte man derartige Möglichkeiten experimentell untersuchen, müßte man schon "Evolution spielen" und einen Organismus von extrem kurzem Generationszyklus (einige Stunden) mindestens 30 Jahre lang in der Glovebox isolieren und beobachten. Wäre nach (wirklich) völligem Phosphat-Entzug und Ersatz durch Arsenat nach einem Jahr auch nur 10% des Zellbestandes noch am Leben, dann wäre (bei wirklichem Ausschluß aller Fehlerquellen) die Sensation zweifelsfrei. Lediglich, ob dies wirklich den Status einer Sensation hätte, wäre dann noch fraglich. Zu den Naturkräften gehört auch der Überlebenstrieb lebender Materie. Die Natur ist ständig am Optimieren und im Katastrophenfall dabei, Alternativen zu suchen. Dennoch gibt es für die phantastische Annahme, Leben auf fremden Planeten könne völlig anders aufgebaut sein und in bizarrer Weise funktionieren, gar keinen Anlaß. Z.B. sind Organismen (auch wir) aus nur wenigen essentiellen Elementen aufgebaut, die sich fast an 10 Fingern abzählen lassen: Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Natrium, Kalium, Calcium. Dies sind allesamt leichtere Elemente, also solche mit relativ niedriger Kernladungszahl. Die schon im normalen "Lebenszyklus" massrereicher Sterne (wie der Sonne) durch Fusion gebildet werden und damit im gesamten Universum außerordentlich häufig sind. Elemente höher als Eisen, die nicht mehr mit positiver Energiebilanz in der stellaren Nukleosynthese durch Fusion entstehen können, sondern erst bei einer Nova (durch Neutroneneinfang) sind auf der Erde zwar ebenfalls vorhanden, kommen aber im lebenden Organismus fast gar nicht vor, zumindest nicht als zwingender Bestandteil. Das heißt, die Evolution hat die schweren Elemente überhaupt nicht benötigt! So wird auch auf einem beliebigen Exoplaneten kein Einzeller es nötig haben, Phosphor durch Arsen zu ersetzen. Ganz einfach, weil Phosphor ohnehin viel häufiger als Arsen ist und in der Evolution sowieso von Anfang an Verwendung fand. Die Menschen lieben es, sich Unbekanntes gerne besonders phantastisch auszumalen. Sie könnten enttäuscht sein, wie "gewöhnlich" Organismen auf einem Exoplaneten womöglich aussehen würden. Denn dort kocht die Natur auch nur mit Wasser. Und mit Phosphat. Das schwerste essentielle Element, das mir im Moment einfällt, ist tatsächlich Eisen (im Hämoglobin, mit Eisen als Zentralatom). Wäre angenommen Kupfer leichter als Eisen und damit im Universum häufiger als dieses, hätte die Evolution womöglich einen Sauerstofftransport-Mechanismus auf Kupferbasis entwickelt [ständiges Redox zwischen Cu(I) und Cu(II)]. Da aber Eisen überall im Universum häufiger als Kupfer ist, würde es auch nirgendo notwendig sein, eine Art Kupfer-Hämoglobin zu entwickeln.
All unser Wissen und unsere logischen Annahmen sprechen also dafür, daß für die Entstehung von Leben und eine anschließende Evolution nur ein paar wenige der leichteren chemischen Elemente nötig sind. Selbst Kulturen mit Schrift und Sprache können sich daraus entwickeln. Der Witz ist aber, daß für den Übergang von einer Kultur mit primitivem Werkzeug zu einer technischen zivilisation mit Raumfahrtpotential die schweren Elemente dann tatsächlich gebraucht werden! Die ersten Eisenbahnen und Automobile kamen noch ohne sie aus. Auch Drucklettern hätte man vielleicht auch noch ohne Blei entwickeln können. Die Fotografie aber benötigt schon Silber, die Kernenergie noch schwerere Elemente und ohne Kupfer, Silber, Gold, Antimon, Zinn, Arsen und Gallium hätte der Computer, mit dem wir heute schreiben, gar nicht erst gebaut werden können. Damit könnte man fast in bedeutungstrunkenes Philosophieren abgleiten: für den Jäger mit Faustkeil und die Frau, die das Korn mahlt, braucht die Evolution nur die leichteren Elemente. Die schweren schlummern währenddessen in der Kruste des Planeten für eine ganz ganz ferne Zukunft. Für den Übergang in eine technische Zivilisation. Das war ganz vorrausschauend von der kosmischen Nukleosynthese, daß sie den Planeten auch die schweren Atomkerne unter die Steine gelegt hat: "Es könnte ja mal sein ...".
Am Beispiel der sogen. Extremophilen wissen wir, mit welch sagenhafter Anpassungsfähigkeit manche Pilze und Bakterien uns überraschen - die sich in tödlicher Gammastrahlung pudelwohl fühlen oder sich buchstäblich von Glas und Gestein ernähren. Die Evolution tut uns aber nicht den Gefallen, an einem einzigen Labor-Tag zwischen Mittagspause und Feierabend eine Show abzuziehen. Für Sensationen wie das Arsenat-Wunder braucht sie sicher etwas länger.
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Zweifellos möglich - aber nicht sofort
28.11.2011, Hartmut Schirneck, 93053 RegensburgAll unser Wissen und unsere logischen Annahmen sprechen also dafür, daß für die Entstehung von Leben und eine anschließende Evolution nur ein paar wenige der leichteren chemischen Elemente nötig sind. Selbst Kulturen mit Schrift und Sprache können sich daraus entwickeln. Der Witz ist aber, daß für den Übergang von einer Kultur mit primitivem Werkzeug zu einer technischen zivilisation mit Raumfahrtpotential die schweren Elemente dann tatsächlich gebraucht werden! Die ersten Eisenbahnen und Automobile kamen noch ohne sie aus. Auch Drucklettern hätte man vielleicht auch noch ohne Blei entwickeln können. Die Fotografie aber benötigt schon Silber, die Kernenergie noch schwerere Elemente und ohne Kupfer, Silber, Gold, Antimon, Zinn, Arsen und Gallium hätte der Computer, mit dem wir heute schreiben, gar nicht erst gebaut werden können. Damit könnte man fast in bedeutungstrunkenes Philosophieren abgleiten: für den Jäger mit Faustkeil und die Frau, die das Korn mahlt, braucht die Evolution nur die leichteren Elemente. Die schweren schlummern währenddessen in der Kruste des Planeten für eine ganz ganz ferne Zukunft. Für den Übergang in eine technische Zivilisation. Das war ganz vorrausschauend von der kosmischen Nukleosynthese, daß sie den Planeten auch die schweren Atomkerne unter die Steine gelegt hat: "Es könnte ja mal sein ...".
Am Beispiel der sogen. Extremophilen wissen wir, mit welch sagenhafter Anpassungsfähigkeit manche Pilze und Bakterien uns überraschen - die sich in tödlicher Gammastrahlung pudelwohl fühlen oder sich buchstäblich von Glas und Gestein ernähren. Die Evolution tut uns aber nicht den Gefallen, an einem einzigen Labor-Tag zwischen Mittagspause und Feierabend eine Show abzuziehen. Für Sensationen wie das Arsenat-Wunder braucht sie sicher etwas länger.