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Kommentare - - Seite 1

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  • Antwort an Markus Dahlem

    16.12.2011, Bernhard Kempen
    Sehr geehrter Herr Dr. Dahlem,

    haben Sie vielen Dank für Ihren interessanten Kommentar zu meinem
    Beitrag. Der Deutsche Hochschulverband vertritt die Position, dass das
    Befristungsrecht in der Wissenschaft auch der Erneuerungsfähigkeit der
    Hochschulen dienen muss. Andererseits muss aus wettbewerblichen Gründen
    gewährleistet sein, dass der Beruf des Wissenschaftlers eine
    verlässliche Perspektive hat und attraktiv ist.

    Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bietet hierzu aus rechtlicher Sicht
    durchaus einen geeigneten Rahmen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz
    ist bei den Arbeitgebern – den Hochschulen und Forschungseinrichtungen –
    ein akzeptiertes Instrumentarium. Die Nachwuchswissenschaftler erachten
    den Befristungsrahmen dann als ausreichend, wenn ihnen neben der
    Erbringung von wissenschaftlichen Dienstleistungen ausreichend
    Gelegenheit von den fachvorgesetzten Hochschullehrern für die eigene
    Qualifizierung gegeben wird. Der Deutsche Hochschulverband hat auch im
    Rahmen der von der Hochschul-Informations-System GmbH (HIS)
    durchgeführten Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes im
    Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine
    Stellungnahme abgegeben. Ich möchte Ihnen die wesentlichen praktischen
    und rechtlichen Verbesserungsvorstellungen darlegen, die der Deutsche
    Hochschulverband im Rahmen der durchgeführten Evaluation des BMBF zum
    Wissenschaftszeitvertragsgesetz geäußert hat:

    1. Es ist ein verantwortungsvoller Umgang der Hochschulen und
    Forschungseinrichtungen mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz
    gefordert. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bietet aufgrund der
    sachgrundlosen Befristung durchaus das rechtliche Instrumentarium,
    befristete Arbeitsverträge mit Nachwuchswissenschaftlern zur
    Qualifizierung abzuschließen. Erschreckend ist, dass – und dies ist auch
    ein Evaluationsergebnis von HIS – ca. 53 Prozent der befristeten
    Arbeitsverträge eine Laufzeit von unter einem Jahr aufweisen. Mit dieser
    kurzen Laufzeit ist die Attraktivität der Beschäftigungsverhältnisse für
    den Nachwuchs in der Wissenschaft nicht gegeben. Der rechtliche Rahmen,
    den das Wissenschaftszeitvertragsgesetz für die Befristung von
    Arbeitsverträgen aufzeigt, muss im Rahmen der den Hochschulen und
    Hochschullehrern obliegenden Fürsorgepflichten für das Nachwuchspersonal
    noch intensiver genutzt werden. In jedem Fall sollte geprüft werden, ob
    nicht auch längere Laufzeiten aufgrund der vorhandenen Haushaltsstellen
    oder Drittmittel zulässigerweise abgeschlossen werden können. Unbedingt
    notwendig ist auch die Verbesserung der Grundfinanzierung der
    Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch die Länder und den Bund,
    um am Wissenschaftsstandort Deutschland auch zukünftig auf hohem Niveau
    Forschung und Nachwuchsförderung betreiben zu können.

    Die familienfreundliche Regelung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes,
    wonach die Höchstbefristungsdauer von 12 bzw. 15 Jahren im Bereich der
    Medizin für das wissenschaftliche und künstlerische Personal bei
    Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je
    Kind verlängert werden kann, muss von den Einrichtungen noch wesentlich
    intensiver genutzt werden. Bisher wird nur ein gutes Prozent aller
    befristeten Arbeitsverträge aufgrund der familienfreundlichen Regelung
    des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes geschlossen.

    2. Vor dem Hintergrund der Föderalismusreform hat der Gesetzgeber im
    Wissenschaftszeitvertragsgesetz darauf verzichtet, die
    Personalkategorien der Nachwuchswissenschaftler explizit festzulegen.
    Der Bundesgesetzgeber vertritt die Auffassung, dass dies nunmehr die
    Aufgabe der jeweiligen Hochschulgesetzgeber sei. Das
    Wissenschaftszeitvertragsgesetz spricht daher bezüglich des personellen
    Anwendungsbereiches nur vom „wissenschaftlichen und künstlerischen
    Personal mit Ausnahme der Hochschullehrer“. Dieses Tatbestandsmerkmal
    bereitet den Hochschulen und Forschungseinrichtungen bei der Anwendung
    erhebliche Probleme. So müssen diese in jedem Einzelfall die Anwendung
    des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes anhand des Arbeitsverhältnisses
    und des übertragenen Aufgabenbereiches bestimmen. Nur wenn die
    übertragenen wissenschaftlichen und künstlerischen Dienstleistungen des
    Personals auch zur Qualifizierung geeignet sind, ist der
    Anwendungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes eröffnet. Die
    Ermittlung des personellen Anwendungsbereiches des
    Wissenschaftszeitvertragsgesetzes muss sich aber – um Transparenz und
    Rechtssicherheit für die Nachwuchswissenschaftler und für die
    Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu erreichen – direkt aus dem
    Gesetzeswortlaut ergeben. Hier muss also der Gesetzgeber noch dringend
    nachbessern.

    Zu Ihrer weiteren Frage der „Befristungsketten“ möchte ich darauf
    hinweisen, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nur bei dem
    Abschluss befristeter Arbeitsverträge zur Anwendung kommt. Wird das
    wissenschaftliche und künstlerische Personal im Beamtenverhältnis auf
    Zeit beschäftigt, ergeben sich die Befristungsgrenzen aus dem jeweiligen
    Hochschul- und Beamtenrecht. Bei der Begründung der Beamtenverhältnisse
    auf Zeit ist häufig keine Höchstbefristungsgrenze – wie sie im
    Wissenschaftszeitvertragsgesetz beim Abschluss befristeter
    Arbeitsverträge vorgesehen ist – zu beachten.

    Mit besten Grüßen
    Bernhard Kempen
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