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Kommentare - - Seite 1

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  • Weitere Aspekte zum Thema aus geologischer und umweltpolitischer Sicht

    30.10.2014, Reinhold Leinfelder
    Ein durchaus differenzierter Artikel, vielen Dank dafür. Mir fehlen aber - gerade weil ich Geologe bin - ein paar Argumente bzw. Ergänzungen.

    Zum einen ist der Unterschied zwischen konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten nicht nur in der geringeren Porosität und v.a. Durchlässigkeit (Permeabilität) der beteiligten Speicher zu sehen. Konventionelle Lagerstätten finden sich in einem sog. Speichergestein, welches tektonisch zu "Fallen" umgeformt wurde. In diesen "Fallen" (z.B. einem aufrechten Faltenkern ("Sattel") akkumuliert das Erdöl und/oder Erdgas, da es leichter als das Gestein ist. Dazu muss allerdings das sog. Muttergestein (z.B. ein bituminöser Schiefer) erst einmal zum richtigen Reifegrad erhitzt worden sein (idR. durch Versenkung), so dass das organische Material zu Öltröpfchen und/oder Erdgas wird. Es braucht dann noch einen Migrationsweg (z.B. eine Störung oder ein permeables darüberliegendes Gestein, um in die Fallen einzuwandern und dort zu akkumulieren. In diesem Speichergestein kommt dann sozusagen Eröl bzw. Erdgas zusammen, was in immens weit verbreiteten Bereichen akkumuliert wurde.

    Beim Fracking ist die Reifung im Muttergestein passiert, das dort generierte feinverteilte (gar nicht sehr häufige) Öl und Gas konnte aber nicht in Fallen abwandern. Nun bohrt man also hier rein, sprengt auf, generiert eine lokal erhöhte Permeabilität und saugt das dann ab. Es gab also keinerlei Anreicherungsprozesse zuvor, also klar, dass dann eine Bohrung sehr schnell erschöpft ist und das nächste Loch gebohrt werden muss usw usw. (Kohlefracking hab ich jetzt hier mal weggelassen, es ist aber recht analog zu obigem, auch hier ist das Gas nicht abgewandert, sondern in der (teils umgewandelten) Kohle wegen fehlender Permeabilität stecken geblieben).

    Jede Bohrung hat aber - und hier spricht wieder der Geologe - ein Restrisiko, etwa hinsichtlich Vermischung des Geförderten mit Grundwasser. Das Risiko entsteht weniger während des Betriebs, sondern bei der eigentlichen Bohrung, z.T. auch beim Aufgeben einer Bohrung. Wenn auch das Risiko bei geeigneter Technik klein ist, akkumulieren diese Risiken natürlich, wenn man viele Bohrungen ansetzt. Das Risiko auf einer Straße mit wenig Verkehr einen Unfall zu haben, ist statistisch auch niedriger als auf einer Straße mit viel mehr Verkehr.

    Meines Erachtens zu wenig diskutiert wurde, ob bzw. wievielt zusätzliches Methan als klimagefährdenes Treibhausgas zusätzlich in die Atmosphäre kommt. Hier gibt es, bislang umstrittene Studien dazu: Siehe z.B. http://www.klimaretter.info/energie/hintergrund/13137-fracking-erdgas-klimabilanz oder auch http://www.sueddeutsche.de/wissen/erdgasfoerderung-kritik-an-der-fracking-kritik-1.1737485 (beide von 2013). Ein Bericht zu einer neueren Studie siehen hier: http://www.taz.de/!147854/
    Damit könnte die Klimabilanz deutlich anders aussehen. Die Diskussion, und v.a. die Forschung hierzu wird weitergehen müssen.

    Aber auch wenn die Bohrungen absolut dicht hielten, stellt sich noch die grundsätzliche Frage, ob bzw. warum es Fracking überhaupt "braucht". Für die Energiewende, die ja politisches Ziel in Deutschland ist, wird Erdgas als Übergangstechnologie für notwendig erachtet. Tatsächlich würden auch die konventionellen Erdgasreserven dieser Welt gut ausreichen, allerdings liegen manche von ihnen in strategisch schwierigen Gebieten. Öl hat eine deutlich negativere Klimabilanz, sollte also auch in Form von Frack-Öl keine Alternative sein. Mit einem sehr raschen weiteren Ausbau der Erneuerbaren in Verbindung mit Puffersystemen (wie Unterwasser-Kugelpumpspeicher, oberirdischen Pumpspeicherkraftwerke und insb. Power to Gas, also der klimaneutralen Umwandlung von Überschusswind/solarstrom zu Erdgas) sollten auch die zugänglichen Erdgasreserven als Übergangstechnologie ausreichen. Ein großes Problem ist auch, dass das billige Frackgas die Gaspreise eher sinken lässt und den Verbrauch dadurch anheizt. Damit würden das billige Gas nicht nur Kohle, sondern auch erneuerbare Energietechniken verdrängen, und eben keine Brückentechnologie sein (http://www.taz.de/!147854/)

    Für mich ist neben den Sicherheits- und Umweltbelastungsfragen die Frage, ob Fracking-Gas ein (Übergangs-)Teil der Energiewende sonn kann oder nicht doch eher komplett kontraproduktiv für die Energiewende ist, diejenige, die man zuallererst stellen und beantworten sollte.
    Stellungnahme der Redaktion

    Da stimme ich im Prinzip zu - allerdings ist die Entscheidung, ob Fracking im Kontext der Energiewende sinnvoll ist, eher eine politische als wissenschaftliche Frage. Insofern denke ich nicht, dass sie in einen Artikel wie diesen hineingehört. Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass viele Akteure versuchen, diese politische Frage als wissenschaftliche Frage zu tarnen. Deswegen habe ich hiuer sehr bewusst auf eine abschließende politische Bewertung pro oder contra Fracking verzichtet.

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