Direkt zum Inhalt

Kommentare - - Seite 1

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich"

    04.02.2017, Hans-Jürgen Steffens
    Ich muss gestehen, dass mich der Teaser des Artikels zunächst etwas in die Irre geführt hatte. Ich vermutete einen Verweis auf die Untersuchung von Menschen mit Schädigungen in gewissen Hirnzentren zur Steuerung von Emotionen, deren Logikkalküle zwar intakt geblieben waren, die aber dennoch trotz mannigfacher Abwägung der pros und cons nicht in der Lage waren, eine Entscheidung zu treffen.

    Das was Vince Ebert beschreibt, fällt stattdessen wohl mehr in die Kategorie dessen, was Rupert Riedl als "ratiomorpher Apparat" in "Biologie der Erkenntnis" beschreibt.

    Hn. Ebert mag man insofern folgen, dass "Evolutionsbiologisch unser Gehirn nicht primär für die Wahrheitsfindung konstruiert (ist)." Aber man ist dennoch versucht, einmal die Frage zu stellen, inwieweit die im "vorbewußten" Bereich ablaufenden Prozesse der "Vor-Urteilsbildung" dem Ziel des Überlebens dienlich sein könnten, wenn die Verdrahtungen nicht eine Mindestisomorphie zur objektiven Realität aufweisen würden.

    Formulieren wir also die Heuristik: Die größten Überlebenchancen hat man, wenn man die Wahrheit kennt. Dieselbe Arbeitshypothese könnte man formulieren, wenn es darum geht, dass "Gute Gefühle das Einzige (sind), hinter dem wir in Wahrheit her sind."
    Denn, wenn diese Gefühle so fehljustiert sind, dass sie völlig unkorreliert zur Wahrheitsfindung hervorgerufen werden, wird ein Träger solcherart falsch programmierter Gefühle vermutlich "ausgemendelt" werden.

    Das, was Vince Ebert also irrational nennt, verhält sich zur abstrakten Rationalität so wie - um eine Metapher zu gebrauchen - die klassische Physik zur Quantenphysik. In vielen Fällen hinreichend, in Grenzfällen aber zu ersetzen durch neue Algorithmen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle nicht so weit gehen wie Vince Ebert, dass "Unsere Irrationalität das Geheimnis unserer Kreativität und Fantasie (ist)." (Ich weiß, A. Turing vetrat diese These auch, aber ich halte sie nur für teilweise richtig.)

    Kommen wir zu meinem anfänglichen Missverständnis: Die Ziele, die wir uns setzen, sind tatsächlich in einem wichtigen Sinne nicht rational zu begründen. Um Missverständnisse zu vermeiden hatte Karl Steinbuch hierfür das Attribut "a-rational" benutzt. Die Ratio verhält sich zur "A-Rationalität" wie der Bergführer zum Touristen. Der Tourist bestimmt das Ziel, und der Bergführer klärt die notwendigen Rahmenbedingungen, also Ausrüstung, Fitness u.a.m. Die Ratio fungiert also mehr als Buchhalter, nicht als Executive.

    Als zielorientierte Spezies sind wir darauf programmiert, uns Ziele setzen zu MÜSSEN, dieses Programm schreibt uns aber nicht vor, welches Ziel das "richtige" ist. Wir haben also ein Wahlrecht gekoppelt mit einer Wahlpflicht.

    In dieser Konstellation kann es zu Entgleisungen kommen, nämlich dann, wenn Ziele gewählt werden, die unter den herrschenden Rahmenbedingungen unerreichbar sind. In diesem Fall wird ein gewähltes Ziel kristallisiert in Form einer "fixe Idee" dann tatsächlich irrational. Leider ist es zu Beginn bei aller Rationalität nicht immer möglich, die (Un-)möglichkeit eines Zieles zu berechnen. Eine gewisse Irrationalität in diesem Sinne ist deshalb schicksalhaft kann aber andererseits dem Schlusssatz "Wenn die Menschen niemals etwas Dummes täten, geschähe auch nichts Vernünftiges." einen nichttrivialen Sinn verleihen.

    HG, H.-J. S.

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.