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  • Widerspruch gegen die Widerspruchslösung

    15.02.2018, Alma Kaiser
    Sehr geehrter Herr Fischer,

    Ich möchte Ihrem Plädoyer für die Widerspruchslösung aus folgenden Gründen widersprechen:

    1.
    Kein Mensch hat das Recht auf die Organe eines anderen Menschen. Der eigene Körper ist das Einzige, was wir wirklich besitzen. Ein Staat mit Widerspruchslösung wie die Niederlande macht alle Bürger nach ihrem Tod zu potentiellen Leibeigenen der Gesellschaft. Indem er darauf spekuliert, dass nur ein geringer Teil der Bürger sich wirklich Gedanken über eine mögliche Organspende macht, überrumpelt er die Mehrheit, die sich im Todesfall nicht mehr gegen die Organentnahme wehren kann. Das ist in höchstem Maße unethisch. Da immer ein Mensch sterben muss, damit ein anderer mit dessen Organ weiterleben kann, sollte niemand durch eine Widerspruchslösung überrumpelt und indirekt zu einer Spende gezwungen werden. Die deutsche Lösung ist daher ethisch und politisch die bessere und sollte keinesfalls einer Widerspruchslösung geopfert werden.

    2.
    Die Hirntod ist ein Begriff, der erst aufkam, als man anfing, Organe zu transplantieren. Vorher kannte man diesen Begriff überhaupt nicht. Der Hirntod ist aber aus zwei Gründen fragwürdig:
    a)
    Den Hirntod als genau fixierbaren Punkt gibt es nicht. Das Sterben ist ein Prozess. Kein Arzt der Welt kann mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, wann das Bewusstsein eines Menschen wirklich erloschen ist. Im Zweifelsfall ist es das erst, wenn alle Körperzellen abgestorben sind. Wir werden es erst wissen, wenn wir selber sterben. Manche Ärzte geben das sogar zu. Es hat Patienten gegeben, die nach allen Regeln der medizinischen Kunst für Hirntod erklärt wurden, es aber im Nachhinein doch nicht waren. Für Organspender bleibt also immer das Restrisiko eines nicht erkannten und/oder schmerzhaften Todes.

    b)
    Der Hirntod ist auch das Produkt eines reduktionistischen Welt- und Menschenbildes. Seine Vertreter sind Physikalisten und reduzieren eine Person auf ihre Hirnfunktionen. Sind diese nicht mehr messbar, ist ein Mensch ihrer Meinung nach tot. Dass eine Person mehr sein könnte als die Summe ihrer Hirnfunktionen, dass sie gar eine Seele haben könnte, die nicht nur vom Gehirn abhängig ist, kommt diesen Materialisten nicht in den Sinn. Auch aus diesem Grund ist der Hirntod mehr Ideologie als handfestes Wissen.

    3.
    Patienten, die eine Organtransplantation brauchen, sind in der Minderheit. Es ist daher nicht akzeptabel, dass mit der Widerspruchslösung die Mehrheit für diese Minderheit in eine medizinische Sippenhaft genommen wird.

    4.
    Bevor man sich auch in Deutschland zur Einführung der unethischen Widerspruchslösung entschlösse, sollte man den Bürgern besser ganz ehrlich sagen: Wer nicht bereit ist, selber Organe zu spenden, erhält bei Bedarf auch keine. Wollen Eltern, dass ihr Kind transplantiert wird, müssen sie im Gegenzug selber zur Spende bereit sein. Das wäre bei weitem fairer als die Widerspruchslösung, weil es immer noch eine freiwillige Spende wäre und nicht eine, die auf Überrumpelung durch kalkuliertes Nichtwissen beruht.

    Soweit meine wichtigsten Argumente gegen die Widerspruchslösung der Niederlande, nicht gegen die Organspende überhaupt. In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Jede/r sollte sich Gedanken darüber machen, ob er/sie spenden will oder nicht.

    Freundliche Grüße

    Alma Kaiser
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