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  • DenkMal und Gödel'sche Paradoxien

    05.05.2006, Dr. Ulrich Heemann
    Liebe Mitarbeiter von spektrumdirekt,
    Ich habe mich vor einiger Zeit gedanklich mit der Gödel'schen Aussage zur Unvollständigkeit mathematischer Systeme beschäftigt und möchte Ihre Frage in DenkMal zum Anlass nehmen, meinerseits Anmerkungen hierzu abzugeben.

    Ich beginne mit dem Kreter, der behauptet, dass alle seine Landsleute lügen. Ich stelle dem die Aussage entgegen, dass einige Kreter lügen. Vor diesem Hintergrund wird die ursprüngliche Aussage völlig harmlos. Habe ich das Problem nur umgangen? Nein, denn die erste Aussage des Kreters ist in sich widersprüchlich und somit den üblichen Regeln der Logik entsprechend falsch. Die strenge logische Schlussfolgerung aus der Aussage des Kreters: Diese Aussage ist falsch (gelogen). Wenn sie gelogen ist, lügen nicht alle Kreter. Da diese spezielle Aussage gelogen ist, hat dieser Kreter (logischerweise) mit dieser Aussage gelogen, ohne damit die Logik insgesamt aufzuheben.

    Versuchen wir es also mit der schärferen Aussage:
    "Dieser Satz ist falsch.“ Er ist in sich widersprüchlich und kann in der Tat weder als falsch noch als richtig erkannt werden. Er ist zwar im formalen Gebäude der Logik konstruierbar wie der Satz: "Nachts ist es kälter als draußen.“ Oder: "Die gelbe Sprache hüpft durch die Logik.“ in der menschlichen Sprache konstruierbar ist, aber er kann wie die letzteren beiden Sätze als sinnlos betrachtet und somit abgetan werden. Man kann mit Holz ein wunderbares Haus bauen, aber das Holz erlaubt auch, dass man Balken diagonal durch alle Räume dieses Hauses baut. Da dieses wenig hilfreich ist, unterlässt man dieses.

    Habe ich jetzt das Problem umgangen? - Meines Erachtens nicht. Die Mathematik bemüht sich, ein in sich widerspruchsfreies Gedankengebäude aufzubauen. Das heißt aber auch, dass man alle in sich widersprüchlichen Aussagen als falsch oder sinnlos klassifiziert. Logische Widersprüche wurden bereits seit Jahrtausenden genutzt, um falsche Aussagen auszufiltern und damit zu verwerfen. Die besondere Problematik des Gödel'schen Satzes ist in der Tatsache begründet, dass auch solche Aussagen konstruiert werden können, die nicht eindeutig als falsch, aber dennoch als offensichtlich widersprüchlich erkannt werden - was man vorher wohl nicht genügend beachtet hatte.

    Doch droht damit die gesamte Mathematik unbeweisbar zu sein? Sollte etwa 1+1 nicht sicher gleich 2 sein? Sicher nicht!
    Ist damit die Gödel'sche Aussage falsch oder sinnlos? Ebenfalls Nein! Sicher existieren solche Konstrukte, und es macht Sinn, diese zu untersuchen. Aber sie sind immer Aussagen über sich selbst und damit isoliert, das heißt, sie beeinflussen andere Aussagen in keiner Weise. Zielrichtung mathematischer Untersuchungen zu diesem Thema könnten also Aussagen über die saubere Abgrenzung solcher Aussagen von widerspruchsfreien Aussagen oder Systemen sein. Siehe dazu auch das nächste Beispiel.

    Auch die Frage danach, wer den Barbier einer Stadt rasiert, der alle im Ort unters Messer nimmt, die sich nicht selbst rasierten, lässt sich leicht widerspruchsfrei klären. Ich möchte auch diese Geschichte logisch etwas strenger fassen, als es im DenkMal vorgelegt wurde: "Der männliche Barbier einer Stadt rasiert genau all die Männer dieser Stadt, die sich nicht selbst rasieren.“ Hier ist in der Tat ein Widerspruch gegeben mit der in der Mathematik einzig möglichen Schlussfolgerung: Diesen Barbier gibt es nicht! Damit entfällt auch die Frage danach, wer den Barbier rasiert.

    Allerdings gibt es erstaunlicherweise eine fast gleichbedeutende Aussage, die keinen logischen Widerspruch in sich hat: "Der männliche Barbier einer Stadt rasiert sich selbst und alle anderen Männer dieser Stadt, die sich nicht selbst rasieren.“
    Offensichtlich ist hier bei eigentlich gleicher implizierter Aussage gelungen, diese widerspruchsfrei zu gestalten. Eventuell gelingt es ja der Mathematik, allgemeinere Aussagen zur Art der widerspruchsfreien Formulierung zu finden. Dass eine andere Formulierung auch in der "klassischen“ Mathematik bereits logische Widersprüche lösen konnte, war z.B. bei der Definition der imaginären Zahl i zu beobachten: Während die Definition i = Wurzel(-1) zu logischen Widersprüchen führt ( --> 1 = -1), bleibt die Definition i * i = -1 widerspruchsfrei, und die erstere Aussage ist in der Mathematik schlicht verboten.
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