Direkt zum Inhalt

Kommentare - - Seite 1

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Erfreuliche Erkenntnisse

    26.07.2008, Kurt Kress, Kesslertstr.9, 60431 Frankfurt
    Das Erfreuliche an dem gelungenen Beitrag "Umbau" von Gerhard Samulat sind die Erkenntnisse, dass einmal "die neue Energieinfrastruktur dezentral" sein wird, und zum anderen der, wie ich meine, berechtigte Verdacht, dass die großtechnische Nutzung von Sonne und Wind ganz im Interesse großer Energieversorgungsunternehmen liegt, da sie diese Anlagen sowie die dazu nötigen HGÜ-Stromtrassen in eigener Trägerschaft zu ihren betriebswirtschaftlichen Vorstellungen übernehmen könnten. Das wäre ein nahtloser Übergang von der Monopolisierung fossiler Energieträger und des Uran zur Monopolisierung von Sonne und Wind.

    Das gewohnte Denken in großtechnischen Dimensionen beeindruckt leider mehr, als ein Denken, das durch dezentrale Energieversorgung auch wirtschaftliche Macht dezentralisieren und so demokratisieren will. Schon vor Jahren lobte Claassen, damals noch Chef von EnBW, die Pläne der DLR, die vorrechneten, dass man mit Wind- und Solarstrom aus Nordafrika die ganze Welt ausreichend mit elektrischer Energie versorgen kann, und das mit nur 1% der dafür geeigneten Flächen, während Claassen die dezentrale Nutzung regenerativer Energien in Deutschland, also eine breitere Streuung von Eigentum, entschieden ablehnte.

    Die Faszination dieser teils weltumspannenden Mammutprojekte lässt leicht vergessen, dass es auch weniger spektakuläre, dafür aber schneller und billiger zu realisierende Lösungen des Energieproblems gibt: Die dezentrale Energieversorgung durch Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, die Strom und Wärme dort erzeugen, wo sie benötigt werden. Das ermöglicht - im Gegensatz zu die Landschaft und Wälder zerschneidende Hochspannungstrassen - kurze, verlustarme Erdkabel und Nahwärmenetze.

    Wem das unrealistisch, zu blauäugig erscheint, dem seien als Beispiel aus der BRD einige Zahlen des Statistischen Bundesamtes oder des BMU (AGEE-Stat) genannt: Sie zeigen, dass wir uns durchaus mit "heimischen" Energien ausreichend versorgen können. So wuchs z.B. die Summe der Leistung dezentraler Anlagen, die nur mit erneuerbaren Energien betrieben werden, in Deutschland in der Zeit von 2001 bis 2006 um 16 571 MW. Diese 16 571 MW entsprechen etwa einer Leistung von 16 großen Kohle- oder Atomkraftwerken. In diesen sechs Jahren hätte man aber kein einziges Großkraftwerk fertig stellen können, da deren Planungs- und Bauzeiten den Zeitrahmen von sechs Jahre bei weitem überschreiten.

    Nicht nur die Leistung dieser dezentralen Anlagen, sondern auch die Summe ihrer jährlichen Stromproduktion steigt kontinuierlich. Nach der genannten Statistik betrug die Summe der Stromerzeugung dezentraler Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien in Deutschland 24 505 GWh 1997 und 87 450 GWh 2007, Tendenz steigend. Das entspricht einem jährlichen Zuwachs von durchschnittlich etwa 6300 GWh. Im Jahr 2007 betrug dieser Zuwachs aus neu errichteten Anlagen sogar 15 400 GWh. Das entspricht etwa der Stromproduktion von zwei Grundlastkraftwerken mit einer Leistung von 1000 MW und jährlich 8000 Volllaststunden, also einer Stromproduktion von ca. 16 000 GWh. In einem Jahr hätte man aber nicht zwei Großkraftwerke fertig stellen können.

    Hermann Scheer hat also recht, wenn er sagt, dass keine Energietechnik schneller zu realisieren ist, als der Bau von Anlagen zur dezentralen Nutzung erneuerbarer Energien. Von diesen Energien gibt es in Europa mehr, als wir benötigen. Die Förderung des Baus von Wind- und Solaranlagen in Afrika wäre eine sinnvolle Entwicklungshilfe für die dort lebende, meist arme Bevölkerung, jedenfalls sinnvoller als die aufwendige Verlegung von HGÜ-Stromkabeln durchs Mittelmeer.
Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.