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  • Kein Paradox der Logik, sondern der Informationsübermittlung

    28.05.2015, Ralf Bülow, Berlin
    Das Paradoxon der unerwarteten Hinrichtung löst sich auf, wenn man sich vor Augen führt, dass es kein logisches Paradox ist, sondern eines der Informationsübermittlung bzw. der Sprechhandlung. Das sei am einfachsten Fall mit zwei möglichen Hinrichtungsterminen erklärt, sagen wir, Montag und Dienstag.

    Die vorherige Mitteilung des Richters an den Todeskandidaten X lässt sich dann so fassen: "X wird an einem Tag hingerichtet, an dem X kein Wissen über den Hinrichtungstermin besitzt." Diese Formulierung beschreibt exakt eine überraschende Exekution von X und zugleich den Montag als Exekutionstermin, da bei einer Hinrichtung am Dienstag X der Termin klar wäre.

    Das heißt, der Richter vergrößert mit seiner Mitteilung an X einerseits die Kenntnis von X über sein Lebensende und bestreitet anderseits, dass eine Weitergabe von Informationen an X erfolgt. Eine solche Mitteilungshandlung ist aber unmöglich, nicht wegen eines logischen Widerspruchs, sondern weil sie als Sprechakt nicht funktioniert. Ich kann nicht sagen, dass ich nichts sage, und damit etwas sagen, ich kann nur schweigen und auf diese Weise nichts sagen.

    Dass die Aussage "X wird an einem Tag hingerichtet, an dem X kein Wissen über den Hinrichtungstermin besitzt" keinen logischen Widerspruch enthält, zeigt sich daran, dass der Richter diese Aussage problemlos gegenüber einer dritten Person tätigen kann (deren Stillschweigen angenommen wird). Es ist schlicht und einfach so, dass man einer Person A einen bestimmten Satz sagen kann und einer anderen Person nicht, d.h. der Erfolg eines Sprechaktes hängt unter anderem vom Adressaten ab.

    Die handlungstheoretische Lösung des Paradoxons erklärt auch die "logische Korrektheit" einer Hinrichtung am Montag: Da die Aussage des Richters keine sinnvolle Informationsübermittlung darstellt, bleibt X im Ungewissen und wird bei einer Hinrichtung am Montag entsprechend überrascht.
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