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  • Spontaneität und Quantenmechanik

    02.11.2015, Gunter Berauer, München
    Wenn der Kosmologe Friedmann sagt, ein fundamentaler Indeterminismus würde das Ende der Wissenschaft bedeuten, dann bedürfte das meines Erachtens einer Erläuterung, die in dem Beitrag aber nicht gegeben wird. Friedmann übersieht dabei möglicherweise, dass ohne nichtdeterministische Ereignisse nichts Neues in der Welt entstehen könnte; alles, was es gibt, gab und geben wird, wäre dann ja schon mit dem Urknall festgelegt gewesen. Um das Werden von Neuem und auch menschliche Freiheit möglich zu machen, braucht es aber nicht die Abwesenheit von strengen Kausalketten, wie nach Aussage des Autors die Philosophen immer behauptet hätten (was gar nicht stimmt), es braucht lediglich neben den Kausalketten auch die (kantsche) absolute Spontaneität. Eine Quelle für eine solche Spontaneität haben die Wissenschaftler bisher nur in der Quantenmechanik gefunden. Und damit ist der quantenmechanische, ontische Zufall eine notwendige Bedingung für alles Werden in der Welt und auch für so etwas wie Freiheit.

    Der vom Autor angeschnittene Gedanke von verschiedenen, voneinander unabhängigen Ebenen erinnert an Descartes, der eine deterministische physikalische und eine davon völlig losgelöste (freie) geistige Welt annahm. Dieser Gedanke steht aber doch im Widerspruch zu der heute in den Wissenschaften meist üblichen Sicht einer über alle denkbaren Ebenen hinweg verbundenen oder verschränkten Welt. Es ist auch definitiv ein Denkfehler (allerdings ein oft begangener), quantenmechanische Schwankungen würden sich auf höheren Ebenen, also im Meso- oder Makrokosmos, herausmitteln. Wenn Schwankungen auf einer unteren Ebene bei großen Elementzahlen sich auf der höheren Ebene herausmitteln würden, dann müsste es in einem Raum, in dem Menschen miteinander flüstern, mit steigender Zahl der Flüsterer immer leiser werden. In Wahrheit wird es aber, wie jeder weiß, immer lauter. Außerdem werden oft einzelne quantenmechanische Unschärfen über vielerlei Verstärkungsmechanismen direkt in den Mesokosmos transportiert. So kann man - und das wird auch Herr Nusser nicht bestreiten - über einen Geigerzähler den absolut zufälligen Zeitpunkt des Zerfalls eines radioaktiven Atoms als Mensch lautstark im Mesokosmos wahrnehmen. Solche Mechanismen gibt es unzählige (etwas die Ziehung der Lottozahlen, Pendelversuche, die Bewegung von Billardkugeln, etc.), weshalb eben die Welt auch auf unserer menschlichen Größenskala zwar von vielerlei Gesetzmäßigkeiten beherrscht wird, aber auch massiv vom Zufall durchdrungen ist. Und wenn auch die Quantenmechanik die Entwicklung von Wahrscheinlichkeiten deterministisch beschreibt (wie etwa in der Schrödingergleichung), dann ist das lediglich eine Eigenschaft aller statistischen Beschreibungen: In ihnen gibt es per definitionem keinen Zufall, obwohl er auf der Ereignisebene sehr wohl gegeben ist.

    Der Autor schreibt, dass zwischen den so genannten verschränkten Teilchen eine instantane Beeinflussung stattfände. Das trifft aber gar nicht zu. Es lassen sich lediglich Korrelationen zwischen den Messungen an beiden „Objekten“ feststellen; diese sagen aber nichts über einer Ursache-Wirkungs-Beziehung oder Beeinflussung aus. Siehe dazu auch Philosophie der Quantenphysik, Springer Spektrum 2015, S. 124 ff.
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