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  • Versuch mit zwei Schrödinger-Katzen

    22.02.2007, Dr. Thomas W. Richter, Münchberg
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich wende mich an Sie in der Eigenschaft als Herausgeber eines anerkannten Wissenschaftsmagazins. Mich treibt seit mehreren Tagen eine Frage um, die ich weder selbst beantworten kann noch im Internet oder in der Literatur Antworten gefunden habe. Darauf gekommen bin ich durch das Buch von Jahn Gribbins, Schrödinger Kätzchen..., in dem ein Versuchsaufbau eines Gedankenexperimentes zur Quantenwirklichkeit beschrieben ist. Hier meine abgewandelte Version:

    Wir haben eine Kiste mit zwei Katzen (o.ä.) und ausreichend Wasser und Nahrung in zwei gegenüberliegenden Seiten sowie zwei Höllenmaschinen an den gegenüberliegenden Seiten, die die Anwesenheit eines frei fliegenden Elektrons registrieren können und bei Registrierung Giftgas auströmen lassen. In der Kiste ist noch eine Kiste mit einem Elektronenerzeuger. Solange wir die innere Kiste nicht öffnen, ist der gesamte Raum der inneren Kiste der Aufenthaltsort des Elektrons zu 100%. Nun teilen wir die äußere UND innere Kiste exakt in zwei gleiche Hälften in einem Schritt. Dadurch ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in der inneren Kiste je 50% für jede Hälfte. Wir schieben nun die beiden Hälften voneinander weg und öffnen die jeweils beiden Hälften der inneren Kiste zum Inneren der äußeren Kiste. Nun ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in den jeweils getrennten Kisten exakt 50%. Nach der Kopenhagener Deutung ist damit der Zustand der Katzen unbestimmt. Sie sind jeweils tot und lebendig zugleich. Soweit so gut.

    Nun lassen wir die Kiste ein paar Monate ungeöffnet - die Katzen haben ja genug Wasser und Nahrung. Nun machen wir eine Kiste auf, damit fällt die Wahrscheinlichkeitswelle zusammen und der Zustand ist wirklich. Wie wirklich??? Nehmen wir an, wir öffnen die Hälfte der Kiste in der sich das Elektron nun befindet - dann lebt die Katze sofort in der anderen Hälfte. Aber wie ist der Zustand der toten Katze? Wird sie erst sterben mit Öffnung der Kiste oder war sie schon tot und ist skelettiert, was ich annehme? Heißt das nicht, der Zusammenfall der Wahrscheinlichkeitswelle wirkt in die Vergangenheit?

    Nehmen wir den Fall an, sie war schon tot, der Zusammenbruch der Wahrscheinlichkeitswelle wirkt rückwirkend in die Vergangenheit. Dann verändere ich den Versuchsaufbau so, dass nicht Giftgas ausströmt bei Anwesenheit des Elektron, sondern eine Bombe hochgeht, die alles im Umkreis von zig Metern zerstört. Nun bleibt der potentielle Beobachter die ganzen Monate bei den Kisten. Er öffnet wieder eine Kiste und es ist wieder diejenige mit dem Elektron. Geht erst jetzt die Bombe hoch oder war sie schon hochgegangen. Wenn das Letztere zutrifft, wie kann der Beobachter sie öffnen, da er schon tot war/ist?

    Dieser Widerspruch ließe sich nur auflösen, wenn der Beobachter sich entscheidet, keine Kiste zu öffnen, mithin die Wahrscheinlichkeit schon VOR DER ÖFFNUNG der Kiste 100% beträgt, dass das Elektron in der anderen Hälfte ist. Das widerspräche aber der Kopenhagener Deutung (und lässt damit die Viele-Welten-Theorie Everetts bevorzugt erscheinen).

    Könnten Sie mich bitte aufklären, wo meine Gedankengänge einen Haken haben??

    Stellungnahme der Redaktion

    Sehr geehrter Herr Richter,


    Ihr Versuch mit zwei Schrödinger-Katzen in einem nachträglich
    separierten Käfig erscheint mir als ein makroskopischer Eingriff, also ein Messvorgang. Das Einschieben der Trennwand zerstört die Kohärenz zwischen Elektron und Katzen; mit dem Halbieren des Käfigs messen Sie, in welcher Hälfte sich das tödliche Elektron befindet, und das wird dann durch den Tod der betreffenden (besser: betroffenen) Katze angezeigt. Wann Sie dieses Ergebnis durch Öffnen der Kiste nachprüfen, ist egal. Statt dem das Gift auslösenden Elektron hätten Sie ja auch
    ein klassisches Gasmolekül nehmen können, von dem Sie nach Einschieben der Trennwand nicht wissen, in welcher Hälfte es ist - bis es die eine Katze tötet.


    Ich habe nachgedacht, ob es eine quantenmechanische Version des Doppelkatzen- und -kastenversuchs geben könnte. Dann dürften Sie den Kasten NICHT durch eine eingeschobene Trennwand verändern. Angenommen, Sie haben zwei Katzen an den beiden Enden einer langen Kiste und in deren Mitte eine Strahlungsquelle, die innerhalb einer bestimmten Zeit mit 50% Wahrscheinlichkeit nach links und mit 50% nach rechts das tödliche Teilchen emittiert. Wenn Sie dann nach dieser bestimmten Zeit nachsehen, wie es z.B. der linken Katze geht, und finden, dass sie tot ist, dann wissen Sie augenblicklich, dass die rechte Katze lebt - oder umgekehrt. Das heißt, Sie haben das Einstein-Podolsky-Rosen-Experiment durchgeführt.


    Was nun Ihre Version mit der Bombe angeht, welche meterweit alles zerstört, so ist das, denke ich, wiederum ein - wenn auch ungewöhnlicher - Messprozess, das heißt eine Wechselwirkung zwischen Quantenzustand (allerdings mit der oben gemachten Einschränkung, dass ich sehr bezweifle, ob Ihr Trennwand-Versuch noch ein kohärenter Quantenzustand ist!) und makroskopischer Umgebung. Wenn es knallt (links oder rechts) und der eine oder der andere Kasten von selbst zerplatzt,
    wissen Sie augenblicklich, wo das auslösende Teilchen hingewandert ist.


    Schrödinger hat ja seinen Gedankenversuch bewusst mit einem Lebewesen als Teil eines kohärenten Quantenzustands formuliert, um ein (vermeintliches) Paradox zu konstruieren. In Wirklichkeit, so wird heute meist eingewandt, würde ein Lebewesen ohne fortwährende Wechselwirkung mit der makroskopischen Umgebung sofort verenden, das heißt, die Katze im Käfig würde selbst als Messgerät fungieren und den
    Quantenzustand im Kasten sofort kollabieren lassen, weil sie zumindest mit den Luftmolekülen in der Kiste wechselwirkt.


    Dr. Michael Springer

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