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  • Atheismus ist keine Ideologie

    26.12.2007, Stephan Sandhaeger, Germering
    Martin Urbans Essay, insbesondere die entwicklungsgeschichtliche Erklärung unseres Hangs zum Aberglauben, scheint mir plausibel. Einem Satz muß ich jedoch widersprechen:

    "Spätestens seit Immanuel Kants Kritik wissen auch Theologen, dass es weder einen Gottesbeweis noch einen Gegenbeweis geben kann, weshalb auch der Atheismus nur eine Ideologie ist."

    Im allgemeinen ist ein Atheist jemand, der die Annahme, es gebe Götter, für nicht plausibel hält. In bezug auf hinreichend konkrete Gottesvorstellungen (Schöpfung der Arten, Leben nach dem Tode) kann dies sogar besser begründet werden als der Unglaube an rosa Einhörner, Russells Teekanne oder das fliegende Spaghettimonster. In bezug auf solche Götter ist Atheismus also nichts weiter als eine "derzeit beste Theorie", von derselben epistemologischen Restunsicherheit behaftet wie alle unsere guten Theorien. Beweise gibt es eben nur in formalen Systemen.

    Hinreichend unkonkrete Gottesbilder dagegen eignen sich überhaupt nicht für sinnvolle Ausagen und damit auch nicht wirklich für Ideologien.

    Es bleiben also nur solche Götter für einen legitimen Agnostizismus, die hinreichend konkret, aber gleichzeitig hinter den jeweiligen Stand der Wissenschaft zurückgezogen sind, so daß sie nicht oder noch nicht falsifiziert werden können. Ein Beispiel wäre in der heutigen Zeit etwa ein Schöpfer der Naturgesetze, der seit ca. kurz nach dem Urknall nicht mehr wesentlich in die Welt eingreift. Natürlich sind solche deistischen Vorstellungen für wissenschaftlich denkende Menschen ebenfalls unbefriedigend, da sie nichts wirklich erklären, aber sie sind immerhin akzeptable Hypothesen.

    Insgesamt scheint mir daher die Bezeichnung "Ideologie" für den Atheismus als Weltanschauung unzutreffend. Die Asymmetrie zum Theismus sieht man übrigens auch in der Lebenspraxis daran, daß die meisten Atheisten ihren Unglauben keineswegs als ihre zentrale epistemologische oder sinngebende Überzeugung ansehen, ganz anders als bei religiösen wie auch bei weltlichen Ideologien.
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