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Statistik: Klimarekorde

Heidelberg. Wenn katastrophale Hitzewellen und Jahrhunderthochwässer neuerdings nicht mehr im Jahrhundertabstand, sondern alle paar Jahre stattfinden: Liegt das dann am Klimawandel? Irgendwie schon – aber man hüte sich vor voreiligen Schlüssen
Dresden, Jahrhunderthochwasser Sommer 2013

Noch nie seit Menschengedenken waren die Sommertemperaturen in Europa so hoch wie im Jahr 2010. Im westlichen Russland führte die monatelange Trockenheit zu einer einer katastrophalen Dürre mit vielen Hitzetoten und massiven Ernteausfällen. Das war doch mit Sicherheit die globale Erwärmung. Oder?

Hier rät ausgerechnet Stefan Rahmstorf zur Vorsicht. Der prominente Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der sonst keine Gelegenheit auslässt, auf Belege für den Klimawandel hinzuweisen, gibt zu bedenken, dass Rekorde aller Art auch rein per Zufall auftreten können.

Der Grundgedanke ist geradezu aufreizend einfach. Man stelle sich vor, die Klimaschwankungen würden durch nichts als den Zufall bestimmt. Was wir an Temperaturen messen oder zusammenrechnen, sagen wir Durchschnitt aller Tageshöchstwerte von Juni bis August in Moskau, wird jedes Jahr aufs Neue von einem Wettergott ausgewürfelt. Wir messen seit 40 Jahren. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der jüngste Messwert einen Rekord aufstellt, das heißt größer ist als alle bisherigen? Ein Vierzigstel. Wieso? Eine von diesen 40 Zahlen ist die größte. Da alle Messungen "gleichberechtigt" sind, steht diese Zahl an jeder Stelle der Reihe mit der gleichen Wahrscheinlichkeit. Diese Wahrscheinlichkeit muss dann 1/40 sein. Insbesondere ist die Wahrscheinlichkeit, dass die größte Zahl an letzter Stelle steht, gleich 1/40.

Wenn aber die Temperaturrekorde sich in den letzten Jahren häufen? Dann ist vielleicht ein langfristiger Erwärmungstrend dafür verantwortlich. Wieder kann man ausrechnen, wie viele Rekorde unter einer solchen Voraussetzung zu erwarten sind. Es ist nicht ganz so einfach wie im obigen Beispiel, aber machbar. Rahmstorf hat sich mit den Kölner Statistikern Gregor Wergen und Joachim Krug zusammengetan und berichtet darüber in der jüngsten Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft".

Manche Ergebnisse sind auf den ersten Blick verblüffend – und leuchten dann auf den zweiten doch ein. So häufen sich neuerdings die Temperaturrekorde besonders eindrucksvoll auf Inseln. Warum? Weil dort das Meer als Wärmereservoir für ausgeglichenere Temperaturen sorgt. Deswegen macht sich der Trend an diesen Stellen deutlicher bemerkbar. Dagegen geht es im tiefen Binnenland seit jeher etwas wilder zu.

Extreme Temperaturen hat es daher rein per Zufall schon früher gegeben, und was auf der Insel ein Rekord wäre, fällt in der Inneren Mongolei nicht besonders auf. Und wenn jetzt in einem Jahr fünf Rekorde stattfinden, wo nach der Zufallshypothese nur einer angesagt wäre? Dann kann man die restlichen vier dem Klimawandel zuschreiben – aber man weiß natürlich nicht, welche vier. Eine solche Zuschreibung bringt auch nichts. Aber als eindrücklicher Beleg, dass der Klimawandel tatsächlich stattfindet, taugen die Rekordstatistiken allemal.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, Februar 2014
Ein Beleg wird erbeten.

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