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Tagebuch: Schon wieder nichts

Obststand in Ecuador
Obst und Gemüse beugen Krebs vor. Das ist, Stand der Dinge, allenfalls eine weit verbreitete Vermutung, der zudem immer mehr der Boden entzogen wird. Auch eine heute im Journal of the National Cancer Institute (JNCI) veröffentlichte Studie zeigt: Zwischen dem Verzehr von Obst und Gemüse und dem Risiko, an Krebs zu erkranken, besteht gerade einmal ein "sehr geringer" Zusammenhang. In einem Beobachtungszeitraum von rund neun Jahren erwies sich, dass unter jenen, die viel Früchte und Grünkost zu sich nehmen, kaum weniger Erkrankte zu finden sind als unter den Vergleichspersonen. Zumindest differieren die Zahlen so geringfügig, "dass bei ihrer Interpretation Vorsicht angebracht" sei, schreiben die Autoren.

Die Ergebnisse entstammen der Kohortenstudie EPIC, der "European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition", an rund 500 000 Teilnehmern in zehn Ländern der Europäischen Union, darunter Deutschland. Ein kausaler Zusammenhang ist ohnehin schwer nachzuweisen, schließlich leben Obst- und Gemüseesser oft auch in anderer Hinsicht gesünder. Ein kleiner Trost für alle, die auf eindeutige Empfehlungen hoffen: Wer viel Alkohol trinkt, scheint von dem Zusammenhang stärker zu profitieren.

"Konstellationen" versus Einzelfaktoren

Noch ist allerdings nichts entschieden. Die großen Studien zum Zusammenhang zwischen Krebs und Ernährung laufen weiter, über drei Millionen Menschen weltweit nehmen daran teil. In einem Interview mit Spektrum der Wissenschaft (Neue Strategien gegen Krebs, erschienen im Spektrum Dossier 3/2009; das Interview haben wir hier für Sie freigeschaltet) prognostizierte Heiner Boeing – Abteilungsdirektor am Deutschen Institut für Ernährungsforschung und Mitautor der genannten JNCI-Publikation –, "dass wir in etwa fünf bis zehn Jahren eine solide Datenbasis haben werden, um den Einfluss von Ernährungsfaktoren auf Krankheiten sehr gut beurteilen zu können". Weniger als um einzelne Ernährungsfaktoren gehe es mittlerweile um die "Konstellation" von Einflussgrößen. Nicht mehr einzelne nützliche oder schädliche Nahrungsmittel stehen dabei im Fokus, sondern ganze Ernährungsmuster, die möglicherweise über Präventionspotenzial verfügen.

Es wird also komplizierter als vor ein oder zwei Jahrzehnten gedacht. "Essen gegen Krebs", wie es gestern in der "Sprechstunde" des Deutschlandradios hieß, mag daher als allzu schlichter Tipp gelten: "Ungeschälte Äpfel und trüber frisch gepresster Apfelsaft könnten am wirksamsten sein bei der Krebsvorbeugung – in Kombination mit Sport und Bewegung". Da hätte man schon erwähnen können, dass die Erkenntnisse aus einem Tiermodell für Darmkrebs stammen, wie hier etwas genauer nachzulesen ist.

Welche Ratschläge beherzigen die Experten selbst?

Zumal Untersuchungen auch schon manche vermeintliche Gewissheit ins Wanken brachten. So hieß es vor zwei Jahren in einer Studie an der Universität von Washington in Seattle (Vitaminpillen schützen nicht vor Lungenkrebs auf spektrumdirekt.de), dass Vitamin E das Risiko von Lungenkrebs sogar leicht erhöhen kann.

Empfehlenswert bleiben Ost und Gemüse aber weiterhin. Immerhin gilt als sicher: Die Risiken für Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten und Schlaganfall lassen sich mit ihrer Hilfe tatsächlich senken, auch wenn dies für den Einzelnen noch lange keine Sicherheitsgarantie bildet.

Bis auf Weiteres dürfte es vielleicht am vernünftigsten sein, einfach das zu tun, was die Experten selbst beherzigen. Im Spektrum-Interview sagte Boeing: "Ich bemühe mich, umzusetzen, was man derzeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als positiv für den Erhalt der Gesundheit erachten kann. Ich laufe vier- bis fünfmal in der Woche, ich rauche nicht, ich versuche, meine Energieaufnahme zu reduzieren, ich achte darauf, viel Obst und Gemüse zu essen – und ich trinke hin und wieder ein Glas Bier." Dies scheint in jedem Fall eine recht brauchbare Zusammenfassung dessen zu sein, was – in breiter Ausführlichkeit – auch der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums rät.

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