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Terrorismus: Die Geburt des Terrors

Die Angst vor politisch oder religiös motivierten Gewalttaten ist kein Phänomen der Neuzeit. Schon im späten Mittelalter haben Herrscher und Behörden versucht, sich gegen Mörder, Brandstifter und Verschwörer zu wappnen.
Am 5. November 1605 fliegt in England eine Verschwörung auf: Im Keller des Parlaments entdecken Regierungsbeamte 36 Fässer mit Schwarzpulver – genug, um das gesamte Gebäude in die Luft zu sprengen. Die vermeintlichen Attentäter: Katholiken, die den König töten und die Macht übernehmen wollten. Der Monarch und das anglikanische Establishment nutzen den Verratsvorwurf gegen die angeblichen Täter: Entehrt müssen sich die Altgläubigen von der politischen Bühne zurückziehen. Katholiken wurden für Jahrhunderte an den Rand der englischen Gesellschaft gedrängt. Das berichtet der Privatdozent Johannes Dillinger von der Universität Mainz in der aktuellen Ausgabe des Geschichtsmagazins epoc (3/10).

Die Schwarzpulververschwörung ist nicht das erste terroristische Attentat der Geschichte, das Phänomen ist älter: Historiker und Politologen sprechen davon, wenn der Angriff etwa auf einen Fürsten nicht als Auseinandersetzung um die Machtverteilung innerhalb der Adelsfamilie gedeutet werden kann. Eine terroristische Gewalttat hat immer ein politisches Motiv. Die Terroristen wollen Herrschaftsstrukturen, Institutionen oder die Staatsordnung beeinflussen. Mit dieser Definition zeigt sich Terrorismus bereits in der Formierungsphase der staatlichen Ordnung, die im 14. Jahrhundert einsetzte.

Attentäter machen Geschichte. Bis heute gibt es im Wesentlichen zwei Formen von Terrorismus: Angriffe auf Politiker und hohe Staatsbeamte und solche auf die Öffentlichkeit. Erstere sollen den Staat schädigen und das Vertrauen in den Machtapparat schwächen. Die Attacken haben zum Ziel, Unsicherheit zu schüren. Übergriffe auf die Bevölkerung dienen dazu, Schrecken zu verbreiten. Die Gesellschaft soll demoralisiert und auf einen Umsturz vorbereitet werden. Wer dabei zu Schaden kommt, spielt im Kalkül der Täter keine Rolle. Je mehr Opfer es gibt, desto größer ist die Angst.

Doch der Staat wuchs an seinen Aufgaben. Die Gefahr von Anschlägen auf die Fürsten trug dazu bei, dass diese mehr und mehr Distanz zwischen sich und der Öffentlichkeit schufen. Die Administration reduzierte und reglementierte den Kontakt zwischen Herrschern und Untertanen. Gleichzeitig baute sie die Sicherheitsmaßnahmen für den Fürsten aus. Gleichgültig, wie real nun die Angst vor terroristischen Angriffen mit Seuchenerregern und Brandstiftung tatsächlich war: Der Staat wappnete sich massiv gegen Brunnenvergifter und Brandstiftern.

Die Furcht vor politischen Kriminellen – den Terroristen – trug dazu bei, dass der Staat selbst sich ausbreitete. Die administrativ-politische Organisation verdichtete sich. Sie wurde komplexer und auch stärker, weil die Regierungen annahmen, dass Behörden und Bevölkerung durch Attentate gefährdet wären. Die Angst vor politisch motivierten Gewalttaten begleitet den modernen Staat seit seinen Anfängen im späten Mittelalter. Wie die Korruption ist der Terrorismus ein Schatten des Staats. Er begleitet ihn nicht erst in der Gegenwart, sondern gehört vielmehr von Anfang an zu ihm.

Über epoc:
epoc, das Magazin für Geschichte, Archäologie und Kultur, erscheint seit 2004. Sechsmal pro Jahr vermitteln Forscher und Fachjournalisten auf mehr als 100 Seiten fundiert und unterhaltsam Wissen über historische Themen und zeigen spannende Zusammenhänge aus Kunst, Kultur und Geistesgeschichte auf. Ein jeweils umfassend beleuchtetes Titelthema zu zentralen Ereignissen, Persönlichkeiten und Kulturen der Welt sowie spannende Reportagen und Essays überzeugen alle zwei Monate rund 40 000 Leser.

Unter www.epoc.de finden alle historisch Interessierten Kurzmeldungen und aktuelle Ausstellungstipps. Ein Newsletter und die Chronologs, das Blogportal für Fragen zur Vergangenheit und ihrer Erforschung, halten Sie täglich auf dem Laufenden.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: epoc, Ausgabe 3/2010
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