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Langlebigkeit: Grottenolm ist Lurch-Methusalem

Kopf eines Grottenolms
Die Art des Europäischen Grottenolms ist zwar insgesamt extrem stark gefährdet, immerhin aber leben einzelne Individuen der Spezies wohl länger als alle anderen bekannten Amphibien. Yann Voituron von der Université Claude Bernard Lyon und seine Kollegen konnten dies anhand einer Olmpopulation belegen, die in den 1950er Jahren in einem Höhlentümpel in Frankreich ausgesetzt worden war und seitdem regelmäßig überwacht wird. Aus den gesammelten Daten lässt sich schließen, dass die Tiere im Mittel mit knapp 16 Jahren geschlechtsreif werden, dann alle 12,5 Jahre etwa 35 Eier legen und insgesamt im Durchschnitt 68,5 Jahre alt werden, wobei einzelne aber wohl durchaus auch einmal ihren hundertsten Geburtstag erleben können.

Dies ist sehr ungewöhnlich für die nähere Verwandtschaft der Olme und Amphibien insgesamt, die eine meist viel kürzere Lebenserwartung haben. Langlebige Wirbeltiere sind üblicherweise körperlich eher groß, und sie leben in vergleichsweise räuberfreien Habitaten, in denen sie sich eine sehr gemächliche Stoffwechselrate und ein aufwändiges biochemisches Reparatursystem leisten können, welches zum Beispiel oxidationsbedingte Alterungsschäden der Körperzellmechanismen lange zuverlässig behebt.

Dass der im Durchschnitt nur 15 bis 20 Gramm schwere Grottenolm so amphibienuntypisch lange lebt, hatte Forscher daher schon überrascht, bevor Voiturons Team nun die Lebensspanne des Tieres noch genauer bestimmen konnte. Der Lurch mit der zweitlängsten dokumentierten Durchschnittslebensdauer ist der Riesensalamander Andrias japonicas, der allerdings über 25 Kilo auf die Waage bringt und damit dem Muster eines langlebigen Organismus viel eher entspricht als der kleine und leichte Olm. Die ältesten Olme, die das Team untersucht hat, sind heute mindestens 48 Jahre alt, wahrscheinlich aber bis zu einem Jahrzehnt älter, weil sie erst als größere Jungtiere erstmals untersucht wurden: Sie zeigen heute noch keinerlei Alterungserscheinungen.

Welche biochemischen und physiologischen Anpassungen dem Olm ein langes Leben bescheren, könnte durchaus spannend sein herauszufinden, meinen die Wissenschaftler. Ausgeschlossen sei jedenfalls, dass die Tiere ein hoch reguliertes antioxidatives System einsetzen, um zerstörerische reaktive Sauerstoffspezies (ROS) in ihren Zellen in Schach zu halten. Womöglich arbeiten die Mitochondrien-Kraftwerke in den Zellen der Tiere auf Sparflamme, um die Entstehung von ROS zu minimieren, spekulieren Voituron und Kollegen: Zwar erlaube dies dem Olm dann keine physiologischen Höchstleistungen, immerhin aber ein schonendes und langes Leben. (jo)

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  • Quellen
Voituron, Y. et al.: Extreme lifespan of the human fish (Proteus anguinus): a challenge for ageing mechanisms. In: Proceedings of the Royal Society Biology Lettres 10.1098/rsbl.2010.0539, 2010.

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