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Kritik der Klimatechnik

Die Klimaverhandlungen auf UNO-Ebene stecken fest. Ein neues globales Abkommen zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes ist derzeit nicht in Sicht, während die Emissionen weiter wachsen. Darum werden immer häufiger Alternativen zu einer globalen politischen Einigung erwogen. Dazu zählt vor allem die forcierte Nutzung erneuerbarer Energiequellen, aber auch das "Geo-Engineering".

So nennt man technische Maßnahmen, die der globalen Erwärmung entgegenwirken, ohne die Emissionen zu senken. Am bekanntesten ist die Idee, schwefelhaltige Partikel in der Stratosphäre zu versprühen, um das auf den Erdboden einfallende Sonnenlicht abzuschwächen. In die Kategorie Geo-Engineering gehört auch die Speicherung von Kohlendioxid im Meer oder im Untergrund (carbon capture and storage, CCS, siehe Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/2007 "Energie und Klima", S. 14 sowie den Artikel "Große Wäsche für das Klima" in Spektrum der Wissenschaft 1/2011).

Solchen Methoden zur Klimamanipulation hat das fünfmal im Jahr erscheinende Magazin "politische ökologie" im Juli 2010 einen Themenschwerpunkt gewidmet. 13 Autoren, vorwiegend Wissenschaftler, dokumentieren darin die Machbarkeit der Methoden, beschreiben Folgen für Umwelt und Wirtschaft und berichten über ethische und politische Implikationen.

Einen sachlichen Überblick über die zahlreichen Vorschläge liefern Andreas Oschlies vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel und Ulrike Lohmann von der ETH Zürich. Oschlies berichtet über Pläne, das Klimagas Kohlendioxid im Boden oder im Ozean zu speichern oder durch Aufforstung oder mit Hilfe künstlicher Gasfilter aus der Atmosphäre zu schaffen. Lohmann stellt Methoden vor, das Reflexionsvermögen der Erde zu erhöhen, von besagtem Schwefelschirm über die künstliche Erzeugung von Wolken und das Weißen von Hausdächern bis zur Installation von Sonnenlicht-Reflektoren im All.

Vorsicht: Nebenwirkungen

Alle Methoden des Geo-Engineerings haben Nebenwirkungen. Eine unbedachte Aufforstung kann Oschlies zufolge Wassermangel und ökologische Störungen verursachen. Schwefelsäure in der Stratosphäre greift die Ozonschicht an. Die CO2-Speicherung im Untergrund, die im Heft unerklärlicherweise zu kurz kommt, ist auch nicht frei von Risiken, bietet aber zwei große Vorteile: Das CO2 im Boden kommt nicht mehr ins Meerwasser und kann daher dessen Alkalinität nicht vermindern; und wenn man die Speicherung unterbricht, hat das keine unmittelbaren Folgen. Dagegen würde ein plötzliches Aussetzen des Schwefelschirms bei immer noch erhöhter Kohlendioxidkonzentration zu einer rasanten Erwärmung führen – mit ungewissen Folgen, schreibt Lohmann.

Vorsicht und Transparenz sind also angesagt. Im Oktober 2010 beschlossen die Vertreter von mehr als 190 Nationen auf der UN-Konferenz zur Biodiversität in Nagoya, Geo-Engineering solle so lange untersagt werden, bis es eine angemessene wissenschaftliche Basis für eine Risikoabschätzung gibt. Weil schon die Erkundung des Geo-Engineerings heikel ist, haben Wissenschaftler im Frühling 2010 auf einer Konferenz in Asilomar (Kalifornien) Regeln dafür vereinbart. Davon berichtet Ulrike Potzel, die Generalsekretärin einer internationalen Expertengruppe zum Erhalt des Erdsystems (IESP) in München. Die Fachleute wollen eng mit der Öffentlichkeit kooperieren, Experimente unabhängig prüfen lassen und die Ergebnisse rasch publizieren.

Völlig unklar ist derzeit, wie ein rechtlicher Rahmen für die Anwendung der Maßnahmen zur Klimamanipulation aussehen könnte. Ralph Bodle und Andreas Kraemer vom Ecologic Institut, einem privaten "Think Tank" in Berlin, empfehlen, die internationale Konvention zur Umweltmodifikation (ENMOD) von 1977, die militärische oder sonstige feindliche Veränderungen von Umweltbedingungen verhindern soll, auf das Geo-Engineering auszuweiten. Regierungen könnten dann künftig beim UN-Sicherheitsrat Protest einlegen, wenn ein riskanter Eingriff des Geo-Engineerings gegen die erweiterte ENMOD verstößt. Noch ist so ein Regelwerk allerdings Zukunftsmusik.

Neben vielen konstruktiven Beiträgen sind einzelne Artikel des Hefts etwas propagandistisch geraten. So werden in den ersten beiden Texten die bisherigen Folgen der globalen Erwärmung kräftig überzeichnet und der dänische Politologe und Buchautor Bjørn Lomborg unfair aufs Korn genommen. Anders als im Magazin behauptet, hat er sich nie an Diffamierungskampagnen gegen Klimaforscher beteiligt.

Auch die konkrete Forschung im Bereich Geo-Engineering wird einseitig dargestellt. Das zeigt sich an dem Experiment Lohafex: Im Jahr 2009 testete ein deutsch-indisches Forscherteam, ob Algen auf eine Eisendüngung mit erhöhter CO2-Aufnahme reagieren und ob das zur Speicherung des Gases im Meer führt. Kaum war der Versuch im Südatlantik gestartet, brach die kanadische Umweltorganisation ETC Group auf Grund ökologischer Bedenken eine Kampagne dagegen vom Zaun. So weit ist das auch im Heft zu lesen.

Aus einem Interview mit dem ETC-Geschäftsführer Pat Mooney geht außerdem hervor, dass dieser das Geo-Engineering und seine Erforschung vehement bekämpft. Verschwiegen wird aber, wie überzogen die ETC-Kampagne war. Die Eisenkonzentrationen im Meer lagen bei Lohafex unterhalb natürlich vorkommender Werte. Außerdem ging es den Wissenschaftlern nicht in erster Linie um das Geo-Engineering, sondern um den Kohlenstoffkreislauf: Den wollten sie genauer untersuchen, um das Klima der Vergangenheit zu enträtseln.

Gelingt es, diese tendenziösen Passagen zu ignorieren, dann kann die Artikelsammlung in "Politische Ökologie" als annehmbare, wenn auch lückenhafte Einführung in das heikle Thema Geo-Engineering gelten. Die meisten Autoren des Themenschwerpunkts ziehen das Fazit, Geo-Engineering sei zwar hochriskant und umstritten, solle aber durchaus erforscht werden – und sei es nur, um für den schlimmsten Fall einen Klima-Notnagel parat zu haben. Man dürfe sich dadurch allerdings nicht vom Ziel der Verringerung der Treibhausgasemissionen ablenken lassen.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 1/2011

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