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Tiefblick in die Zelle

"Die Oberfläche unseres Planeten ist von Lebewesen bevölkert – merkwürdigen, verzwickt organisierten chemischen Fabriken, die Materie aus ihrer Umgebung aufnehmen und diese Rohstoffe dazu benutzen, um Kopien von sich selbst anzufertigen. Die lebenden Organismen unterscheiden sich sehr stark voneinander. Was könnte verschiedener sein als ein Tiger und ein Stück Seetang oder ein Bakterium und ein Baum? Trotzdem sahen bereits unsere Vorfahren, die noch nichts von Zellen oder DNA wussten, dass alle diese Dinge etwas gemeinsam hatten. Sie nannten dieses Etwas 'Leben' und bestaunten es. Gleichzeitig versuchten sie verzweifelt, mit den ihnen bekannten Begriffen aus der unbelebten Welt zu erklären, was Leben ist und wie es funktioniert."

Was sich fast wie der Anfang eines spannenden Krimis liest, sind die ersten Zeilen eines gewaltigen Fachbuchs, das sich auf etwa 2000 Seiten mit den molekularen Prozessen in der Zelle beschäftigt. Während andere Fachbücher dieses Umfangs eher abschreckend wirken, ist die "Molekularbiologie der Zelle" von Bruce Alberts und seinen Kollegen eine sehr dankbare Lektüre: Die Autoren verstehen es nicht nur, die immense Bandbreite an behandelten Themen übersichtlich und anschaulich zu präsentieren, sondern auch selbst komplizierte Zusammenhänge leicht verständlich und vor allem spannend darzustellen. Beispielhaft sind aber nicht nur die Texte, sondern auch die vielen farblich gut gestalteten und schnell erfassbaren Abbildungen.

Der über die letzten 25 Jahre bewährte Aufbau des Werks wurde auch in der aktuellen fünften Auflage beibehalten: Im ersten Teil beschreiben die Autoren die wesentlichen Prinzipien und Grundlagen der Biochemie. Das ist nicht nur für diejenigen hilfreich, die nicht Biochemie studierten, sondern auch für alle Biochemiker selbst, die einen Auffrischungskurs benötigen. Der zweite Teil des Buchs behandelt die Speicherung, Expression und Weitergabe genetischer Information. Der dritte Teil befasst sich mit den Prinzipien der wichtigsten experimentellen Methoden zur Untersuchung von Zellen. Das hilft, die umfangreichen Ausführungen im vierten Abschnitt zu verstehen, in dem die Autoren die innere Organisation der Zelle beschreiben. Und im fünften und letzten Teil geht es um das Verhalten von Zellen in vielzelligen Systemen, also um Zell-Zell-Kommunikation, das Immunsystem und um Krebs.

Die Molekularbiologie ist ein rasant schnell wachsender Forschungsbereich. Wie groß der Wissenszuwachs auf diesem Gebiet in den letzten Jahren ist, macht wohl kaum ein anderes Buch so deutlich wie der "Alberts", der längst zu dem Standardwerk der Molekularbiologie geworden ist. In der aktuellen Auflage kam eine Menge neues Material hinzu: Die Themen reichen von Epigenetik, Histonmodifikationen, kleinen RNAs und vergleichender Genomik bis hin zu genetischem Rauschen, Cytoskelettdynamik, Zellzykluskontrolle, Apoptose, Stammzellen und neuen Krebstherapien. Die Überarbeitung brachte das Werk auf den aktuellen Wissensstand in dem überaus dynamischen Forschungsgebiet.

Trotz der Fülle an Informationen findet man sich in dem Mammutwerk sehr gut zurecht. Nach jedem Kapitel gibt es eine Zusammenfassung des Themas und für Interessierte die Liste zur Primärliteratur – wie üblich in Fachbüchern. Das Glossar allein umfasst 55 Seiten und hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge. Ein besonderes Plus des Werks ist übrigens die beigefügte DVD, auf der sich einzelne Abbildungen, Powerpoint-Präsentationen sowie Filme, Animationen und einige zusätzliche mikroskopische Aufnahmen befinden.

Fazit: Der "Alberts" bietet alles, was man über Molekularbiologie wissen möchte – und zwar auf eine Art, wie man sie sich wünscht: übersichtlich, spannend und leicht verständlich geschrieben und ansprechend illustriert. Das Buch ist ein unentbehrlicher Begleiter durch das Studium der Zellbiologie und ein nützliches Nachschlagewerk für die Zeit danach, das seinen Preis auf jeden Fall wert ist. Wenn man nicht schon vor der Lektüre dieses Buchs von der Molekularbiologie fasziniert ist, dann kommt die Begeisterung für das Fach spätestens während des Lesens. Fast unglaublich bleibt allerdings, dass die molekularbiologische Maschinerie eines so winzigen Gebildes wie der Zelle so komplex ist, dass sich gut und gern 2000 gedruckte Seiten damit füllen lassen.

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