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Warum zeigt ein Löffel ein umgedrehtes Spiegelbild?

Von seiner Größe her wäre ein Esslöffel ja gut geeignet als Spiegel für Lego- und Playmobilmännchen. Allerdings vertauscht er links und rechts sowie oben und unten. Um sich darin zu schminken oder zu frisieren, müssten die kleinen Leute deshalb sehr aufmerksam sein.
Spiegelung im Löffel
Spiegelbild im Löffel | Verkehrte Welt: Im Löffelinneren zeigt sich nichts dort, wo es eigentlich hingehört.

Das Innere eines Löffels reflektiert Licht ähnlich wie ein Hohlspiegel. Allerdings sind die Spiegelbilder verzerrt, weil der Löffel in verschiedene Richtungen unterschiedlich stark gekrümmt ist. Im Gegensatz zum "normalen", ebenen Spiegel vertauscht ein perfekter Hohlspiegel – genau wie das Löffelinnere – links und rechts ebenso wie oben und unten. Sein spezielles optisches Verhalten beruht auf seiner Krümmung, und seine Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.

Hohlspiegel fungieren als Kosmetikspiegel, Satellitenantennen oder Teleskopspiegel. Auf den ersten Blick sind das sehr unterschiedliche Anwendungen: Kosmetikspiegel sollen vergrößern, während Antennen und Teleskope einfallende Strahlen in einem Punkt bündeln. Dass dieser Punkt Brennpunkt heißt, verwundert nicht: Es gibt Solarkocher, die den Brennpunkt auf bis zu 150 Grad Celsius erhitzen – bei einem Spiegeldurchmesser von anderthalb Metern.

Auch der Reflektor im Autoscheinwerfer ist ein Hohlspiegel, in dessen Brennpunkt eine Glühbirne ihre Strahlen in alle Richtungen aussendet. Der Hohlspiegel wandelt dieses Durcheinander in ein paralleles Lichtbündel um, das die Straße gut ausleuchtet.

Alle diese Anwendungen basieren auf folgender Besonderheit im Strahlengang: Strahlen, die parallel zur Achse einfallen, werden durch den Brennpunkt reflektiert, und Brennpunktstrahlen werden achsenparallel reflektiert (siehe Bild).

Konstruktion eines reellen Bilds am Hohlspiegel | Bildkonstruktion anhand der zwei Strahlen, die von der Gegenstandsspitze ausgehen: Der durch den Brennpunkt verlaufende Strahl wird parallel zur optischen Achse reflektiert. Der von der Spitze aus parallel zur optischen Achse verlaufende wird durch den Brennpunkt reflektiert. Ihr Schnittpunkt markiert die Spitze des Bilds. Das gesamte Bild ergibt sich, wenn man diese Konstruktion für jeden einzelnen Gegenstandspunkt wiederholt.

Das erklärt, warum das Bild im Hohlspiegel und das im Löffelinneren auf dem Kopf stehen. Angenommen, ein Gegenstand befindet sich vor dem Hohlspiegel. Von ihm werden viele Lichtstrahlen reflektiert, es genügt aber, nur die zwei Extremfälle zu betrachten: den Brennpunktstrahl und den achsenparallelen Strahl. Beide werden entsprechend obiger Regel reflektiert und schneiden sich dann in einem Punkt unterhalb der Achse. Genau dort müsste sich das Auge eines Beobachters befinden, um ein scharfes Bild des Gegenstands wahrzunehmen – ein Bild, das auf dem Kopf steht. Befindet er sich ein Stück weit davon entfernt, ist das Bild nicht mehr so scharf, steht aber immer noch auf dem Kopf.

Übrigens vertauscht der Hohlspiegel oben und unten auf genau die gleiche Weise wie rechts und links, denn obige Skizze kann man ebenso gut als Grundriss wie als Aufriss verstehen.

Erst wenn der Gegenstand zwischen Brennpunkt und Spiegel steht, ergibt sich ein aufrechtes Bild. Die dann reflektierten Strahlen scheinen von ihrem Schnittpunkt hinter dem Spiegel zu kommen, man nennt es ein virtuelles Bild. Es ist immer größer als der Gegenstand selbst.

Konstruktion eines virtuellen Bilds am Hohlspiegel | Ein aufrecht stehendes Bild entsteht nur, wenn sich der Gegenstand näher am Spiegel befindet, als dessen Brennweite lang ist.

Kosmetikspiegel sind ebenfalls Hohlspiegel, allerdings sehr flache. Damit die Nase beim Pudern nicht auf dem Kopf steht, haben sie eine sehr große Brennweite (etwa 20 Zentimeter), so dass das Gesicht in den meisten Fällen bequem zwischen Brennpunkt und Spiegeloberfläche positioniert werden kann. Demgegenüber hat ein Löffel eine sehr kleine Brennweite (ein bis zwei Zentimeter), weshalb für die eitlen Legomännchen die Spiegelwelt auf dem Kopf steht – es sein denn, sie stehen wirklich ganz nahe vor dem Löffel.

Die genaue Form des Hohlspiegels ist übrigens sehr wichtig. Der sphärische Hohlspiegel – er bildet den Ausschnitt einer Kugelfläche – reflektiert bloß achsennahe (so genannte paraxiale) Strahlen exakt durch den Brennpunkt. Fällt Licht weit entfernt von der Achse ein, dann entsteht kein Brennpunkt mehr, sondern ein ausgedehnter Brennfleck. Nur ein Parabolspiegel lenkt wirklich alle achsenparallelen Strahlen durch den Brennpunkt und liefert so eine fehlerfreie Abbildung. Die Abweichung der Abbildung im sphärischen Spiegel von der exakten Abbildung wird als Öffnungsfehler oder sphärische Aberration bezeichnet.

Wegen ihrer fehlerfreien Abbildung bevorzugen Astronomen daher den Einsatz von Parabolspiegeln für ihre Teleskope. Allerdings sind diese schwieriger herzustellen als sphärische Spiegel. Ein pfiffiges Verfahren bedient sich flüssigen Metalls (beispielsweise Quecksilber), das in einer waagrechten Schüssel liegt, die gleichmäßig in Rotation versetzt wird. Das Wechselspiel von Schwerkraft und Zentrifugalkraft sorgt dann dafür, dass die Metalloberfläche ein so genanntes Rotationsparaboloid bildet. Eingesetzt wird die Methode beim Large Zenith Telescope in British Columbia. Es taugt allerdings nur zur Beobachtung des Himmelsbereichs direkt über dem Betrachter, da beim Schwenken das Quecksilber auslaufen würde.

Wer sich selbst schon immer mal einen Teleskopspiegel schleifen wollte, findet hier eine ausführliche Anleitung. Zunächst wird ein sphärischer Hohlspiegel hergestellt, der anschließend mit viel Geduld zum Parabolspiegel verfeinert werden kann.

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