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Unsere haarigen Vettern

"Ich war verschwitzt, dreckig, nass und völlig außer Atem. Das Frühstück aus Bohnen und Kartoffeln lag noch schwer im Magen, obwohl wir bereits zwei Stunden unterwegs waren. Wie auf einer Achterbahn ging es in einem fort bergauf und bergab in den sich scheinbar endlos hinziehenden Hügeln des Bwindi-Impenetrable-Nationalparks in Uganda."

Hautnah lässt uns Martha Robbins an ihrer Feldforschung teilnehmen. Genau das ist die Intention des Buchs "Menschenaffen", das die Verhaltensforscherin vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie zusammen mit ihrem Kollegen Christophe Boesch herausgegeben hat. In elf Kapiteln beschreiben zehn Primatenforscher, was sie erlebten, während sie in den Regenwäldern Afrikas nach Schimpansen, Bonobos und Gorillas suchten. Aus ihren gesammelten Tagebucheinträgen ist ein spannendes Dokument geworden, das die "Begegnungen mit unseren nächsten Verwandten" wiedergibt.

Das Klischee von der fröhlichen Pirsch

In der Einführung vermittelt Robbins das nötige Grundlagenwissen über verwandtschaftliche Verhältnisse und Lebensräume der Menschenaffen. Anschließend räumt sie mit der romantisch verklärten Vorstellung auf, Feldbiologen würden mit khakifarbenem Anzug und Safarihut munter durch den Dschungel stapfen. Sie vermittelt den Lesern eine Ahnung davon, wie mühsam es sein kann, wilde Affen in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Jahrelang sehen die Primatenforscher – nichts. Dann vielleicht einen Kothaufen, der schon mal erste Aufschlüsse liefert. Wenn die Wissenschaftler endlich auf eine leibhaftige Affenhorde treffen, gilt es, die Tiere zu "habituieren": Die Affen müssen mit viel Geduld daran gewöhnt werden, die Anwesenheit neugieriger Homo sapiens hinzunehmen, ohne davonzulaufen oder die Eindringlinge gar zu attackieren.

Die folgenden Kapitel lassen den Leser teilhaben am Schicksal einer Bonobo-Großfamilie, an den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Schimpansengruppen oder an der Karriere eines Gorilla-Männchens. Zwischen ihre persönlich gefärbten Schilderungen streuen die Autoren immer wieder detaillierte Sachinformationen; eine Fotoserie zeigt beeindruckende Affenporträts.

Trotz Redundanz lesenswert

Die Stärke des Buchs ist freilich zugleich seine Schwäche. Da jeder Forscher für sich schreibt, wiederholen sich die Beschreibungen des mühsamen Habituierens. Auch erfahren wir mehrfach, welch wichtige Rolle einheimische Fährtenleser für die europäischen Wissenschaftler spielen, und wie die Forscher die Affen vor ansteckenden Krankheiten zu schützen versuchen. Zudem wird unnötig oft auf die Sorge der Forscher hingewiesen, ihre Tätigkeit könne es Wilderern erleichtern, die an Menschen gewöhnten Affen zu jagen.

Davon unbenommen spürt man in allen Beiträgen dieses lesenswerten Buchs das persönliche Engagement der Autoren. Es geht ihnen nicht nur darum, neue Erkenntnisse über das Verhalten von Menschenaffen zu gewinnen, sondern auch um den Schutz extrem bedrohter Tiere – unserer nächsten Verwandten.

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