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Psychologie: Wir sind besser im Erraten von Namen als gedacht

Sieht ein "Bob" anders aus als ein "Tim"? Vielleicht schon, sagen Forscher.
Mann mit Fragezeichen

Können wir Fremden an der Nase ablesen, ob sie Barbara oder Stefanie heißen, Tim oder Kevin? Besonders gut sind wir darin nicht – aber wir treffen vermutlich immerhin mit einer Wahrscheinlichkeit ins Schwarze, die über den bloßen Zufall hinausgeht. Zu diesem kuriosen Ergebnis kam nun ein Team um Yonat Zwebner von der Universität in Jerusalem nach einer Serie von acht verschiedenen Experimenten.

Die Wissenschaftler machten zunächst mit 120 israelischen Studenten, denen sie 20 Profilfotos von ihnen unbekannten Nutzern eines sozialen Netzwerks präsentierten, die Probe aufs Exempel. Die abgebildeten Personen waren zwischen 20 und 30 Jahre alt und stammten ebenfalls aus Israel. Zu jedem Bild hatten die Teilnehmer fünf mögliche Vornamen zur Auswahl – den echten Namen der abgebildeten Person sowie vier weitere, die die Forscher nach dem Zufallsprinzip aus einem lokalen Namensverzeichnis gezogen hatten. Insgesamt errieten die Probanden den richtigen Vornamen der Personen in rund 28 Prozent aller Fälle – und lagen damit häufiger richtig, als das durch bloßen Zufall möglich gewesen wäre.

Zwebner und sein Team wiederholten den Versuch in mehreren Varianten. Dabei testete sie beispielsweise auch 116 französische Studenten, denen sie ebenfalls verschiedene Gesichter zeigten und vier verschiedene Vornamen zu jedem Abbild anboten. Die Namen hatten die Wissenschaftler dieses Mal mit Absicht so ausgewählt, dass sie in der entsprechenden Altersgruppe unter französischen Erwachsenen etwa gleich oft vorkamen. Dazu hatten sie sich sogar extra Menschen, die manche der betreffenden Namen trugen, ins Labor einbestellt, um sie für den Versuch abzulichten. Auch hier bewiesen die Versuchsteilnehmer in etwa 40 Prozent aller Fälle ein Gespür für den korrekten Namen – zufällig hätten sie nur bei rund 25 Prozent der Gesichter richtigliegen dürfen. Am Ende schaffte dieses Kunststück schließlich sogar ein Computeralgorithmus, den die Wissenschaftler mit Hilfe zahlreicher Fotos trainierten.

Zusammengenommen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Aussehen einer Person und ihrem Namen geben könnte. Zwebner und seine Kollegen glauben, dass dies an kulturspezifischen Stereotypen liegt, die wir mit bestimmten Vornamen assoziieren – und an die sich deren Träger im Lauf der Zeit womöglich unbewusst ein wenig anpassen. So hätte etwa in der Vorstellung vieler Menschen eine Person mit dem Namen "Bob" ein rundlicheres Gesicht als jemand, der den Vornamen "Tim" trägt. "Wir glauben, dass solche Stereotype mit der Zeit das Gesicht einer Person etwas in die entsprechende Richtung verändern können", so Zwebner.

Dass die Kultur beim Namenraten in jedem Fall eine Rolle zu spielen scheint, offenbarte auch ein anderes Experiment der Forscher. Drehten diese nämlich den Spieß um und ließen beispielsweise israelische Studenten die Namen und Gesichter von Franzosen einander zuordnen, scheiterten die Teilnehmer haushoch. Offenbar erstreckt sich unser Gespür für Namen also höchstens auf solche Menschen, die aus demselben Kulturkreis stammen wie wir selbst.

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