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Kompetente Bakterien: Pionier-Bakterium erobert Unterwasservulkanwüste

Ein Vulkan vernichtet alles Leben - bis es wiederkommt. Unter Wasser geschieht das viel schneller als gedacht und anders, als Forscher ahnen konnten.
Unterwasservulkanwüstenpionier: Thiolava-veneris-Fäden

Wenn Unterwasservulkane Lava spucken, pulverisieren sie jegliches Leben im Umkreis und hinterlassen eine lebensfeindliche Wüste am Meeresboden – bis das Leben diese Nische wieder besetzt. Und das kann deutlich schneller geschehen als angenommen, wie Marinebiologen von der italienischen Università Politecnica delle Marche verblüfft feststellen. Einige besonders ausgestattete Gemeinschaften von Bakterien trotzen der Lava-Apokalypse schon sehr bald und annektieren den leeren Lebensraum erneut.

Dies meinen die Wissenschaftler nun im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution", nachdem sie das Comeback der Bakterienbesiedlung des Ozeanbodens um den gut 300 Meter hohen, neuen Unterwasserkegel untersucht haben. Dort war von Herbst 2011 bis März 2012 der Tagoro-Unterwasservulkan vor der Kanareninsel El Hierro aktiv. Er hatte bei den teilweise evakuierten Einwohnern und Touristen an Land durch wochenlanges Brodeln und aufsteigendes glühendes Vulkangestein für Aufsehen gesorgt, vor allem aber unter Wasser mit der bis zu 1000 Grad Celsius heißen Lava alles sterilisiert, mit dem er in Kontakt kam, und durch das austretende Schwefelgasgemisch und die Stoßwellen sämtliches Leben im Umkreis vernichtet.

Schon rund zwei Jahre nach dem Ausbruch aber hatten ausgedehnte Matten eines bis dahin unbekannten Bakteriums die vermeintliche Wüstenei des Vulkankegels in rund 100 Meter Tiefe überwuchert, wie die Forscher bei Tauchroboterfahrten feststellten. Die Thiolava veneris getauften, fadenförmigen Bakterien sind recht ungewöhnlich aufgebaut: Drei verdrillte Bakterienfäden umgibt eine Schutzhülle, die zudem einige symbiontische Bakterien beherbergt. Das gesamte Konstrukt verfügt dann über besondere Stoffwechselfähigkeiten, kann mit verschiedenen Varianten von Kohlenstoff etwas anfangen, die unter dem Einfluss der Vulkanentgasung frei werden, und zudem allerlei Stickstoff und Schwefelverbindungen zur Energiegewinnung verarbeiten. Dieses Werkzeugpaket prädestiniert die Bakterienansammlung offenbar, die schwierigen Bedingungen nach einem Vulkanausbruch zum eigenen Vorteil zu monopolisieren.

Völlig ungeklärt bleibt, wie ausgerechnet ein komplexes symbiotischen System wie die Thiolava-veneris-Gemeinschaft, das nirgendwo sonst auf der Erde bisher entdeckt wurde, derart schnell an den einen Ort gelangen konnte, an den es offenbar perfekt angepasst ist: die sonst für fast jede Konkurrenz lebensfeindliche Postvulkan-Wüste unter im Meer. Auch Experten können hier nur spekulieren. So glauben einige Forscher an eine "rare Biosphäre", also eine nahezu unentdeckbare, aber fast flächendeckend vertretene Ökogemeinschaft, in der unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle der Wissenschaft sehr wenige Exemplare von sehr vielen Lebensformen auf die Chance lauern, dass die Lebensumstände sich plötzlich drastisch zu ihren Gunsten verändern – um da zu sein, wenn es darauf ankommt.

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