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Astrobiologie: Unsere einsame Erde

Warum komplexes Leben im Universum unwahrscheinlich ist
Aus dem Englischen von Eckard Helmers. Springer, Berlin 2001. 374 Seiten, € 24,95


Wir sind nicht der Mittelpunkt der Welt. Seit den Tagen des Kopernikus haben Astronomie und Kosmologie uns das in Bezug auf die Erde, das Sonnensystem und unsere ganze Galaxis immer wieder aufs Neue bestätigt. In den letzten Jahrzehnten wollten uns viele Astrobiologen und berühmte Forscher wie Christian de Duve auch noch den letzten Grund zum Stolz nehmen: Das irdische Leben an sich sei ganz und gar nicht einzigartig, sagten sie. Vielmehr sei es angesichts der astronomischen Zahl fremder Planetensysteme sogar höchstwahrscheinlich, dass zehntausende ähnliche Zivilisationen im Universum existierten.

Diesem inzwischen zum Allgemeingut gewordenen Gedanken widersprechen Peter D. Ward, Professor für Geowissenschaften an der Universität von Washington in Seattle und mehrfacher Buchautor, und sein Kollege Donald Brownlee von der astronomischen Fakultät. Ihre "Hypothese der einsamen Erde" besagt, dass komplexe Lebensformen wie Säugetiere auf Grund der unwahrscheinlich vielen Faktoren, die dafür passend abgestimmt sein müssen, extrem selten vorkommen, vielleicht sogar auf die Erde beschränkt sind. Dagegen seien niedere Lebensformen wie Bakterien eventuell viel häufiger anzutreffen, als heute vermutet wird. Das Buch besteht in einer sorgfältigen und stringenten Herleitung dieser Hypothese.

Einem kurzen Überblick über die verschiedenen archaischen und extremophilen Organismen auf der Erde folgt eine systematische Abhandlung der unterschiedlichen bewohnbaren Zonen eines Planetensystems. Danach wird die Geologie der Erde besprochen und detailliert nachgezeichnet, wie das Leben auf ihr seinen Lauf nahm. Fachbegriffe werden kurz und treffend erläutert.

Besonders die Kapitel über die so genannte Schneeballhypothese und die Bedeutung der Plattentektonik für die Entwicklung des Lebens sind sehr interessant und bringen die Detailkenntnisse der beiden Autoren zur Geltung. Nach der Schneeballhypothese hat die Erde im Laufe ihrer Geschichte mehrmals eine extreme Kältezeit durchgemacht. Die Autoren arbeiten mit vielen Indizien heraus, dass dies möglicherweise für das Entstehen der ersten eukaryontischen Zellen sowie für die kambrische Explosion, als sich die Anzahl der Tierarten enorm steigerte, von entscheidender Bedeutung war. Da sich die Umweltbedingungen nach einer Schneeballperiode für das Leben mit höheren Temperaturen dramatisch verbesserten, konnte die Evolution jeweils mit ein paar vorhandenen Grundstrukturen – seien es einzelne Zellen(teile) oder vollentwickelte Lebewesen – durchstarten und eine immense Vielfalt an Neuerungen innerhalb kürzester Zeit hervorbringen.

Ward und Brownlee zeigen auch auf, dass ein Ausbleiben der Plattentektonik samt den zugehörigen Vulkanausbrüchen nicht etwa der Entwicklung komplexen Lebens eine ruhige, konstante Umwelt geboten, sondern vielmehr diese Entstehung im Keim erstickt hätte. Unter anderem hätten sich die für das Leben unabdingbaren ausgeglichenen Temperaturen nicht eingestellt, wenn nicht der Vulkanismus und andere Phänomene der Plattentektonik für einen geregelten Nachschub an Treibhausgasen gesorgt hätten.

Der Begriff des Lebens wird erst relativ spät genau definiert; der Marsmeteorit ALH84001 und die darauf entdeckten Lebensspuren sowie die Idee der Panspermie werden nur kurz gestreift; die Gewichtung der verschiedenen Bereiche wirkt etwas unausgeglichen. Aber der rote Faden geht nie verloren, das Buch ist eine in sich geschlossene und logische Abhandlung des Titelthemas vom Anfang bis zum Ende. Der Text ist flüssig und einfach zu verstehen. Ein kapitelweise gegliedertes, ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein gutes Namens- und Inhaltsverzeichnis runden das Werk ab.

Dank der umfangreichen und interdisziplinären Abhandlung der Astrobiologie kann das Buch fast schon als ein Standardwerk bezeichnet werden. Nur die etwas einseitige Fixierung auf eine unter mehreren Hypothesen trägt der Vielfalt der Forscheransichten nicht immer Rechnung. Als eines der wenigen seriösen Sachbücher der Astrobiologie sei es nichtsdestotrotz jedem außerirdisch Interessierten warm empfohlen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2002, Seite 106
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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