Direkt zum Inhalt

Hirnforschung: Kann das Gehirn voll sein?

Zahlreiche Informationen prasseln jede Sekunde auf unser Gehirn ein. An manchen Tagen haben wir das Gefühl, dass einfach nichts mehr reingeht. Aber kann das sein - kann unser Gehirn irgendwann voll sein?
Rädchen im Gehirn

Zum Platzen voll ist das Gehirn des Protagonisten im Film "Butterfly Effect", nachdem er immer wieder in der Zeit zurückreist, um seine eigene Lebensgeschichte zu ändern. Gefüllt mit all den Erinnerungen aus verschiedenen Leben ist die Kapazität seines Gehirns schließlich erschöpft. Im echten Leben ist das anders – zumindest teilweise.

86 Milliarden - das ist die geschätzte Anzahl an Nervenzellen im Gehirn. Das klingt zunächst einmal viel. Ist es aber gar nicht, wenn man bedenkt, wie viele Informationen über all unsere Sinne auf uns einprasseln. Stünde jede einzelne Zelle für jeweils eine Information, wäre das Gehirn in der Tat irgendwann voll.

Tatsächlich speichern wir Erinnerungen aber in so genannten Engrammen. Dies sind Netzwerke miteinander verbundener Zellen, deren synchrone Aktivität eine Erinnerung repräsentiert. Die Verbindungen zu anderen Zellen bilden so genannte Synapsen, von denen ein Neuron zirka 10 000 bilden kann.

Was wichtig ist, bleibt hängen

Dieses dynamische Netzwerk merkt sich nicht alles, sondern nur das gerade Wichtigste: Erinnerungen werden in einen größeren Kontext gesetzt und für Entscheidungen in der Gegenwart und Zukunft genutzt. Maßgebend dafür ist die Plastizität des Gehirns, also seine Fähigkeit, die Stärke und Anzahl der Verbindungen zwischen Nervenzellen zu ändern. Letztere reflektieren, wie wichtig eine Erinnerung ist. Gut merken können wir uns Ereignisse, die zum Beispiel mit starken Emotionen verbunden sind: den ersten Kuss oder das Sterben eines geliebten Menschen.

Der erste Kuss | Erfahrungen, die mit starken Emotionen verbunden sind – wie den ersten Kuss –, merken wir uns besonders gut.

Da wäre noch das Vergessen …

In der Regel währen Erinnerungen nur so lange, wie die dazugehörenden Nervenzellen auch genutzt werden. Nicht genutzte Verbindungen von Nervenzellen werden über längere Zeit immer schwächer – man vergisst. Denn was nicht gebraucht wird, ist wohl nicht relevant und wird gelöscht. Das schafft auch "Platz" für neue Verknüpfungen und ermöglicht es, neue Erinnerungen zu formen.

Daher gilt: Wenn wir uns an etwas erinnern, vergessen wir auch. Denn Informationen konkurrieren miteinander, besonders wenn es sich um ähnliche Informationen handelt. Denken wir zum Beispiel an die neue PIN, wird die Erinnerung an die alte PIN mit jedem Mal schwächer. Vergessen ist also sinnvoll, da es Platz für neue Informationen schafft und es möglich macht, dass wir uns an neue Umgebungen anpassen können.

Teile des Gehirns schnell voll

Das gesunde Gehirn kann also nicht in dem Sinn voll sein, dass es keine weiteren Informationen aufnehmen kann. Einzelne Gedächtnisformen können aber in der Tat nur eine begrenzte Anzahl an Informationen verarbeiten. So stoßen das Arbeits- und das Kurzzeitgedächtnis relativ schnell an ihre Grenzen. Sieben (plus/minus zwei) Elemente kann man sich für mehrere Minuten zuverlässig merken, so schrieb George Miller von der Harvard University bereits 1956. Die genaue Anzahl unterscheidet sich jedoch nach der Art der Elemente, ob es sich also um Wörter, einzelne Buchstaben, Bilder oder Zahlen handelte. Im Gegensatz dazu liegt die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, welches neue Informationen mit alten in Verbindung bringt, bei zirka vier Elementen. Somit können einzelne "Teile" des Gehirns tatsächlich "voll" sein und hindern uns daran, uns einfach alles zu merken. Und das ist – auch wenn wir es manchmal nur schwer akzeptieren können – gut so.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.