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IQ-Tests: Kann man Intelligenz trainieren?

Kinder können ihre Intelligenz steigern, sagt der Psychologe Aljoscha Neubauer von der Universität Graz. Doch auch im Erwachsenenalter lohnt es sich, Neues zu lernen.
Formbare Masse

Kreuzworträtsel, Sudokus und zahlreiche Gehirnjogging-Programme sollen angeblich das Ergebnis in einem Intelligenztest verbessern. Doch für alle Knobel-Fans haben Wissenschaftler eine ernüchternde Botschaft: Langfristig ist eine Steigerung des Intelligenzquotienten (IQ) im Erwachsenenalter kaum möglich.

Anders bei Kindern und Jugendlichen. Sie bauen vor allem durch die Schulbildung Denkfähigkeiten und Wissen auf. Eine ideale Förderung vorausgesetzt, haben sie mit etwa 20 Jahren ihr individuelles Intelligenzpotenzial ausgeschöpft. Allerdings betrifft das nur eine von zwei Intelligenzkomponenten: die fluide Intelligenz (siehe Kasten). Darunter verstehen Psychologen, wie schnell und flexibel wir Informationen verarbeiten können. Wir brauchen fluide Intelligenz, um Wissen und Fertigkeiten, die so genannte kristalline Intelligenz, effektiv anzuwenden. Was jemand im Leben erreicht, ist somit eine Funktion beider Intelligenzbausteine.

Was ist Intelligenz?

Intelligenz (lateinisch: intellegere = verstehen, erkennen) beschreibt die Fähigkeit zu denken. Sie setzt sich aus unterschiedlichen Teilbereichen zusammen, zum Beispiel logischem Schlussfolgern, Rechnen, räumlichem Vorstellungsvermögen und Merkfähigkeit.

Viele Psychologen unterteilen Intelligenz in zwei Komponenten: fluide und kristalline Intelligenz. Während der fluide Anteil die Flexibilität beschreibt, mit der wir Aufgaben bearbeiten und uns an neue Anforderungen anpassen, zählen zur kristallinen Intelligenz das erworbene Wissen und die gelernten Fertigkeiten eines Menschen.

Der Intelligenztest setzt das individuelle Ergebnis mit Hilfe des Intelligenzquotienten (IQ) ins Verhältnis zur Allgemeinheit. Ein IQ von 100 beschreibt eine durchschnittliche Intelligenz. 50 Prozent der Menschen haben einen IQ von 90 bis 110. Nur 2,5 Prozent liegen jenseits von 130 und gelten als hoch begabt. Nicht erfasst werden durch klassische IQ-Tests allerdings Intelligenzkomponenten wie soziale und emotionale Kompetenz.

Fluide Fähigkeiten lassen ab etwa Mitte 30 allmählich nach. Dann ist es zwar weiterhin möglich, sich in einer bestimmten Aufgabe zu verbessern, etwa im Sudoku-Lösen. Doch solch ein Training wirkt sich immer nur auf die geistigen Prozesse aus, die für diese oder ähnliche Übungen nötig sind. Wer Profi im Kreuzworträtseln wird, schärft nicht automatisch auch seinen Sinn für Zahlen. Psychologen würden sagen: Der so genannte Ferntransfereffekt bleibt aus – also die Übertragung einer spezifischen Leistungssteigerung auf die allgemeine Denkfähigkeit.

Intelligenzforscher suchen nach wirksamem Training

Das widerspricht den Befunden einer Forschergruppe um Susanne Jäggi von der University of Michigan. Die Wissenschaftler glaubten 2008, ein Training der fluiden Intelligenz für Erwachsene entwickelt zu haben. Gezielte Übungen für das Arbeitsgedächtnis sollten sich demnach auf den IQ auswirken. Versuchspersonen mussten sich dafür die Positionen von Kästchen merken, die nacheinander auf einem Computerbildschirm aufleuchteten. Sobald ein Kästchen an der gleichen Stelle erschien wie das vorletzte, sollten sie einen Knopf drücken. Anschließend erhöhten die Psychologen kontinuierlich die Schwierigkeit der Aufgabe. Es galt nun, die aktuelle Position mit derjenigen von vor drei Runden zu vergleichen und so weiter. Zusätzlich mussten sich die Probanden über einen Kopfhörer eingespielte Buchstaben merken. Siehe da: Die doppelte Belastung schien nicht nur das Arbeitsgedächtnis zu erweitern. Auch die IQ-Werte der Versuchspersonen hatten sich nach wenigen Trainingswochen erheblich verbessert. Eine Sensation!

Doch schon bald meldeten viele Wissenschaftler Kritik an. Sie wiederholten die Untersuchung mittels strengerer Methoden – mit enttäuschendem Ergebnis. Zwar verbesserten die Probanden ihr Arbeitsgedächtnis konstant. Doch ein Transfer dieses Effekts auf die fluide Intelligenz bestätigte sich nicht.

Zum gleichen Schluss kam 2010 auch Adrian Owen, Neurowissenschaftler an einer Forschungseinrichtung in Cambridge. Mehr als 11 000 Versuchspersonen hatten zuvor sechs Wochen lang online unter anderem ihr Gedächtnis, Schlussfolgern und ihre visuell-räumlichen Fähigkeiten trainiert. Die Leistung jedes Einzelnen hatte sich tatsächlich über die Zeit verbessert – allerdings nur in den bekannten Aufgaben. Als die Versuchspersonen andere, ähnliche Tests absolvieren sollten, waren sie nicht besser als der Durchschnitt.

Wer viel lernt, kann dem geistigen Abbau entgegenwirken

Die Ergebnisse zahlreicher weiterer Studien bestätigen: Im Erwachsenenalter profitiert die fluide Intelligenz von keinem Training mehr. Die kristalline Intelligenz dagegen verbessert sich automatisch im Lauf des Lebens, indem wir immer mehr Wissen und Kompetenzen erwerben. Noch in hohem Alter lohnt es sich daher, Neues zu lernen, etwa eine Sprache oder ein Musikinstrument. Denn wer besonders viel kristalline Intelligenz aufbaut, kann die zunehmenden Defizite im fluiden Intelligenzanteil ausgleichen und so dem geistigen Abbau entgegenwirken.

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  • Quellen

Jäggi, S. M. et al.: Improving Fluid Intelligence with Training on Working Memory. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 105, S. 6829–6833, 2008

Owen, A. M. et al.: Putting Brain Training to the Test. In: Nature 465, S. 775–778, 2010

Stern, E., Neubauer, A.: Intelligenz – Große Unterschiede und ihre Folgen. DVA, München 2013

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