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Warum stranden Wale und Delfine?

Mit vereinten Kräften leiten die Helfer die gestrandeten Kleinen Schwertwale zurück in tieferes Wasser. Doch nach kurzer Zeit laufen sie wieder auf den Strand in der Nähe von Kapstadt auf. Warum Wale und Delfine derart verenden, ist bis heute ein ungeklärtes Rätsel.

Der Sommer geht zu Ende – Zeit, die Wanderung an den Äquator anzutreten. Ihr besonderes Ortungssystem weist den männlichen Pottwalen den Weg aus dem Nordpolarmeer zurück in wärmere Gewässer. Immer wieder aber kommen einige der Giganten von ihrem Kurs ab und schwimmen statt an Schottland und Irland vorbei in die flache Nordsee hinein. Seichte Priele und flache Strände können ihnen dabei zum Verhängnis werden. Laufen die Säuger auf Sand auf, können sie austrocknen, überhitzen und durch ihr großes Eigengewicht innere Verletzungen erleiden.

Theorien gibt es zahlreiche, die erklären könnten, warum Wale und Delfine stranden. In den meisten Fällen handelt es sich nach Ansicht des Kieler Meeresbiologen Boris Culik um Navigationsfehler der Tiere. Zahnwale orientieren sich mit Hilfe der Echoortung, das heißt, sie erzeugen Töne beziehungsweise Klicklaute, deren Echo den Säugern verrät, wo genau sich ein Objekt vor ihnen befindet.

Sichelförmige Strände, die langsam und seicht zulaufen, oder halbkreisförmige Buchten, die in der Wanderungsrichtung der Wale liegen, stellen eine große Gefahr für die Meeressäuger dar. Denn diese Küsten werfen aus keiner Richtung ein Echo zurück und täuschen dem Wal vor, er befände sich in der unendlichen Weite des Ozeans. "Im flachen Wasser funktioniert ihr natürliches Navigationssystem nicht mehr", betont Culik.

Dass die Meeressäuger auf ihren Wanderungen die Orientierung verlieren, könnte auch an der Sonne liegen: Sonnenstürme, bei denen unser Zentralgestirn besonders große Mengen ionisierter Materie in den Weltraum schießt und die regelmäßig etwa im Elf-Jahres-Rhythmus auftreten, können die Linien des Erdmagnetfelds verschieben, an denen sich bestimmte Wale orientieren. Klaus Heinrich Vanselow und Klaus Ricklefs vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste (FTZ) klärten diese Beziehung für Pottwale auf, die bereits seit dem 18. Jahrhundert in regelmäßigen Abständen in der Nordsee stranden. Im Lauf der Jahrhunderte strandeten die Säugetiere immer wieder, es ist also kein neues Phänomen.

Zudem sind viele Walarten ausgesprochen sozial organisiert, so dass die Gruppe, auch Walschule genannt, bei einem verletzten oder gestrandeten Tier bleibt, um diesem beizustehen und es zu schützen. "Schreit ein gestrandeter Wal nach Hilfe, kann es sogar passieren, dass die anderen Tiere des Verbands darauf reagieren und dem Wal auf den Strand folgen", erklärt Culik. Diese Modelle könnten auch das Verhalten der Ende Mai 2009 in Südafrika gestrandeten Kleinen Schwertwale erklären, die wieder zur Küste zurückkehrten, nachdem sie bereits zuvor von Helfern in tieferes Wasser zurückgeleitet worden waren.

Es ist auch möglich, dass das Leittier die Orientierung verliert und alle anderen Mitglieder der Schule in die falsche Richtung mitschwimmen. Von Schwertwalen ist beispielsweise bekannt, dass die Mutter oder Großmutter den Klan anführt und die anderen Tiere folgen. Befallen Parasiten jedoch das Ohr der Meeressäuger, kann dies dazu führen, dass sie das Echo ihrer ausgesandten Klicklaute nicht mehr wahrnehmen und orientierungslos werden.

Von Menschen verursachter Unterwasserlärm, etwa von Bohrinseln, Schiffen, militärischen Sonargeräten oder von starkem Schall bei seismischen Untersuchungen, kann die Orientierung und Kommunikation der Wale beeinträchtigen oder die Tiere sogar derart erschrecken, dass sie "blind" vor dem Lärm flüchten. "Verhaltensänderungen, körperliche Schädigungen und auch der Tod der Wale sind denkbare Folgen. Nach NATO-Manövern sind seltene Schnabelwale an die Küsten von Zypern, den Kanaren und den Bahamas gespült worden", berichtet Culik. "Sie waren durch das starke militärische Sonar verletzt worden und erkrankten sozusagen an der Taucherkrankheit." Die akustischen Signale lösten die Bildung von Gasbläschen in den Blutgefäßen und Organen der Meeressäugetiere aus. Diese verhinderten die Blutversorgung und führten zu ihrem Tod.

Tiere, die bereits tot an Land gespült werden, sind vorher schon verwundet oder erkrankt. So können sie infolge von Infektionen, Parasitenbefall und Verletzungen durch Schiffskollisionen, Fischernetze oder Haiangriffe sowie an giftigem oder belastetem Futter sterben. Wenn die Säuger aus ihren Nahrungs- und Fortpflanzungsgebieten durch Unterwasserlärm vertrieben werden oder orientierungslos umherirren, können sie verhungern.

Die häufigsten Massenstrandungen sind von Grind- und Pottwalen bekannt. Bartenwale dagegen stranden sehr selten. Mit Hilfe ihrer Barten, Hornplatten im Oberkiefer, die sie an Stelle von Zähnen haben, filtern sie Krill, tierisches Plankton und kleine Fische aus dem Wasser. Zu dieser Gruppe gehören bis auf den Pottwal alle Großwale. Im Gegensatz zu den Zahnwalen ist bei ihnen die Fähigkeit zur Echolokation noch nicht nachgewiesen.

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  • Quellen
Vanselow, K., Ricklefs, K.: Are solar activity and sperm whale Physeter macrocephalus strandings around the North Sea related? In: Journal of Sea Research 53(4), S. 319–327, 2005.

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