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Elfmeter: Was zeichnet einen guten Elfmeterschützen aus?

Der ehemalige Fußballprofi und Sportpsychologe Georg Froese erklärt, wie die Persönlichkeit den Torerfolg beeinflusst und wie man ihn maximiert.
Geht der Ball ins Netz?

Einen Elfmeter zu schießen, ist oft eine nervliche Zerreißprobe, der nicht jeder gewachsen ist. Denn der Druck, der auf dem Schützen lastet, ist nicht mit dem im restlichen Spielgeschehen zu vergleichen. Unter Stress kann ein Fußballer nur ein begrenztes Repertoire seiner Fähigkeiten abrufen, sein Schuss wird unpräziser, und er trifft schlechtere Entscheidungen.

Bitteres Versagen | Bastian Schweinsteiger verschießt 2012 im Champions-League-Endspiel gegen den FC Chelsea den alles entscheidenden Elfmeter.

Daher ist es entscheidend, nervenstarke und fähige Schützen auszuwählen und sie auf diese spezifische Situation vorzubereiten. Viele ehemalige Elfmeterkönige wie Paul Breitner behaupten, man könne Elfmeterschüsse nicht üben. Aus wissenschaftlicher Sicht muss man dem allerdings widersprechen.

Elfmeter sind trainierbar!

Es gibt zwei Strategien, um einen Elfmeter zu verwandeln: Der Schütze kann sich überlegen, wo er den Ball platzieren will, und den Plan dann mit größtmöglicher Präzision umsetzen, ganz egal was der Torhüter tut.

Die Alternative ist, das Gegenüber zu fokussieren, das heißt auf die Bewegungen des Torhüters zu achten und den Schuss entsprechend anzupassen. Der Ball fliegt nur etwa 400 Millisekunden bis zum Tor. Zu kurz für den Keeper, um abzuwarten, bis der Schütze den Ball berührt. Er muss bereits vorher entscheiden, in welche Ecke er sich werfen will. Das gibt dem Schützen einen Vorteil.

Sollte man nun besser "torwartunabhängig" oder "torwartabhängig" schießen? Mit welcher Taktik ein Schütze die meisten Elfmeter verwandelt, hängt von seiner Persönlichkeit und seinem fußballerischen Können ab. Sowohl abwartende Beobachter als auch unbeirrbare Präzisionsschützen können erfolgreich sein – wenn sie ihre Elfmeterstrategie spezifisch trainieren.

Begnadete Ballkünstler wie Cristiano Ronaldo schießen eher torwartunabhängig. Dabei muss der Schütze außergewöhnlich hart und platziert schießen, um den Ball im Tor zu versenken. Besonders "handlungsorientierte" Menschen sind mit dieser Strategie erfolgreich – das sind solche, die einen Plan schmieden und ihn dann ungeachtet möglicher Alternativen einfach in die Tat umsetzen.

"Lageorientierte" Personen wägen dagegen eher ab und ziehen verschiedene Optionen in Betracht. Aus früheren Studien weiß man, dass begabte Spielmacher häufig lageorientiert sind. Sie haben die Ruhe, lange mit einem Pass zu warten und ihre Entscheidungen kurzfristig dem Spielverlauf anzupassen. Dafür müssen sie viele Informationen sehr schnell verarbeiten können. Wir nehmen an, dass sie mit einer torwartabhängigen Strategie erfolgreich fahren. Fußballspezifische Fertigkeiten wie ein präziser und harter Schuss sind dabei nicht so entscheidend. Denn wenn ich es schaffe, noch auf die Bewegung des Torhüters zu reagieren, kann ich auch einen relativ schwach geschossenen Ball versenken.

Meine Kollegen und ich befragten 36 Fußballspieler von der zweiten bis zur achten Liga zu ihrer Persönlichkeit, ihren Erfahrungen im Elfmeterschießen und ihren Erfolgen als Fußballer. Anschließend baten wir sie zu einem Elfmeterturnier auf den Rasen. Lageorientierte Spieler waren tatsächlich besser im Beobachten und handlungsorientierte darin, unabhängig vom Torwart zu schießen.

Mit rotem Trikot zur Fußball-WM

Überraschenderweise sagte die Persönlichkeit eines Schützen seinen Torerfolg sogar besser vorher, als es seine sportlichen Leistungen tun oder die Liga, in der er spielte. Je nach Charakter ist daher die eine oder andere Strategie zu empfehlen. Außerdem sollten die Spieler lernen, während eines Elfmeters ihre körperliche Anspannung zu reduzieren, zum Beispiel durch bestimmte Atemtechniken oder indem sie sich auf die sportliche Handlung fokussieren.

Ein perfekter Elfmeterschütze beherrscht im Übrigen beide Strategien und kann sie je nach Situation und Torwart flexibel anwenden, um für diesen unberechenbar zu bleiben. Denn jeder Schütze im Profifußball muss davon ausgehen, dass der gegnerische Torhüter seine Schussvorlieben kennt. So verhalf der "Spickzettel" von Jens Lehmann, den er vor jedem Elfmeter der Argentinier konsultierte, dem deutschen Team 2006 zum Einzug ins Halbfinale der Fußball- WM im eigenen Land.

Übrigens: Vielleicht sollte der deutsche Torhüter Manuel Neuer mit einem roten Trikot im Gepäck zur Weltmeisterschaft nach Brasilien reisen. Studien zufolge versenken Schützen bei rot gekleideten Keepern nämlich seltener einen Elfmeter als bei jenen mit grünem oder blauem Trikot!

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  • Quellen

Froese, G.: Sportpsychologische Einflussfaktoren der Leistung von Elfmeterschützen. Dr. Kovac;, Hamburg 2012

Greenlees, I. A. et al.: Color of Soccer Goalkeepers’ Uniform Influences the Outcome of Penalty Kicks. In: Perceptual and Motor Skills 117, S. 1 – 10, 2013

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