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Zeitgleichung: Werden die Tage ab dem 21. Dezember tatsächlich schon länger?

Viele sehnen den 21. Dezember herbei: die Wintersonnenwende, ab der die Tage wieder länger werden. Das stimmt zwar, aber nicht unbedingt so, wie viele Menschen vielleicht denken.
Sonne im Winter
Viele Menschen vermissen die Sonne im Winter. Immerhin werden die Tage ab der Sonnwende wieder länger - wenn auch erst einmal langsam.

Aufmerksame Beobachter werden es bemerken (oder auf Kalendern mit Sonnenauf- und -untergangszeiten lesen): Abends bleibt es nach der Wintersonnenwende schneller länger hell, als es morgens früher hell wird. Erst zum 12. Februar gleicht sich die Zeit an, die Abend und Morgen jeweils verlängert. Aber warum? Dazu muss man etwas ausholen.

Wenn jemand sagt, die Sonne steht um 12 Uhr mittags im Süden, so stimmt das nur selten – eigentlich nur viermal im Jahr. Gegenüber einer gewöhnlichen Uhr geht die Sonnenuhr zwischen dem 26. Dezember und dem 8. April nach. Bis zum 5. Juni geht sie dann wenige Minuten vor, um dann wieder bis zum 4. September etwas verspätet zu sein. Bis zum Jahresende ist sie dann wieder bis zu 15 Minuten zu früh.

Ursache der seltsamen Schwankungen sind zwei unterschiedliche Effekte: die Bewegung der Erde auf ihrer Ellipsenbahn und die Schiefe der Ekliptik, der scheinbaren Sonnenbahn gegenüber dem Himmelsäquator. Eine Sonnenuhr und damit die "wahre" Sonne eignet sich somit nicht für ein gleichmäßiges Zeitmaß. Deshalb wird für die offizielle Zeitmessung eine fiktive "mittlere" Sonne zu Grunde gelegt, die sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.

Die Zeitdifferenz zwischen der wahren und der mittleren Sonne bezeichnet man als Zeitgleichung: wahre Sonnenzeit minus mittlere Sonnenzeit gleich Zeitgleichung. Auf ihrer elliptischen Bahn bewegt sich die Erde in Sonnennähe, dem Perihel, schneller als im fernsten Punkt, dem Aphel. Den kürzesten Abstand zur Sonne hat unser Planet im Januar, während er Anfang Juli am weitesten von ihr entfernt ist. Entsprechend wandert die Sonne im Lauf des Jahres mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten von West nach Ost über den Himmel.

Da sich die Erde in der gleichen Richtung um ihre Achse dreht, wie sie um die Sonne läuft, muss sie sich täglich um etwas mehr als 360 Grad drehen, bis die Sonne wieder im Süden steht. Je höher die Bahngeschwindigkeit ist, umso länger dauert diese zusätzliche Drehung. Ausgehend vom Perihel im Januar eilt die wahre Sonne der mittleren immer mehr voraus. Jeden Tag muss sich die Erde ein kleines Stück weiter drehen, bis die Sonne wieder im Süden steht. Das bedeutet aber, dass die wahre Sonne immer später ihre Höchststellung erreicht, sich also immer mehr verspätet. In der Nähe des Perihels wächst der Zeitunterschied täglich um rund 16 Sekunden. Im Aphel dagegen hinkt die wahre Sonne hinter der mittleren her und kulminiert deshalb immer früher.

Zwei Effekte

Der zweite Effekt wirkt sich noch stärker aus. Die wahre Sonne rückt täglich in östlicher Richtung auf der Ekliptik vor, die aber um etwa 23,5 Grad gegen den Himmelsäquator geneigt ist. Diese Neigung sorgt ebenfalls dafür, dass sich die Position der Sonne entlang des Himmelsäquators im Jahresverlauf mit unterschiedlicher Geschwindigkeit von Westen nach Osten ändert. Betrachten wir ein einfaches Beispiel. Die wahre Sonne bewege sich täglich um ein Grad entlang der Ekliptik. Wenn sie sich im Frühlingspunkt befindet, beträgt die auf dem Äquator gemessene Differenz wegen der Neigung der Ekliptik aber nur rund 0,9 Grad. Das entspricht einem Zeitunterschied von 20 Sekunden. Um diesen Betrag bleibt die wahre Sonne gegenüber der mittleren, die sich auf dem Himmelsäquator bewegt, pro Tag zurück.

Zur Sommersonnenwende bewegen sich beide wieder parallel und sind somit auch gleich schnell. Im Folgenden überholt jetzt die wahre Sonne die mittlere, bis sie sich im Herbstpunkt wieder treffen. Ab hier bis zum Frühlingspunkt wiederholt sich der Zyklus. Beide Effekte überlagern sich und führen im Lauf eines Jahres zu zwei großen und zwei kleinen Maxima für die Zeitgleichung.

Im Februar geht die wahre Sonne, die durch die Sonnenuhr gemessen wird, eine gute viertel Stunde nach. Im November ist sie dann mehr als 15 Minuten zu früh. Die Auswirkung der Zeitgleichung ist auch ohne genaue Zeitmessung merklich. Im Januar und Februar werden die Tage durch die zunehmende Verspätung der wahren Sonne abends schnell länger, während sich morgens erst einmal nur wenig ändert. Im Oktober und November dagegen werden die Tage abends schnell kürzer, aber nicht am Morgen.

Dieser Effekt hat auch noch eine andere Auswirkung. Der früheste Sonnenuntergang erfolgt nicht am Tag der Wintersonnenwende, am kürzesten Tag des Jahres. Das geschieht schon zehn Tage vorher. Der Grund ist leicht zu erkennen: Im Dezember nehmen die Werte der Zeitgleichung rasch ab. Dadurch kommt es zu einem Verspätungseffekt des Sonnenuntergangs.

Ende Dezember wird die Zeitgleichung dann negativ. Deshalb kommt es erst kurz nach dem Jahreswechsel zum spätesten Sonnenaufgang.

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