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Lobes Digitalfabrik: Der vermessene Athlet

Im Profisport ist der Fitnesstracker kein Spielzeug. Denn seine Daten verraten, welcher Spielerkörper wie viel taugt. Hat der Sportprofi kein Recht auf Datenschutz?
Fitnesstracker fürs Handgelenk

Immer mehr Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter mit Fitnesstrackern vermessen. So hat der Mineralölkonzern BP unter seiner Belegschaft 24 000 Fitbit-Uhren verteilt. Im Rahmen eines "Wellness-Programms" können die BP-Mitarbeiter für verschiedene Aktivitäten Punkte (so genannte Wellness-Punkte) sammeln. Auch im Sport sind Fitnesstracker auf dem Vormarsch. Der ehemalige deutsche Radprofi Jens Voigt trug während seiner Tour-de-France-Etappen eine Fitbit (deren Berater er heute ist) am Armgelenk, um seinen Puls zu messen und Trainingsdaten auszuwerten. Fußballprofis bekamen schon vor Jahren Pulsuhren, den analogen Vorgänger der Fitnesstracker, mit in den Sommerurlaub, verbunden mit dem Auftrag, in Vorbereitung auf die neue Saison ein bestimmtes Trainingsprogramm zu absolvieren. Der Chronometer speicherte jeden Trainingslauf, und nach der Sommerpause konnte der Trainer die Werte auslesen und einsehen, ob der Spieler sich an den Fitnessplan gehalten hat. Wer untrainiert und ohne Chronometer aus dem Urlaub kam, so wie der ehemalige 1860-Profi Matthias Lehmann, für den war die Uhr buchstäblich abgelaufen.

Armbanduhren sind freilich auch ein Kontrollvehikel. Wo Fußballklubs Datenwissenschaftler anheuern und wie im Film "Moneyball" mit computergestützten Statistikverfahren Spiele analysieren, wird die Vermessung der Athleten auf die Spitze getrieben. Laufleistung, Herzfrequenz, Sprintgeschwindigkeit – diverse Variablen werden miteinander korreliert. Die Datengurus sind auf der Suche nach der ultimativen Siegformel. Die US-Baseball-Liga MLB erlaubt seit vergangenem Jahr das Tragen zweier Wearables während der Partien. Der Ligaverband kooperiert mit dem Unternehmen Motus Global, das einen sensorenbewehrten Ellenbogenschoner entwickelt hat, der speziell den Bewegungsablauf von Pitchern analysiert und vor Kollateralbandverletzungen bei der für die Gelenke belastenden Wurfbewegung warnt. Zudem wurde das Gerät Zephyr der Firma Bioharness für biometrische Auswertungen zugelassen – es misst die Herz- und Atemfrequenz der Spieler. Die Daten können nicht während des Spiels ausgelesen, sondern dürfen nur nach Spielende heruntergeladen werden. Die Teamärzte wollen damit das Verletzungsrisiko im Vorfeld besser erkennen.

Die Fitnessuhr weiß, was du letzten Sommer getan hast

Doch innerhalb der Spielergewerkschaften wachsen die datenschutzrechtlichen Bedenken gegen diese Gadgets. Der umstrittene Fitnesstracker Whoop, der Variablen wie Herzfrequenz, Körpertemperatur und Bewegungen im Schlaf und in wachem Zustand misst, wurde von der MLB erlaubt. Dagegen hat die Basketballliga NBA das Gerät verboten, nachdem mit Matthew Dellavedova ein Präzedenzfall geschaffen wurde. Der Point Guard der Cleveland Cavaliers trug den Fitnesstracker während mehrerer Partien. Der Schritt ist verwunderlich, weil die NBA mit dem Tech Summit eine eigene Vermarktungsplattform lanciert hat, auf der die neuesten Technologien präsentiert werden und mit Vertretern von Twitter, Instagram und FireEye das Who´s who der Branche vertreten ist. Der Grund für die ungewöhnliche Technikaversion liegt in der starken Stellung der Spielergewerkschaft begründet. Die mächtige National Basketball Players Association, die Spielerinteressen vertritt und im Rahmen der Tarifverhandlungen 1983 eine Gehaltsobergrenze durchsetzte, hat sich mit dem Ligaverband und den Vereinen auf ein 600-seitiges Papier verständigt, das einen äußerst restriktiven Einsatz von Wearables vorsieht.

Die Gewerkschaft befürchtet, dass ein umfassendes biometrisches Monitoring den Athleten zum Nachteil gereichen kann, etwa wenn aus den Daten eine höhere Verletzungsgefahr abgeleitet werden kann oder sich bestimmte Werte unterhalb der Norm bewegen. Wer will einen Spieler verpflichten, dessen Arm- oder Kniegelenke abgenutzt sind? Durch die Vermessung werden neue Leistungsparameter sichtbar, die im analogen Zeitalter eine Black Box waren.

Die Frage ist: Was darf ein Verein über seine Spieler alles wissen? Darf der Arbeitgeber einen Spieler zum Rapport bitten, wenn die Auswertung seiner Fitnessdaten nächtliche Unruhezeiten indizieren? Die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem sind im Hochleistungssport ohnehin schwer zu ziehen, weil der Körper gewissermaßen das Kapital ist und ein diszipliniertes Privatleben (Ernährungsgewohnheiten, Schlaf, Verzicht auf Alkohol und Tabak) den sportlichen Erfolg bedingen. Dementsprechend darf ein Arbeitgeber durchaus genauer hinsehen, was sein Schützling in seiner Freizeit treibt. Doch mit der zunehmenden Vermessung im Leistungssport werden auch sensible Daten erhoben, die zwar physiologische Aussagekraft besitzen, aber ebenso das Persönlichkeitsrecht des Athleten berühren. Auch Fußball- und Basketballprofis haben ein Recht auf Privatsphäre. Es mag arbeitgeberfreundlich sein, wenn durch das biometrische Monitoring sämtliche Leistungsdaten vorliegen und Verletzungen nicht mehr arglistig verschwiegen werden können. Doch der Preis dieser Transparenz ist der gläserne Athlet. Und das geht zu Lasten der Privatsphäre.

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