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Warkus' Welt: Gibt es einen Gott?

Die Frage nach der Existenz Gottes ist in erster Linie eine Glaubensfrage. Unser Kolumnist Matthias Warkus erklärt, wie Philosophen sich ihr nähern.
Die Erschaffung Adams

Wenn man mit Philosophie zu tun hat, erwarten viele Leute von einem, dass man eine Meinung dazu hat, ob es Gott gibt oder nicht. Mit dieser Ansicht bin ich bereits während meines Studiums konfrontiert worden und seitdem immer wieder. Meine erste Kolumne in dieser Reihe erhielt teilweise entrüstete Kommentare, allein weil das Wort "Gott" darin vorkam. Manche scheinen regelrecht zu erwarten, dass man als Philosoph auch automatisch Atheist sein muss.

Tatsächlich musste ich mich bereits in meinem ersten Semester an der Universität in einer Pflichtveranstaltung mit der Frage nach der Existenz Gottes auseinandersetzen. Außerdem schleppte mich ein Kommilitone in ein Seminar namens "Gottesbeweise im 20. Jahrhundert". Die Veranstaltung enthielt exakt das, was auf der Packung stand: Wir redeten das ganze Semester lang darüber, wie Philosophen der jüngeren Vergangenheit versucht hatten, zu beweisen (oder zu widerlegen), dass Gott existiert.

Die Art und Weise, wie Philosophen sich üblicherweise mit Gott auseinandersetzen, hat mit Glaube und Religion nichts zu tun

Man könnte sich nun fragen: Ist Gott nicht einfach Glaubenssache? Sollte man ihn nicht der Theologie überlassen? Was hat die Philosophie mit ihm zu tun?

Um das zu verstehen, muss man sich genauer anschauen, was zum Beispiel in einem solchen Seminar über Gottesbeweise passiert. Der erste Schritt ist, herauszupräparieren, was das eigentlich ist, dessen Existenz man beweisen oder widerlegen will. Gegenstände, über deren Existenz man sich nicht sicher ist, muss man erst einmal definieren, bevor man geordnet darüber nachdenken kann, wie man am besten überprüft, ob es sie gibt. Das gilt für unbekannte gesuchte Straftäter ebenso wie für Elementarteilchen oder Gott.

Eine Frage der Definition

Und bereits an diesem Punkt gibt es große Meinungsverschiedenheiten. Traditionell leiht sich die europäische Philosophie eine bestimmte Gottesvorstellung aus dem Christentum, nämlich die von Gott als allwissender, allmächtiger und vollkommen guter Person, die aktiv ins Weltgeschehen eingreift. Es gibt aber selbst innerhalb der europäischen Tradition auch ganz andere Vorstellungen. Zum Beispiel jene von Gott als einem zwar mächtigen, aber abwesenden Schöpfer, der das Universum in Gang gebracht und danach sich selbst überlassen hat – wie ein Bauer, der seinen Traktor anwirft und danach ausgiebig frühstückt. Es liegt auf der Hand, dass die Existenz eines völlig abwesenden Gottes anders zu diskutieren ist als die eines Gottes, der zumindest ab und zu in der Welt aktiv ist.

Auch über die anerkannten Regeln der Beweisführung lässt sich streiten. Ein Klassiker ist zum Beispiel Immanuel Kants Feststellung, dass Existenz keine Eigenschaft wie jede andere ist. Vor Kant war es (vereinfacht gesagt) durchaus üblich, zu argumentieren, Gott als vollkommenes Wesen per Definition müsse zwangsläufig existieren, da einem nichtexistenten Gott ja etwas fehlen würde (nämlich die Eigenschaft der Existenz).

Die Art und Weise, wie Philosophen sich üblicherweise mit Gott auseinandersetzen, hat also zunächst mit Glaube und Religion gar nichts zu tun. Sie funktioniert genauso wie die philosophische Auseinandersetzung mit jedem beliebigen anderen Gegenstand: Der Startpunkt ist eine Annahme oder eine Definition, der Weg sind Schlüsse anhand anerkannter Regeln und Sachverhalte, das Ziel sind Folgerungen, die möglichst überzeugend sein sollen. (Das gilt heute. Historisch gesehen war die Philosophie bis weit in die Neuzeit hinein eng mit der Theologie verbandelt – einer der Gründe, warum es nach wie vor Tradition ist, Philosophiestudierende bereits ganz zu Anfang mit Überlegungen zum Thema Gott zu triezen.)

In der Philosophie wird viel über die Existenz und die Eigenschaften Gottes gestritten – und an diesem Streit sind durchaus Menschen beteiligt, die sich ganz sicher sind, dass es ihn nicht gibt, aber auch solche, die der felsenfesten Überzeugung sind, er existiere wirklich. Und auch die Frage, ob bei dem ganzen Spielchen nicht ohnehin am Ende immer nur das herauskommt, was man am Anfang schon geglaubt hat, wird regelmäßig mitdiskutiert – genauso wie jene, ob es nicht überhaupt sinnlos ist, rational an das Problem heranzugehen.

Meiner eigenen Erfahrung nach zögern Philosophinnen und Philosophen mit zunehmender Kenntnis der Debatte, überhaupt Stellung zu beziehen. Das gilt bei vielen Themen: Wer weiß, wie viele Facetten eine Diskussion hat und in wie vielen Hinsichten bestimmte Standpunkte angreifbar sind, schreckt vor allzu forschen Bekenntnissen zu bestimmten Positionen zurück.

Eine Umfrage aus dem Jahr 2009 unter vorwiegend US-amerikanischen Philosophen deutet übrigens darauf hin, dass knapp zwei Drittel von ihnen tatsächlich davon überzeugt sind, dass es einen Gott, wie er traditionell im Christentum definiert wird, nicht gibt. Ob das irgendwelche Schlüsse zulässt?

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