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Embryo-Manipulation: Gute Aussichten für CRISPR/Cas9-Babys

Neue Fortschritte mit genetisch veränderten Embryonen machen Hoffnung auf medizinische Anwendungen - und lassen Designerbabys unrealistisch erscheinen.
3-D-Illustration eines Fötus in der 15. Schwangerschaftswoche

Der Erbgut-Radierer CRISPR/Cas9 korrigiert auch das menschliche Genom – und das ist eine gute Nachricht. Die jetzt veröffentlichten Details der schon letzte Woche durchgesickerten Ergebnisse lassen wenig Zweifel daran, dass dank CRISPR/Cas9 oder einem verwandten Gene-Editing-Tool früher oder später der erste genetisch veränderte Mensch geboren wird. Das geht vielen zu schnell, und es weckt Ängste.

Tatsächlich aber zeigt die neue Studie, dass zwischen gentechnisch behandelten Erbkrankheiten und dem totalen Designermenschen eine immer größere Lücke klafft: Während die Ergebnisse einen großen Schritt voran in Richtung medizinische Anwendungen gemacht haben, werden die Hürden für künstliche Gene eher größer. Die öffentliche Debatte über Keimbahnmanipulation sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass die Risiken der Technik vage und abstrakt bleiben, während sich der mögliche Nutzen immer konkreter abzeichnet.

Die Veränderungen an menschlichen Embryos, die eine Arbeitsgruppe um Hong Ma und Nuria Marti-Gutierrez von der Oregon Health & Science University in Portland nun in "Nature" veröffentlichte, dürften wohl eine neue Phase der medizinischen Grundlagenforschung einläuten. Das Team reparierte nicht nur einen Gendefekt – wie zwei andere Gruppen zuvor –, sondern umging auch zwei gravierende Hürden, die die Nutzbarkeit des Verfahrens in der Medizin grundsätzlich in Frage stellten.

Je früher, desto besser

Der entscheidende neue Ansatz ist der Zeitpunkt, zu dem CRISPR/Cas9 hier zum Einsatz kam. Es gilt anscheinend: je früher, desto besser. Ma und Marti-Gutierrez injizierten die Genschere zusammen mit einem Spermium direkt in die gerade entstehende Eizelle. Die Gen-Reparatur fand so in einem Teil der befruchteten Eizellen noch vor der ersten Teilung statt. Auf diese Weise verhinderte die Arbeitsgruppe, dass wegen des nicht perfekt zuverlässigen Gene Editing im entstehenden Embryo veränderte und unveränderte Zellen nebeneinander existieren – eines der bedeutsamsten Probleme bei genetischen Veränderungen in der Keimbahn.

Zusätzlich veränderte das CRISPR/Cas9-Konstrukt das Erbgut ausschließlich da, wo es sollte – und nirgendwo anders. Erst im Juni hatte eine Studie an Mäusen Indizien dafür ergeben, dass die Genschere an vielen unerwünschten Orten im Erbgut schneidet. In der neuen Studie machte sich die Arbeitsgruppe deswegen große Mühe, solche als Off-Target-Effekte bezeichneten Erbgutschäden auszuschließen. Die in der Veröffentlichung präsentierten Daten machen zuversichtlich, dass das gelungen ist.

Neben solchen technischen Fortschritten verbirgt sich in der Veröffentlichung eine überraschende Entdeckung mit potenziell großer Tragweite für das Gene Editing. Die Autoren vermuten auf Grund ihrer Daten, dass sie einen neuen Mechanismus der DNA-Reparatur gefunden haben, der sich dem Einschleusen fremder DNA widersetzt. Zwar trat bei einem recht großen Anteil der veränderten Embryos die bei CRISPR/Cas9 erwünschte homologiegeleitete DNA-Reparatur (HDR pathway) auf, mit deren Hilfe man das Erbgut gezielt verändern kann.

Blockieren Eizellen Fremd-Erbgut?

Doch die befruchteten Eizellen lehnten die von der Arbeitsgruppe extra kreierte Reparatur-DNA ab und verwendeten stattdessen das natürliche Gegenstück des schadhaften Gens als Vorlage für die Reparatur. Die vom Gendefekt befreiten Embryos enthielten nach der Reparatur zwei Versionen des von der Eizelle gelieferten gesunden Gens.

Das ist eigentlich gegen die Regeln – andere Zellen nehmen die fremde Vorlage bereitwillig an. Die Forscher vermuten deswegen einen bisher unbekannten Effekt in befruchteten Eizellen. In der Keimbahn, so Ma, Marti-Gutierrez und ihr Team, sei womöglich eine hohe Genauigkeit evolutionär begünstigt, so dass ein beschädigtes Chromosom praktisch immer anhand seines Gegenstücks sorgfältig restauriert werde.

Die Ergebnisse deuten also nicht nur darauf hin, dass Keimbahnmanipulation in Zukunft beim Menschen möglich ist, sondern auch darauf, dass diese Möglichkeit zuerst in sehr spezifischen Situationen funktionieren wird: wenn eben eine erbliche Erkrankung von einer fehlerhaften Genvariante auf einem Chromosom ausgeht. Dann nämlich steht ein gesundes Gegenstück des Gens zur Verfügung, das als Vorlage für die Reparatur dient.

Tatsächliche künstliche Erbgutveränderungen dagegen sind mit diesem Verfahren vermutlich nicht so einfach möglich. Damit bei diesem Verfahren eine designte Vorlage zum Zuge käme, müsste man wohl beide Erbgutstränge gleichzeitig an der gleichen Stelle schneiden und mit hoher Zuverlässigkeit wieder reparieren. Ob in dieser Situation das Verfahren noch gut genug funktionieren würde, sei mehr als fraglich, geben auch die Autoren der Veröffentlichung zu bedenken.

Weg von der Totalverweigerung

Das nun veröffentlichte Experiment ist also keineswegs ein weiterer Schritt hin zu den gefürchteten "Designerbabys", sondern zeigt, dass das Einschleusen von Fremd-DNA womöglich komplizierter ist als gedacht. Dagegen ist die von der Zelle anscheinend bevorzugte Reproduktion des gesunden Allels ein gutes Zeichen für medizinische Anwendungen zu Gunsten von Menschen, die heute noch fürchten müssen, schwere Erbkrankheiten weiterzugeben.

Die öffentliche Debatte um Keimbahnmanipulation sollte diesen Ergebnissen Rechnung tragen. Die ethischen Probleme, die solche Forschungen aufwerfen, sind hinreichend dokumentiert. Es hinterlässt aber einen sehr faden Beigeschmack, wenn wegen abstrakter Bedenken medizinische Forschung auf Grund bestimmter Menschengruppen komplett blockiert wird, wie das heutzutage oft gefordert wird.

Zumal sich die Menschheit entgegen aller Befürchtungen im Umgang mit Bioethik als erstaunlich verantwortungsbewusst erwiesen hat. Die Auseinandersetzung mit Risiken und ethischen Fragen rund um die Technik hat eine lange und durchaus erfolgreiche Geschichte, sei es beim Thema Präimplantationsdiagnostik oder bei Gain-of-function-Mutationen an potenziell gefährlichen Viren. So ist auch die Behauptung Unsinn, die Keimbahnmanipulation eile der gesellschaftlichen Diskussion davon.

Es gibt diese Debatte bereits seit geraumer Zeit, und als Ergebnis wurde in vielen Teilen der Welt die Veränderung lebensfähiger Embryos bereits verboten, bevor überhaupt absehbar war, was solche Techniken leisten können. Resultate wie die aktuelle Studie von Ma und Marti-Gutierrez tragen nun dazu bei, den vor allem von Sorge getriebenen Debatten ein differenzierteres Bild von den Möglichkeiten und Risiken genetischer Veränderungen an Embryos entgegenzusetzen.

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