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Umweltschützer: Das stille Sterben

Mindestens 200 Umweltaktivisten starben letztes Jahr weltweit, weil sie sich gegen Bergbau oder Abholzung engagiert hatten. Einen größeren Aufschrei verursacht das leider nicht.
Ranger in Masai Mara, Kenia

Den Silwa aus Nicaragua, Jennifer Albacite von den Philippinen, der Kolumbianer Orlando Olave oder Jules Kombi Kambale aus der Demokratischen Republik Kongo – Namen, die wahrscheinlich nur sehr wenige Menschen hier zu Lande kennen. Sie gehören zu den rund 200 Umweltschützern, die 2016 in 24 Ländern weltweit getötet worden sind, weil sie sich gegen die Interessen von Bergbau, Landwirtschaft oder Holzindustrie gestellt haben oder Tiere vor Wilderern schützen wollten. Es ist ein trauriger Rekord, den die Nichtregierungsorganisation "Global Witness" zusammengetragen hat. Die Toten sind aber wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs, denn in vielen entlegenen Regionen geschehen die Verbrechen, ohne dass sie richtig registriert werden. Und die Liste erfasst nur die extremsten Beispiele, in denen Menschen im wahrsten Sinn des Wortes mundtot gemacht wurden. Die alltäglichen Drohungen und Erpressungen gegenüber Indigenen, Wildhütern oder Dorfoberhäuptern, die sich der Ausbeutung ihrer Heimat entgegenstellen, kann dieser Bericht niemals in vollem Umfang dokumentieren.

Die Zahl der Ermordeten hat gegenüber 2015 nochmals um 15 Menschen zugenommen, die Zahl der betroffenen Länder hat sich von 16 auf 24 erhöht. Mit Abstand die gefährlichste Nation ist und bleibt Brasilien, woher ein Viertel der getöteten Aktivisten stammt, gefolgt von Kolumbien und den Philippinen. Trotz des Friedensabkommens hat sich die Situation in Kolumbien verschärft – oder gerade deswegen. Denn Minenbetreiber und Agrarunternehmer drängen jetzt in Regionen, die zuvor wegen der FARC-Rebellen als unzugänglich galten, was neue Landnutzungskonflikte verursacht und bestehende verschärft. Vor allem Widerstand gegen Bergbau, Abholzung und Wilderei kann tödlich enden, wie die Statistik zeigt. Und neue Mega-Infrastrukturprojekte wie der geplante Kanal durch Nicaragua führen zu steigenden Todesraten: Seit das Vorhaben konkretisiert wird, nimmt die Zahl der damit zusammenhängenden Ermordungen in dem zentralamerikanischen Staat zu, so dass er bald Honduras als gefährlichsten Ort für Umweltaktivisten (im Verhältnis zur Bevölkerungszahl) ablösen könnte. Überdurchschnittlich häufig sterben zudem Indigene, die sich für ihre Landrechte einsetzen: Sie machen 40 Prozent der Opfer aus.

Nur selten werden diese Morde gesühnt und die Verantwortlichen vor Gericht gestellt – in den meisten Fällen handelt es sich dann zudem um die Handlanger und nicht die Hintermänner der Verbrechen. Vielfach sterben die Aktivisten sogar während öffentlicher Demonstrationen durch Polizei- oder Militärgewalt, ohne dass dies zu größeren Untersuchungen durch die Staatsgewalt führt. Auch international sorgen diese Toten nicht für einen Aufschrei. Wem sagen die oben genannten Menschen schon etwas? Kaum einer von ihnen – oder der Ermordeten der letzten Jahre – machte international Schlagzeilen.

Lästige Kollateralschäden?

Das war vor knapp 30 Jahren noch anders. Damals wurde der brasilianische Kautschukzapfer und Regenwaldschützer Chico Mendes von dem Großgrundbesitzer Darli Alves de Silva und dessen Sohn Darci Alves de Silva in seinem Haus erschossen, weil er sich den illegalen Landaneignungen und Rodungen in seiner Heimat im Bundesstaat Acre entgegengestellt hatte. Weltweit rührten sich Proteste, und die brasilianische Regierung ergriff Gegenmaßnahmen. Schutzgebiete wurden ausgewiesen, und die Mörder wurden sogar zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Heute hingegen scheint es, als würde man die Toten nur als lästige Kollateralschäden verbuchen, die sich der wirtschaftlichen Entwicklung entgegenstellen. Nicht einmal die ermordeten Ranger in afrikanischen Nationalparks erfahren größere Aufmerksamkeit, obwohl sie gegen international agierende Banden gekämpft haben, die mit modernsten Waffen und Fahrzeugen die Schutzgebiete plündern. Das damit erwirtschaftete Geld treibt Bürgerkriege in Afrika an, finanziert den internationalen Terror – und untergräbt damit die globale Sicherheit. Dennoch lässt man diese Menschen und ihre Angehörigen mit ihrem Schicksal weitgehend allein.

Dabei gäbe es Möglichkeiten, das Konfliktpotenzial und damit die Zahl der ermordeten Aktivisten zu reduzieren. Im März 2017 verabschiedete die Europäische Union etwa eine Richtlinie, die Importeure so genannter Konfliktminerale zu Transparenz und Sorgfaltsüberprüfungen verpflichtet. Sie müssen nachweisen, dass zum Beispiel Coltan aus dem Kongo oder Gold aus Myanmar nicht von Händlern stammen, die mit den Einnahmen Waffenkäufe tätigen. Die Verordnung hat nach Ansicht von Kritikern noch einige Lücken, ist aber immerhin ein erster Schritt. Sie umfasst beispielsweise nur vier Rohstoffe (Tantal, Wolfram, Zinn und Gold) aus wenigen Ländern. Langfristig könnte diese Verordnung stark ausgebaut werden und Gold aus dem Amazonasbecken in Peru ebenso umfassen wie Rosenholz aus Madagaskar. Doch dafür müsste die Zivilgesellschaft endlich ihr Desinteresse am Schicksal ferner Umweltschützer überwinden – das wird schwer genug.

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