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Lobes Digitalfabrik: Verhalfen Bots der AfD zum guten Ergebnis?

Mit knapp unter 13 Prozent zieht die AfD in den nächsten Bundestag ein. Welche Rolle spielten dabei die sozialen Medien und Bots in der digitalen Kommunikation?
Parteien symbolisiert durch bunte Bärchen

Es ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik: Zum ersten Mal seit 1949 sitzt mit der AfD eine in Teilen rechtsextreme Partei im Deutschen Bundestag. Die Maske fiel schon am Wahlabend. "Wir werden sie jagen", sprach AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland in die Mikrofone, "wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen – und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Und zeigte damit, wes Geistes Kind er offensichtlich ist. Schon in den Diskussionsrunden am Wahlabend begannen die Schuldzuweisungen: Wer hat Schuld am Aufstieg der AfD, die als drittstärkste Kraft ins Parlament einzieht? Die Große Koalition, die keine starke Opposition im Bundestag zuließ und gesellschaftliche Debatten nicht austrug? Die Flüchtlingskrise, die den Rechten Zulauf bescherte? Das vermeintliche "Meinungskartell" der etablierten Parteien und Medien?

Doch eine wichtige, vielleicht entscheidende Frage lautet: Welche Rolle spielten Maschinen – Bots, Automaten, Suchmaschinen – im Wahlkampf? Die AfD kündigte im vergangenen Jahr als einzige Partei an, Bots, also Computerprogramme, die automatisiert Meinung generieren, in ihrer Kampagne einzusetzen. "Selbstverständlich werden Social Bots in unserer Strategie im Bundestagswahlkampf bedacht werden", sagte Spitzenkandidatin Alice Weidel im Oktober dem "Spiegel". Wenig später dementierte die Partei den Einsatz automatisierter Skripte. Doch in sozialen Netzwerken identifizierten Forscher weiterhin zahlreiche Bots. Laut einer aktuellen Untersuchung des Digital Forensic Research Lab (DFRLab) sollen in den letzten Stunden vor der Abstimmung von einem russischen Bot-Netz ausgehend massenhaft Tweets zur Unterstützung der AfD verbreitet worden sein.

So geisterten zahlreiche Warnungen vor Wahlbetrug und Manipulationsversuchen durchs Netz. Eine angebliche Twitter-Nutzerin namens "@von_Sahringen" – vielleicht ein Fake-Account, vielleicht ein Satire-Account oder laut "Motherboard ein Troll aus dem Siff-Twitter-Bereich – postete am Morgen des Wahltags: "Ich bin als Wahlhelferin berufen worden. Am Sonntag werden AfD-Stimmen ungültig gemacht." Versehen war die Androhung mit einem Smiley. Das heizte die Stimmung im Netz zusätzlich an. Der Post provozierte einen Proteststurm von Pro-AfD-Accounts, der Hashtag "Wahlbetrug" wurde schlagartig zum "Trending Topic" auf Twitter. Sogar der Bundeswahlleiter schaltete sich in die Diskussion ein und teilte von seinem offiziellen Account mit: "Wahlfälschung ist strafbar. Der Wahlvorstand hat seine Aufgaben unparteiisch auszuführen." Offenbar merkte der Behördenleiter nicht, dass er einem Fake aufsaß und die ganze Aufregung umsonst war. Doch sollte es sich bewahrheiten, dass ein russisches Bot-Netz in den entscheidenden Stunden vor dem Wahltag Gerüchte streute, wäre dies ein einmaliger und gleichsam unzulässiger Eingriff in die Demokratie.

Bots torpedieren den Gedanken einer offenen Debatte, an der jeder gleichberechtigt teilnehmen kann, weil sie durch ihre schiere Masse und Effizienz (Minder-)Meinungen unterdrücken können. In einer Kurzstudie ("Invasion der Meinungs-Roboter", PDF) für die Konrad-Adenauer-Stiftung warnt der Politikwissenschaftler Simon Hegelich vor den Gefahren, die Bots für das politische System haben können. "Bots manipulieren die Trends in sozialen Netzwerken und diese Trends fließen in politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse ein. (...) Im schlimmsten Fall verleiten sie aber Politiker dazu, in ihren Statements oder sogar in ihrer Politik auf solche Trends einzugehen, wodurch die Position, für die die Bots stehen, unter Umständen einen Zuspruch erhält, den die Bots alleine nicht erreicht hätten." Haben Bots der AfD zur Wahl verholfen? Haben möglicherweise Computer die Wahl entschieden? Welchen Einfluss Meinungsroboter auf die Wählerpräferenzen und letztlich das Wahlergebnis haben, ist in der Wahlforschung umstritten. Unzweifelhaft ist, dass Bots das Meinungsklima vergiften und einen erheblichen diskursiven Flurschaden verursachen.

Die Rolle von Google

Der Wahlerfolg der AfD kommt nicht überraschend. Google Trends registrierte in den Tagen vor der Wahl ein erhöhtes Suchinteresse nach der AfD. Frontfrau Alice Weidel war häufig die drittmeist gesuchte Kandidatin. Aus den Suchanfragen lässt sich durchaus eine Wahlabsicht ableiten. Womöglich wusste Google schon vor allen anderen, wie das Wahlergebnis aussieht. Zumindest waren die Google-Daten bei der US-Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr genauer als die der Demoskopen. Doch das ist gleichsam das Problem. Die meinungsbildenden Prozesse werden immer computerisierter – und damit auch manipulierbar. Wenn man in Google den Suchbegriff "Merkel" eingibt, schlägt die Funktion AutoComplete "muss weg" vor. Viel naheliegender wären eigentlich die Ergänzungen "Bundeskanzlerin" oder "CDU". Das Phänomen ließ sich über mehrere Monate hinweg beobachten. Gibt es dafür eine technische Erklärung? Und ist es nicht problematisch, dass die Suchmaschine mit diesem tendenzösen Mechanismus zum Sprachrohr von Pegida und Rechtspopulisten wie der AfD wird?

Auf Anfrage teilt Google Deutschland mit: "Die automatische Vervollständigung von Google wird algorithmisch, basierend auf den Suchaktivitäten der Nutzer, generiert. Nutzer suchen nach einer Vielzahl verschiedenster Informationen im Internet – jeden Tag erhalten wir 15 Prozent neue Suchanfragen. Aus diesem Grund können Begriffe, die in der automatischen Vervollständigung angezeigt werden, unerwartet oder unangenehm sein."

Es wäre unbillig, Google eine Manipulation vorzuwerfen und eine Mitschuld am Erfolg der AfD zu geben, die ja demokratisch gewählt wurde. Doch indem die Suchmaschine bestimmte Begriffe suggeriert, erreicht sie, dass häufiger danach gesucht wird. Die Verzerrung wird perpetuiert, das Meinungsbild zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Google ist keine neutrale Informationsplattform, sondern ein Unternehmen, das kommerzielle Interessen verfolgt – was per se nicht illegitim ist, aber in der politischen Willensbildung für Verwerfungen sorgt. Wenn man den Begriff "Ideenstaubsauger", mit dem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz Merkels Opportunismus in der "Berliner Runde" geißelte, in Google sucht und danach auf den Dienst News wechselt, werden Angebote für Bodenstaubsauger angezeigt.

Das mag erheiternd und vielleicht ein Bug sein. Doch es macht deutlich, dass eine politische Anfrage algorithmisch in ein Kaufinteresse umkodiert wird. Und es zeigt das ganze Dilemma, dass politische Willensbildung zunehmend auf Werbeplattformen stattfindet. Die Parteien im Deutschen Bundestag müssen nun Sondierungs- und Koalitionsgespräche führen. Doch über den Einfluss von Maschinen auf diese Wahl wird noch zu reden sein.

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