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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn es keinen Sex gäbe?

Es gilt als die schönste Sache der Welt. Doch brauchen wir den Sex wirklich? Unser Kolumnist Vince Ebert fragt sich, ob Klonen nicht auch eine Alternative wäre.
Der Kabarettist Vince Ebert

Hand aufs Herz: Was konkret würden Sie für dauerhaft guten Sex eintauschen? 20 Prozent Ihres Gehalts? 10 Punkte Ihres IQs? Ihren Ehepartner?

Was sich die Natur für einen Stress macht, nur um an Geschlechtsverkehr zu kommen. Wale fressen sich monatelang am Südpol einen Ranzen an, bis sie fast platzen. Dann hören sie plötzlich auf zu fressen, schwimmen nach Südafrika und paaren sich dort, bis sie vollkommen abgemagert sind. Und ein Jahr darauf geht das Ganze wieder von vorne los. Ein bisschen erinnert das an den früheren Lifestyle von Joschka Fischer.

Wenn es um die Möglichkeit von Geschlechtsverkehr geht, machen wir die idiotischsten Dinge. Und bis zum heutigen Tag gibt es kein Medikament, das den Sexualtrieb zuverlässig und ohne starke Nebenwirkungen unterdrückt. Man muss allerdings auch sagen, dass die Wissenschaft nicht gerade mit Hochdruck daran forscht.

Dabei ist erdgeschichtlich gesehen Sex eine relativ neue Erfindung. Über 2,5 Milliarden Jahre ist die Natur ohne ihn ausgekommen. Okay, so richtig viel herausgekommen ist dabei nicht. Zumindest, was die Optik angeht. Sexlose Lebewesen wie Bakterien sind total schlabberig und extrem zwergwüchsig. Man kann zur Sexualität stehen wie man will, aber fürs Aussehen ist sie nicht unbedingt schlecht.

Freie Marktwirtschaft für Gene!

Dafür ist die asexuelle Fortpflanzung wesentlich praktischer. Bakterien vermehren sich, indem sie sich einfach nur teilen. Die schnellsten schaffen eine vollständige Teilung in etwa 20 Minuten. So kann bei guter Nährstoffzufuhr eine primitive Salmonelle am Tag bis zu 200 Milliarden Nachkommen produzieren, weswegen sie unter Mikrobiologen auch als der "Julio Iglesias unter den Mikroben" bezeichnet wird.

Auch Blattlausweibchen brauchen nicht unbedingt einen Geschlechtspartner, um sich zu vermehren. Sie können vaterlose, weibliche Nachkommen gebären, und der im Leib der Mutter befindliche Embryo kann seinerseits wiederum einen noch kleineren, weiblichen Embryo in sich tragen. So kann ein Blattlausweibchen gleichzeitig eine Tochter und eine Enkelin gebären, die ihrerseits eineiige Zwillinge sind. Das sind Verwandtschaftsverhältnisse wie bei mir im Odenwald.

So einfach, schnell und effizient die asexuelle Fortpflanzung ist, einen entscheidenden Nachteil hat sie: Das Ergebnis ist nicht besonders abwechslungsreich. Bei jeder Zellteilung wird die DNA einer Ursprungsbakterie einfach nur reproduziert. Die nahezu einzige Chance, dass sich das Genom einer solchen Zelle verändert, liegt in der Mutation. Darunter versteht man eine kleine, zufällige Veränderung im Erbgut, die allerdings große Auswirkung für die Evolution haben kann. Ist zum Beispiel eine mutierte Tochterbakterie widerstandsfähiger als seine Mutterbakterie, wird sich dieser Kopierfehler evolutionär durchsetzen, da ihre Nachkommen in höherer Zahl überleben.

Doch auch wenn Mutationen bei Bakterien sehr mächtig sind, so erzeugt die ungeschlechtliche Vermehrung letztlich nur "more of the same". Geklonte Einzeller, die alle in die gleiche Richtung denken. Wenn sie überhaupt denken. Denn Klone bedeuten vor allem intellektuellen Stillstand.

Machen Sie sich einfach mal die Mühe und fahren Sie montagmorgens an den Frankfurter Flughafen. Dort können Sie moderne Business-Klone in ihrem natürlichen Habitat beobachten: 35-jährige, heterosexuelle, golfspielende, 1,80 große Unternehmensberater, die in ihren anthrazitfarbenen Anzügen, standardisierten Rollkoffern und Laptoptaschen zum Kunden ausschwärmen. Gleichgeschaltet wie eine Armee. Flexibel wie eine Fichtenplantage.

Möglicherweise war das ja der eigentliche Grund, weshalb die Evolution vor rund 900 Millionen Jahren flächendeckend die freie Liebe einführte – und plötzlich kam Dynamik in die Sache! Obwohl das Verfahren wesentlich anstrengender ist als reine Zellteilung, ermöglicht die sexuelle Fortpflanzung Fortschritt und Innovation. Denn durch die Vermischung von unterschiedlichem Erbmaterial entsteht bei den Nachkommen eine wesentlich größere genetische Variationsbreite. Sex ist gewissermaßen freie Marktwirtschaft für Gene. So entstanden in relativ kurzer Zeit die unterschiedlichsten Kreaturen: Warzenschweine, Cockerspaniel, Skorpionfliegen – ja selbst Unternehmensberater.

Die Erfindung des Sex führte also zu Vielfalt, Flexibilität und nicht zuletzt: zu einer unfassbaren Fantasie. Können Sie sich vorstellen, dass der erste Dildo bereits vor rund 30 000 Jahren erfunden wurde? Somit ist der Dildo wesentlich älter als das Rad. Und ich bin mir sicher, wenn das Ding damals schon vibriert hätte, wäre es zum Rad überhaupt nicht mehr gekommen.

Wenn Sie mehr über den Wissenschaftskabarettisten und Bestsellerautor wissen möchten, besuchen Sie Ihn auf seiner Homepage www.vince-ebert.de oder auf Facebook unter facebook.com/Vince.Ebert

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