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Vince Ebert extrapoliert: Was wäre, wenn es unser Universum schon immer gäbe?

Warum erleuchten ein paar Scheinwerfer nachts ein Stadion, nicht aber unzählige Sterne im Universum unseren Nachthimmel? Das fragt Wissenschaftskabarettist Vince Ebert.
Der Kabarettist Vince Ebert

Schaut man in den nächtlichen Sternenhimmel, ist er pechschwarz. Selbst in klaren Nächten sieht man die Sterne nur als schwache Lichtpunkte flackern, die in bestimmten Konstellationen zueinander stehen. Dieser Anblick war für die Entstehung unsere Sternbilder verantwortlich: Die Menschen blickten nach oben und gaben den Sternenkonstellationen Namen, die sie an Dinge erinnerten, mit denen sie täglich konfrontiert waren: Schützen, Waagen oder Jungfrauen. Würde die Astrologie heute erfunden werden, würden die Sternbilder wahrscheinlich »Zündkerzenschlüssel« oder »Smartphone« heißen: »Hallo, ich bin Milchaufschäumer mit Aszendent Immobilienmakler …«

Tatsächlich besteht unser Universum im Wesentlichen aus einem dunklen, riesengroßen »Nichts« – so ähnlich wie Ostwestfalen. Es gibt dort ein paar Stellen, an denen was los ist, aber gemessen an der Ausdehnung des Ganzen sind das Einzelfälle. Teilweise können Sie eine Milliarde Lichtjahre zurücklegen, ohne auf eine einzige Leuchte zu treffen. Ich rede jetzt übrigens nicht mehr von Ostwestfalen.

Die mittlere Dichte unseres Universums beträgt ein Proton pro Kubikmeter. Das ist unvorstellbar wenig. Allein in einem i-Punkt tummeln sich 500 Billionen Protonen. Die Dinger sind so klein, wenn Ihnen da mal eins runterfällt – das finden Sie praktisch nie wieder!

Und der Rest von diesem Kubikmeter ist leer. Würde man die gesamte Materie des Universums in ein Sandkorn packen, dann wäre das Nichts um dieses Sandkorn herum ein Würfel mit einer Seitenlänge von 10 000 Kilometern. Und bei dieser Schätzung sind Schwarze Löcher und Dunkle Materie noch gar nicht mit berücksichtigt! So wenig Inhalt und so viel nutzlose Verpackung – das kennt man sonst eigentlich nur vom Einpackservice in Douglas-Parfümerien.

Folglich scheint es logisch, dass unser Nachthimmel schwarz ist. Schließlich ist es in Paderborn nach Sonnenuntergang auch stockfinster. Doch so einfach ist es nicht. Gemessen an seiner Größe ist das Weltall zwar ziemlich leer, aber die Anzahl der leuchtenden Objekte ist dennoch riesig. Allein in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, tummeln sich rund 200 Milliarden Sterne. Und von diesen Galaxien gibt es im All immerhin 150 Milliarden gut sichtbare – und viele, viele schwächere mehr!

Das bedeutet: Ganz gleich, in welche Richtung ich in den Nachthimmel blicke, irgendwann trifft mein Auge zwangsläufig auf einen leuchtenden Stern. Müsste dann aber der Nachthimmel nicht eigentlich taghell sein?

Einer der Ersten, der diesen Widerspruch erkannte, war der deutsche Astronom Heinrich Wilhelm Olbers im Jahr 1826. Ein ziemlich helles Köpfchen. Olbers ging von einem Universum aus, das schon immer da war. Anfang des 19. Jahrhunderts war das die einzig logische Erklärung. Das Universum musste schon immer existiert haben, da Gott auch schon immer existierte.

Heute wissen wir, dass unser Universum einen definierten Anfang hat. Vor 13,8 Milliarden Jahren – die Älteren können sich noch dran erinnern – ist unser Universum quasi aus dem Nichts entstanden. Innerhalb weniger Minuten hat sich fast die gesamte Materie gebildet, und seitdem bläht sie sich auf. Immer größer, immer schneller. Manche Forscher glauben sogar, dass diese Expansion irgendwann zum Stillstand kommt und das Universum wieder komplett in sich zusammenfällt. Klingt vielleicht ein bisschen utopisch, aber wer vor einiger Zeit sein Geld bei Lehman Brothers investiert hat, weiß, was ich meine.

Doch was hat der Urknall mit der Frage zu tun, warum es nachts dunkel wird? Eine ganze Menge. Denn Licht benötigt Zeit, um durch das Weltall zu gelangen. Hätte unser Universum schon immer existiert, wie Heinrich Wilhelm Olbers annahm, dann wäre das Licht von jedem einzelnen Stern bereits zu uns gewandert und somit am Himmel sichtbar. Die Nacht wäre taghell. Dass sie dunkel ist, liegt daran, dass uns das Licht von den meisten Sternen, die dort draußen leuchten, noch nicht erreicht hat und uns, auf Grund der permanenten Ausdehnung, möglicherweise auch nie erreichen wird, da der Abstand zwischen der Lichtquelle und uns ja immer größer wird. Das wiederum führt dazu, dass das Licht auf diesem langen Weg Energie verliert, immer langwelliger und damit für uns immer schlechter erkennbar wird. Und das ist nur möglich, weil das Universum nicht unendlich alt ist, sondern einen definierten Beginn hat.

Sehen Sie, deswegen liebe ich die Physik: Eine vollkommen banale Frage führt zum Ursprung von allem. Denn ein Blick in den Sternenhimmel offenbart nicht nur die Zukunft, sondern auch die Vergangenheit. Würden uns heute Bewohner unserer Nachbargalaxie Andromeda mit einem Teleskop beobachten, so sähen sie die Erde, wie sie vor 2,5 Millionen Jahren war. So lange benötigt unser Licht, um dorthin zu gelangen. Sie würden also nicht die Einwohner von Berlin, Tokio oder New York sehen, sondern Primaten, die in kleinen verstreuten Horden leben, mit ein paar Lauten kommunizieren und fremden Artgenossen argwöhnisch gegenübertreten. Was andererseits wieder an Ostwestfalen erinnert.

Mehr über den Kabarettisten, Autor, Moderator und Physiker unter www.vince-ebert.de.

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