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Energiewende: Wider den Gegenwind

Trotz hoher Kosten: Am Ausbau der Windkraft auf dem Meer führt kein Weg vorbei. Denn nirgends weht der Wind konstanter.
Daniel Lingenhöhl

Die überwiegende Mehrheit der Deutschen ist für die Energiewende weg von den fossilen Brennstoffen und vor allem von der Kernkraft hin zu den Erneuerbaren, die auf Wind, Wasser und Sonne basieren. Will man der Umfrage eines der größten deutschen Ökostromanbieters trauen, sind sogar 87 Prozent der Bundesbürger überzeugt davon, dass diese Wende gelingen kann. Und ein Großteil davon ist wohl auch bereit, dafür höhere Kosten zu tragen.

Doch nun mahnt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) in einem Artikel der "Frankfurter Rundschau" vor einer Kostenexplosion ausgerechnet durch eine der Säulen der Energiewende: die Offshore-Windkraft – also jene riesigen Windräderparks in Nord- und Ostsee, in denen nach dem Willen der Politik bis 2030 etwa 25 Gigawatt Leistung installiert sein sollen. Um das zu erreichen, fließen gegenwärtig reichlich Subventionen in die Sparte: 19 Cent pro Kilowattstunde soll es in den ersten Betriebsjahren an Vergütung geben, für den Aufbau bewilligt die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) günstige Finanzierungskonditionen für Milliardenbeiträge.

Gegen diese Gelder erhebt sich nun Widerstand, denn sie machen den Strom für die Verbraucher teurer. Stattdessen solle man doch die Offshore-Pläne der Bundesregierung zusammenstreichen: Statt der veranschlagten zehn Gigawatt bis 2020 genügten drei Gigawatt, so der VZBV. In der Tat stellen Aufbau, Betrieb und Wartung von Offshore-Windparks die beteiligten Unternehmen vor große technische und infrastrukturelle Herausforderungen: Aggressives Meersalz greift Turbinen und Masten an und lässt sie schneller korrodieren, Serviceteams können nicht mal eben rausfahren und auf die Schnelle technische Probleme beheben, es fehlt offenbar an Spezialschiffen für die Konstruktion und Wartung, und der Strom muss über Bodenkabel an Land gebracht und dort verteilt werden. Zudem mahnen Energieversorger schon seit Jahren, dass Überlandleitungen fehlen, um den an den Küsten produzierten Strom zu den großen Verbraucherzentren in Süddeutschland zu transportieren.

Alle diese Faktoren sind kostentreibend und lassen sich zum Teil nur langsam durch den technologischen Fortschritt in den Griff bekommen. Sie werden aber durch einige Vorteile mehr als aufgewogen: Im Gegensatz etwa zum Binnenland weht hier der Wind fast das ganze Jahr über gleichmäßig und ausdauernd. Eine Studie der Europäischen Umweltbehörde EEA errechnete – unter sehr konservativen Vorgaben – ein Potenzial von EU-weit 2600 Terawattstunden, konzentriert auf die Meeresgebiete der Nordsee und des Nordatlantiks. Zum Vergleich: Deutschlands gesamte Bruttostromerzeugung belief sich 2011 auf etwas mehr als 600 Terawattstunden. Verschiedene Umweltverträglichkeitsstudien zeigten außerdem bereits, dass die Anlagen der Tierwelt entweder kaum schaden, weil Vögel sie umfliegen, oder sogar nutzen, da Fischer die Parks meiden.

Ganz anders stellt sich die Situation mittlerweile an Land dar: Viele Bürger beklagen sich über die "Verspargelung der Landschaft", seltene Arten leiden, weil sie Opfer der Rotoren werden – Windräder stehen auf dem Festland in Bereichen guter Thermik, die eben auch von Großvögeln genutzt werden –, und die Errichtung der Anlagen verbraucht land- oder forstwirtschaftliche Nutzflächen. Eine deutliche Ausweitung der Windkraft an Land dürfte also auch zukünftig auf Protest, Kritik und Ablehnung stoßen.

Um die Energiewende voranzutreiben, führt also kein Weg am Ausbau der Offshore-Windparks vorbei, auch wenn dies mit entsprechenden Investitionen verbunden ist. Um diese Kosten zu senken und den Arbeitsaufwand zu minimieren, gilt es daher, die Anstrengungen auf hoher See stärker zu bündeln. Die bisher genehmigten Anlagen verteilen sich einem Flickenteppich gleich über die Deutsche Bucht – entsprechend viele Leitungen mit ihren Umspanneinrichtungen müssen verlegt und installiert werden. Hier muss bei zukünftigen Genehmigungsverfahren angesetzt und entsprechend steuernd eingegriffen werden. Andere Schwierigkeiten lösen sich im Zuge des Ausbaus bereits von selbst: So steigt die Zahl der benötigten Errichterschiffe stetig, und mehr Häfen stellen die Infrastruktur für die Windanlagenbauer zur Verfügung. Mit zunehmendem Wettbewerb sinken die Preise, was dann aber auch entsprechend zum Subventionsabbau führen muss. Wenn man dies den Bürgern transparent aufzeigt und erklärt, steht sicherlich die Mehrheit weiterhin hinter der Offshore-Windkraft: Politik und Erzeuger müssen diese Ehrlichkeit nur wagen.

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