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Wissenschaftlicher Nachwuchs: Wie gut sind die Chancen auf eine Professur?

Ist die wissenschaftliche Karriere eine Sackgasse? René Krempkow rechnet vor, wie sich die Berufungschancen des wissenschaftlichen Nachwuchses wahrscheinlich entwickeln.
Eine Frau etwa Ende 30 im Vordergrund, Hörsaalsitze mit jungen Menschen im Hintergrund.

In jüngster Zeit gab es in verschiedenen Medien und Blogs eine lebhafte Diskussion zu den langfristigen Chancen von Promovierten im Wissenschaftssystem. Ausgelöst hat sie der kürzlich veröffentlichte Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017. Dabei wurden neben der auf 93 Prozent gestiegenen Befristungsquote vor allem die Zahlen zu Berufungschancen für Promovierte thematisiert. Die Berufungschancen schwanken in der Diskussion von 1 : 300, wie sie FU-Berlin-Präsident Peter André Alt nannte, bis zu 1 : 1,4 (also fast 1 : 1, dort aber für "Berufungsqualifizierte") vom ehemaligen Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft und BuWiN-Beiratsvorsitzenden Karl Ulrich Mayer. In den weiteren Diskussionen ging und geht es unter anderem darum, inwiefern die Zahlen aus dem BuWiN eine Orientierung zu Berufungschancen geben können und inwieweit eine Orientierung dazu sowie fächerspezifische Berechnungen im BuWiN möglich sind.

Auch Mayer forderte zu weiteren Alternativrechnungen und -simulationen auf. Denn: "Das potenzielle Problem ist nicht nur für die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler viel zu wichtig, um Ad-hoc-Spekulationen überlassen zu bleiben." Dem ist zweifellos zuzustimmen. Daher folgt hier ein Vorschlag, der das diskutierte Problem der Berechnung von Berufungschancen aufgreift, auch mit Beispielen unter Berücksichtigung der Fächerspezifik:

René Krempkow

Ein Berechnungsvorschlag

Im BuWiN (2017, S. 194) finden sich lediglich einige fächerunspezifische Zahlen zu Berufungschancen aus einer GWK-Analyse (auf die auch Mayer hinweist). Diese zeigen für 2014 ein Verhältnis von insgesamt 45 378 Bewerbungen zu insgesamt 2 007 erfolgreichen Berufungen, wonach rein statistisch durchschnittlich jede 24. Bewerbung (oder vier Prozent aller Bewerbungen) auf eine Professur erfolgreich war. Allerdings wurden dort Neuberufungen und Weg-Berufungen (von Professur-Inhabern) sowie Juniorprofessuren (bislang fast immer ohne echten Tenure Track) zusammengefasst.

Neuberufungen auf Dauerstellen gab es laut BuWiN (2017, S. 191) im Jahr 2014 aber nur 872, das heißt Durchschnittlich nur jede 52. Bewerbung (oder rund zwei Prozent aller Bewerbungen) war zuletzt erfolgreich im Sinne eines dauerhaften Verbleibs in der Wissenschaft. Ein Problem bei diesen Zahlen zu Berufungschancen ist aber (neben deren mangelnder Fächerspezifik), dass sie aus der Vergangenheit direkt auf die Zukunft schließen, ohne die voraussichtlich tatsächlich frei werdenden Professuren zu berücksichtigen.

Eine Näherung zu Berufungschancen auf Basis der voraussichtlich tatsächlich frei werdenden Professuren ist meines Erachtens möglich, wenngleich nur grob: Dies ginge als Relation der entsprechend Vorqualifizierten (eigentlich Postdocs, hilfsweise hier Promovierte von 2007 bis 2014 aus dem BuWiN (2017, S. 94) zu altersbedingt ausscheidenden Professoren 2017 bis 2024 im BuWiN (2017, S. 195). Eingrenzen könnte man die Schätzung noch, wenn man nur den Anteil derjenigen Promovierten einbezieht, die 2015 angaben, eine Professur anzustreben, zum Beispiel aus einer Stifterverbands/DZHW-Studie (2016, S. 32, siehe auch den SciLogs-Blogbeitrag dazu).

Von 5 bis 20 Prozent

Hier einige derartige Rechenbeispiele zu Berufungschancen:

Ingenieurwissenschaften: 21 688 * 0,22 / 952 = 5,0.
Das heißt, grob geschätzt etwa jede/r 5. (oder 20 Prozent) derjenigen, die dies anstreben, hat hier durchschnittlich eine Chance auf eine Professur.

Sprach- und Kulturwissenschaften: 22 326 * 0,60 / 1735 = 7,7.
Das heißt, grob geschätzt etwa jede/r 8. (oder 13 Prozent) derjenigen, die dies anstreben, hat hier durchschnittlich eine Chance auf eine Professur.

Mathematik/Naturwissenschaften: 65 942 * 0,36 / 1865 = 12,7.
Das heißt, grob geschätzt etwa jede/r 13. (oder 7 Prozent) derjenigen, die dies anstreben, hat hier durchschnittlich eine Chance auf eine Professur.

Rechts-/Wirtschafts-/Sozialwissenschaften: 28 882 * 0,59 / 879 = 19,4.
Das heißt, grob geschätzt etwa jede/r 20. (oder 5 Prozent) derjenigen, die dies anstreben, hat hier durchschnittlich eine Chance auf eine Professur.

Analog könnte dies für weitere Fächergruppen berechnet werden, wobei deren Werte voraussichtlich irgendwo im Spektrum der Werte in der obigen Liste liegen werden (und damit deutlich entfernt sind von den sehr ungünstigen und den sehr günstigen eingangs erwähnten Werten).

Hierbei ist mir bewusst, dass die auf diese Weise berechneten Quoten etwas zu positiv geschätzt sind, weil der BuWiN 2017 nur die Promovierten der letzten acht Jahre ausweist, die altersbedingt ausscheidenden Professuren fachspezifisch aber für zehn Jahre. Positiv die Quoten beeinflussen werden allerdings die geplanten 1000 Tenure-Track-Professuren, so dass sich dies zumindest teilweise wieder ausgleichen dürfte. Das kann ich hier leider nicht berücksichtigen; denn deren Fächerverteilung muss sich erst noch zeigen.

Es ist also in der Tat nicht so einfach mit den Zahlen - und mit den im BuWiN 2017 verfügbaren Daten können nur grob die Berufungschancen abgeschätzt werden. Aber gerade deshalb sollte für eine so weit wie möglich realistische Abschätzung der Verbleibschancen im Wissenschaftssystem das Beste aus den verfügbaren Zahlen zu machen versucht werden, und auf längere Sich sollte eine bessere Datenbasis und -aufbereitung geschaffen werden. Dies dürfte dann auch dabei helfen, Nachwuchsforschenden eine bewusste Entscheidung für oder gegen einen dauerhaften Verbleib im Wissenschaftssystem zu ermöglichen und letztlich den Besten gewinnen zu helfen.

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