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Lexikon der Astronomie: Astronomie

astron: Stern, Gestirn, Himmel

Etymologie und Geschichte

Die Astronomie (astron, grch.: Stern, Gestirn, Himmel) ist die Stern- oder Himmelskunde und gilt als die älteste unter den Naturwissenschaften. Offenbar hat sich der denkende Mensch früh gefragt, welche Ereignisse am Himmel geschehen. Das verwundert nicht, dominiert doch schon der Lauf der Sonne, des nächsten Sterns (Entfernung: durchschnittlich etwa 150 Mio. Kilometer, eine Astronomische Einheit oder acht Lichtminuten), unseren Tagesablauf durch den Wechsel von hell und dunkel. Die Mondphasen, die hellen Planeten und das rotierende Firmament rufen auch bei blanker Unkenntnis Faszination und Erstaunen hervor. Die erwachsende Neugierde ist deshalb eine natürliche Konsequenz und mündete in ein Hinterfragen und Erforschen des Himmels. Zu Beginn der Menschheitsgeschichte spielte die rituelle Verehrung von Himmelsobjekten eine große Rolle. Das beobachtet man auch heute noch in Form von Rudimenten in vielen Kulturkreisen und wenigen Naturvölkern, denen die moderne Zivilisation verschlossen blieb. Unkenntnis und Unverständnis schüren Ehrfurcht und Furcht. Die Verehrung und zeremonielle Handlungen sollten die Naturkräfte besänftigen. In vielen Kulturen bildeten sich so polytheistische Religionen aus, in denen Naturgottheiten verehrt wurden und werden.
Die häufige Beobachtung des Himmels führte allerdings auch auf die Entdeckung von Regelmäßigkeiten und periodischer Ereignisse. Triviale Beispiele sind der Wechsel von Tag und Nacht, die Mondphasen sowie die Jahreszeiten. Damit wurde das Himmelsgeschehen vorhersagbar, was die Geburtsstunde astronomischen Wissens markiert. Wer in die Zukunft blicken kann, hat Macht. Die astronomischen Kenntnisse weniger Hüter des Wissens wurde von Anfang an auch missbraucht, um Unkundige zu beeindrucken und an sich zu binden. Die Astronomie entwickelte sich deshalb zusammen mit der Astrologie und den Religionen. Ursprünglich wurde auch die Sternkunde als Wissenschaft mit dem griechischen Wort astrologia bezeichnet. Beeindruckende Beispiele der Verschmelzung von Astronomie und Astrologie sind die ältesten Menschheitskulturen wie die Babylonier in den vor- und die Maya im nachchristlichen Jahrtausend. In beiden Kulturen nutzten Priesterastronomen geschickt ihre fortgeschrittenen Kenntnisse des Himmels. Weitere Details dieser historischen Entwicklung entnehmen Sie bitte dem Essay Der Sternenhimmel.

Geburtsstunde der wissenschaftlichen Beobachtung

Spätestens das Zeitalter der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert markiert einen Wendepunkt, an dem sich die Astronomie als Naturwissenschaft emanzipierte. Die Erfindung des Fernrohrs im Jahr 1608 durch den Holländer Hans Lipperhey ermöglichte die Entdeckung bisher unsichtbarer Geschehnisse am Himmel. Ein Pionier der beobachtenden Astronomie ist Galileo Galilei, der das holländische Fernrohr benutzte. Später modifizierte Johannes Kepler (1571 – 1630), dieses Fernrohr, indem er als Okular die Zerstreuungslinse durch eine Sammellinse ersetzte. Dieses astronomische Fernrohr heißt Kepler-Fernrohr. Die damit aufkommenden experimentellen Erfolge und das Entwickeln einer wissenschaftlichen Methodik legten den Grundstein der modernen Astronomie: Wie in allen Naturwissenschaften wird auch das astronomische Weltbild durch Experimente und Theorien aufgebaut (Das Konzept wird in zwei weiteren Essays Die wissenschaftliche Methode und Alles graue Theorie? tief greifend behandelt). Die Experimente sind jederzeit wiederholbar, d.h. reproduzierbar und werden durch ein physikalisches Modell, einer Theorie, erklärt. In der Astronomie gibt es sozusagen ein 'Himmelslabor'. Da der irdische Wissenschaftler hier nicht viel Einflussmöglichkeiten hat spricht man bei den Experimentatoren in der Astronomie von den Beobachtern. Sie beobachten den Himmel mit den unterschiedlichsten Messgeräten (Detektoren), vor allem mit Teleskopen, und dokumentieren diese Beobachtung. Die Theoretiker entwickeln zu diesen Beobachtungen ein physikalisches Modell, das in vielen Einzelheiten die Beobachtung erklärt, indem es die Ursache(n) für das beobachtete Ereignis entlarvt. Im engeren Sinne meint man mit dem Begriff Astronomie heute den beobachtenden Zweig dieser Naturwissenschaft (Empirie, Praxis) und mit dem Begriff Astrophysik den theoretischen Zweig, der besonders nahe an der Naturwissenschaft Physik ist.
Weiterhin unterscheidet man die Profiastronomie von der Amateurastronomie: In der professionellen Astronomie forschen Berufsastronomen mit moderner Technologie wie Großteleskopen, Satellitentechnik und Supercomputern und im Rahmen großer, internationaler Kollaborationen – aus Kostengründen und zum Wissensaustausch. In der Amateurastronomie forschen versierte Hobbyastronomen mit kleinerem (aber ebenfalls vielfach modernem) Gerät. Amateurastronomen sind häufig Spezialisten für Langzeitbeobachtungen beispielsweise von Veränderlichen, für die Kometenjagd oder für die optische Astrophotographie. Aufgrund hoher Kosten und fehlender Manpower wird dieser Aufwand in der Profiastronomie kaum betrieben.

Disziplinen der beobachtenden Astronomie

Die Astronomie hat sich seit der Erfindung des Teleskops im 17. Jahrhundert, der Verbesserung der Detektoren und der Ausarbeitung der Relativitätstheorie und der Quantentheorie im 20. Jahrhundert enorm entwickelt. Mittlerweile unterscheidet man folgende Disziplinen der Astronomie:

  • Grundsätzlich sind Beobachter an Detektorphysik und Teleskopbau interessiert. Es muss sehr präzise geklärt werden, was mit dem Signal vom Himmel (Photon oder andere Teilchen) im Detektor passiert. Denn im Prinzip wird aus dem ursprünglichen Signal ausnahmslos ein elektronisches Signal (elektrischer Stromimpuls), dass die entsprechende Information trägt. Die Photoplatten der klassischen, optischen Astronomie wurden mittlerweile in der Profiastronomie durch CCDs (engl. charged coupled devices) verdrängt. Ein CCD-Chip besteht aus einem lichtempfindlichen Halbleitermaterial. Diese Fläche ist unterteilt in Pixeln, also einem Raster aus Elementen. Ein digitales Bild wie das Bild auf dem Computermonitor besteht aus einer großen Zahl von Pixeln. Je mehr Pixel es sind, umso feiner ist die Darstellung des Bildes. CCDs gibt es in jeder Digitalkamera. Dort wandeln sie auch die elektromagnetische Information die vom Objektiv kommt in elektrische Ströme um. Diese Ströme werden wieder genutzt, um das Pixelbild abzubilden z.B. auf einer Flüssigkristallanzeige (engl. liquid cristal display, LCD) oder einem Monitor. Die Vorteile des CCDs sind die hohe Quantenausbeute (es registriert sehr viele Photonen, wenige gehen verloren) und die digitalisierte Form der Informationsdaten. CCDs zeichnen Signale aus nahezu allen Spektralbereichen auf und werden deshalb vor allem in der Infrarot-, optischen und Röntgenastronomie als 'Kameras' eingesetzt. Ein Astronom bereitet die Information einer kosmischen Quelle einerseits als Bild auf (Imaging) oder als Spektrum (siehe unten: Spektroskopie).
  • Die Astrometrie ist ein klassischer Zweig, der sich mit der Position und Entfernung der Gestirne beschäftigt. Diese Disziplin ist auch heute noch von großer Relevanz, folgen doch aus diesen präzisen Grunddaten neue, sekundäre Parameter. Winzige Effekte der modernen Astronomie reagieren besonders sensibel auf einen unzureichenden Grunddatenstock.
  • Die Spektroskopie beschäftigt sich mit der Gewinnung der Spektren von Himmelsobjekten, also einer Intensität (alternativ: Leuchtkraft, Helligkeit, Farbindex, in der Regel ein spektraler Fluss), die über einer Wellenlänge (gleichwertig: Frequenz oder Energie) aufgetragen wird. Aus diesem charakteristischen Verlauf, das den Laien an den Kursverlauf seiner Aktie erinnern mag, folgert der Astronom charakteristische Eigenschaften der Quelle. Der Theoretiker versucht diese Spektren mit einem physikalischen Emissions- und Absorptionsmodell zu reproduzieren, das in der Regel auch die Umgebung der Quelle und den Bereich zwischen Quelle und Beobachter berücksichtigen muss. Die Anfänge der Astronomie liegen in der optischen Astronomie, also der Untersuchung von Licht aus dem Weltall. Mittlerweile bietet der moderne Teleskopbau den Astronomen die Möglichkeit aus allen Spektralbereichen der elektromagnetischen Wellen Informationen kosmischer Quellen zu empfangen. Die Strahlung, die die irdische Atmosphäre abblockt (z.B. Ultraviolett- und Röntgenstrahlung), wird in satellitengestützten Observatorien außerhalb der Erdatmosphäre gemessen. Deshalb haben sich (aufsteigend in der Strahlungsenergie) die Zweige der Radioastronomie, Infrarotastronomie, optischen Astronomie, Ultraviolettastronomie, Röntgenastronomie und Gammaastronomie ausgebildet. Originär wurden also Photonen beobachtet, aber heute beobachten Profis die Spektren sämtlicher Teilchen, die aus den Weiten des Universums zu uns gelangen. Deshalb gibt es in der modernen Astronomie auch die Neutrinoastronomie (siehe Neutrino), die TeV-Astronomie (siehe Elektronenvolt), die Hochenergieastrophysik (die sich z.B. mit Kosmischer Strahlung und Gamma Ray Bursts beschäftigt) und die Gravitationswellenastronomie. Auch wenn Gravitationswellen bisher nicht direkt nachgewiesen wurden, so ist das gerade das erklärte Ziel der aufblühenden Gravitationswellenastronomie. Die Allgemeine Relativitätstheorie sagt eindeutig die Existenz dieser Wellen voraus, die als 'Beben im Raum-Zeit-Gefüge' aufgefasst werden können.
    Im Fachjargon spricht man bei den unterschiedlichen Spektralbereichen von den 'Fenstern der Astronomie'. Die Bezeichnung folgt einer metaphorischen Sicht, dass man durch jedes Beobachtungsfenster ins All etwas Neues vom Universum sehen kann. Die Information einer kosmischen Quelle liegt demnach in Form eines (elektromagnetischen) Multiwellenlängenspektrums und Teilchenspektren vor und kann von Astrophysikern interpretiert werden. Insgesamt muss sich auf der Grundlage des entwickelten, physikalischen Modells ein 'stimmiges Bild' aus sämtlichen Beobachtungsdaten ergeben. Erst dann darf die Quelle als verstanden deklariert werden!
  • Die Photometrie hat zur Aufgabe die Leuchtkraft bzw. Helligkeit eines Himmelsobjektes zu messen. Nimmt man diese Helligkeit über ein gewisses Zeitintervall auf, so erhält man eine so genannte Lichtkurve. Die Form der Lichtkurve verrät bereits sehr viel über die Quelle und kann beispielsweise dazu dienen unmittelbar eine Supernova, einen Gamma Ray Burst, eine Nova, einen besonderen Typus eines veränderlichen Sterns oder eine Quasi-periodische Oszillation zu klassifizieren. Photometrische Untersuchungen bei Galaxien helfen bei der Klassifikation ihrer Morphologie in Hubble-Typen und sind somit Interessensgebiet der Galaxienentwicklung.
  • In der Polarimetrie wird eine weitere Eigenschaft elektromagnetischer Wellen erforscht: die Feldvektoren schwingen bei manchen Quellen in bevorzugten Raumrichtungen. Diese Schwingungszustände heißen Polarisationsrichtungen und man unterscheidet linear, zirkular und elliptisch polarisiertes Licht von unpolarisiertem Licht. Sonnenlicht ist z.B. unpolarisiert, d.h. sämtliche Schwingungszustände liegen vor. Sie können durch einen Polarisationsfilter, wie einer Sonnenbrille, ausgeblendet werden: hinter die Sonnenbrille gelangt nur Strahlung einer bestimmten Polarisation. Weil durch Ausblenden einer Polarisationsrichtung auch Strahlungsintensität verloren geht, wird es hinter einer Sonnenbrille dunkler. Synchrotronstrahlung ist immer linear polarisiert. Sie entsteht, wenn elektrische Ladungen in Magnetfeldern beschleunigt werden. Die lineare Polarisationsrichtung lässt Rückschlüsse auf die räumliche Verteilung des Magnetfeldes am Emissionsort zu. Genau das nutzen Radioastronomen aus, um die galaktischen Magnetfelder zu kartieren. Offensichtlich sind diese Magnetfelder wichtig in der Dynamik der Galaxien und bei der Bildung von Spiralarmen in Spiralgalaxien.
    Die Polarisation der kosmischen Hintergrundstrahlung ist ebenfalls ein modernes Forschungsgebiet. Die Hintergrundstrahlung trifft bei ihrer Ausbreitung ins lokale Universum auf mittlerweile entstandene Materie. Als Streuzentren wirken vor allem die Elektronen der Protogalaxien. Aus diesen Daten erhoffen sich die Kosmologen Informationen über die Materieverteilung im frühen Universum zu erhalten.

Disziplinen der theoretischen Astrophysik

Den theoretischen Sektor kann man genauso feiner untergliedern. Die Teildisziplinen der Astrophysik lauten:

  • Die Himmelsmechanik ist der klassische, theoretische Zweig der Astronomie. Auf der Grundlage einfacher geometrischer und mechanischer Gesetzmäßigkeiten versuchten die Astrophysiker der ersten Stunde die Bewegung der Gestirne, vor allem von Sonne, Mond und der Planeten, zu erklären. Der alexandrinische Astronom und Mathematiker Claudius Ptolemäus (~ 100 – 160) versuchte eine Erklärung mit geometrischen Mitteln im Rahmen eines geozentrischen Weltbildes. In diesem Ptolemäischen Weltbild bewegen sich alle Himmelkörper auf Kreisbahnen. Das allein konnte die komplizierten Planetenbewegungen nicht erklären, so dass Ptolemäus die so genannten Epizykel einführte: hier bewegen sich sich die Planeten auf Kreisbahnen, deren jeweilige Zentren ihrerseits einen Kreis um die Erde beschreiben. Diese rein geometrische Beschreibung der Planetenbewegung veröffentlichte Ptolemäus um das Jahr 150 n. Chr. in seinem astronomischen Handbuch, dem Almagest. Dieses Werk bildete lange Zeit die Grundlage der Astronomie, bis eine sehr exakte Beschreibung der Planetenbewegungen um die Sonne dem Astronomen Johannes Kepler auf rein empirische Weise gelang: 1609 formulierte er die ersten beiden der drei berühmten Kepler-Gesetze. Der Begriff Himmelsmechanik ist auch heute noch gebräuchlich, involviert aber dann die Newtonsche, Pseudo-Newtonsche, Post-Newtonsche oder Einsteinsche Gravitationsphysik.
  • Kosmologie und Kosmogonie befassen sich mit der Entstehung und Entwicklung des Universums als Ganzes. Die Dunkle Energie entpuppt sich als die treibende Kraft, die für die Expansion des Kosmos seit dem Urknall sorgt. Das größte Rätsel der modernen Kosmologie ist, was sich genau hinter der Dunklen Energie verbirgt. Ist es eine globale Manifestation des Quantenvakuums? Triumphiert die Kosmologische Konstante über Quintessenz und Phantom-Energie?
  • Galaxienforschung hat die Bildung, Verschmelzung und Dynamik von Galaxien und Galaxienhaufen zum Gegenstand. Typischerweise besteht eine Galaxie aus einigen hundert Milliarden Sternen und aus interstellarem Gas (interstellares Medium, ISM). Zwischen Galaxien gibt es ebenfalls Material, das intergalaktische Medium (IGM). In Galaxienhaufen ist das IGM dichter als bei 'frei stehenden' Feldgalaxien. Die Galaxien wechselwirken miteinander vornehmlich über die Gravitation. Die Gezeitenkräfte sorgen dabei für bizarre Verformungen und Verschmelzungen von Galaxien. Dabei spielt die Dunkle Materie eine wahrlich gewichtige Rolle, sorgt sie doch dafür, dass die Galaxien stärker miteinander wechselwirken als nur mit 'normaler Materie'.
  • Stellarphysik befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung von Sternen. Der Sternaufbau, thermonukleare Fusion und Zustandsgleichungen von Sternmaterie sind von besonderem Interesse und münden in ein Verständnis der Entwicklungspfade der Sterne im Hertzsprung-Russel-Diagramm. Am Ende der 'normalen Sternexistenz' stehen mitunter katastrophale Ereignisse wie Sternexplosionen (Supernovae, Hypernovae) und die Entstehung Kompakter Objekte wie z.B. Weißer Zwerge, Neutronensterne, Quarksterne oder gar Schwarzer Löcher.
  • Planetologie behandelt mittels physikalischer Methoden die Bildung und weitere Entwicklung von Planeten. Unmittelbares Forschungsobjekt sind die Planeten des Sonnensystems, aber auch Planeten um andere Sterne, so genannte Exoplaneten, die mittlerweile entdeckt wurden. Man weiß inzwischen, dass Planeten aus Gasmassen entstehen, die sich um einen Stern angesammelt haben. Es häuft sich zunächst in protoplanetaren Scheiben (engl. protoplanetary disks, kurz Proplyds) an. Dies ist eine Form von Akkretionsscheiben, die im Vergleich zu den Scheiben in Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) und Röntgendoppelsternen relativ kalt und deutlich kleiner sind. Schließlich fragmentieren aus der protoplanetaren Scheibe größere Klumpen, aus denen dann Planeten unterschiedlicher Größe entstehen.
    Das Sonnensystem legt eine generelle Klassifikation in Gasplaneten wie Jupiter, Saturn und Uranus sowie Gesteinsplaneten (auch erdähnliche oder terrestrische Planeten genannt) wie Merkur, Venus, Erde und Mars nahe. Relikte des Proplyds sind bis heute auszumachen: dünn verteiltes, interplanetares Gas existiert nach wie vor zwischen den Planeten. Es verursacht durch Streuung von Sonnenlicht das auf der Erde sichtbare Zodiakallicht. Die Planetologie muss auch klären, wie in den anderen Bereichen unseres Sonnensystems Kometen und Planetoiden (etwas irreführend auch Asteroiden genannt) entstehen konnten. Ein Berührungspunkt zur Stellarphysik ist die Unterscheidung von Sternen und Planeten: Astronomen kennen Übergangsobjekte wie die Braunen Zwerge und M-Zwerge (siehe dazu Eintrag Spektraltyp), die sich an der Schwelle zur thermonuklearen Fusion befinden.
  • Relativistische Astrophysik ist der Oberbegriff für sämtliche Bereiche der Astrophysik, in denen die Effekte der Relativitätstheorie berücksichtigt werden müssen. Werden Geschwindigkeiten betrachteter Objekte (Gasteilchen, Elementarteilchen) vergleichbar mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit, so kommt die Spezielle Relativitätstheorie zur Anwendung. Bei starken Gravitationsfeldern von kompakten Objekten wie Schwarzen Löchern und Gravitationslinsen dringt man in den Gültigkeitsbereich der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) vor. Auch Gravitationswellen und die Kosmologie sind nur mit der ART angemessen zu behandeln. Die Relativität birgt ganz erstaunliche, neue Effekte wie die Lichtablenkung in Schwerefeldern (siehe Geodäten), dynamische Raumzeiten, die expandieren können z.B. das Universum selbst oder die nahezu phantastischen Aspekte der Wurmlöcher und kollidierenden Universen (siehe Branen-Kosmologie und Ekpyrosis).
  • Quantengravitation befasst sich mit starken Gravitationsfeldern in kleinen Raumdimensionen. Diese Verhältnisse spielen in den Frühphasen des Universums kurz nach dem Urknall eine Rolle und auch in der Physik der Schwarzen Löcher z.B. bei der Hawking-Strahlung (dort als semi-klassische Quantengravitation ohne quantisiertes Gravitationsfeld!). Die Quantengravitation versucht die erfolgreichen und bewährten Konzepte der Relativitätstheorie mit den ebenso erfolgreichen der Quantentheorie zu vereinen. Auf diesem Weg wurden neue Konzepte erarbeitet, die in vielen Aspekten Erfolg versprechend scheinen: Die Stringtheorien verfolgen eine neue Sicht auf Welt der Elementarteilchen. Sie zielt auf eine Vereinheitlichung der vier fundamentalen Naturkräfte (gravitative, elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung). Außerdem werden weitere Raumdimensionen neben den dreien der ART diskutiert (siehe Extradimensionen und Kompaktifizierung). Ein anderer Zugang zu einer Quantengravitation besteht in der Loop-Quantengravitation. In der ART ist die Raumzeit kontinuierlich und wird nur durch einige intrinsische Singularitäten 'durchbohrt'. Die Loop-Quantengravitation verfolgt eine Quantisierung der Raumzeit in submikroskopische Einheiten. Diese 'Atome der Raumzeit' sorgen damit für eine Körnung der Raumzeit, was faszinierende, neue Konsequenzen eröffnet, die auch philosophisch sehr interessant sind (ein neuer Atomismus?).
  • Astroteilchenphysik (gerne auch Teilchenastrophysik) und Hochenergieastrophysik beschäftigen sich mit den energetischsten Phänomenen im Kosmos. So besteht die Kosmische Strahlung aus Teilchen, die Energien bis zu unglaublichen 1020 eV aufweisen. Man hat die Teilchen als Protonen, Elektronen, Neutrinos und andere zwar identifiziert, rätselt aber über ihren Ursprung.
    Gigantische Teilchenbeschleuniger, die irdische Anlagen bei weitem überflügeln, kennt man inzwischen auch: Beispielsweise der Crab-Pulsar, ein schnell rotierender Neutronenstern (siehe Pulsar) im Sternbild Stier beschleunigt Teilchen auf ultrarelativistische Geschwindigkeiten (Lorentz-Faktor bis 107!). Das macht ihn zu einer der hellsten Röntgen- und TeV-Quellen am Himmel.
    Die Jets der AGN, beispielsweise von Blazaren, kommen auch als Quellen ultrahochenergetischer Leptonen und Hadronen in Betracht. Katastrophale Sternexplosionen und Verschmelzungsszenarien von kompakten Sternen setzen sekundenlange Blitze im Bereich der Gammastrahlung (GRBs) frei und stören damit sogar den irdischen Funkverkehr.
    Weiterhin diskutiert man aufgrund von Erkenntnissen in der Teilchenphysik die Existenz schwerer supersymmetrischer Teilchen, die einen Anteil zur Dunklen Materie stellen könnten (Dark SUSY). Die moderne Generation an Teleskopen (HESS, MAGIC) vermag die hochenergetischen Teilchenschauer aus dem All zu registrieren. Es ist zu erwarten, dass die Hochenergieastrophysik ähnliche und vergleichbar erfolgreiche Wege beschreiten wird, wie die Röntgenastronomie in den 1990er Jahren.
  • Nebelphysik behandelt das Zustandekommen von Emissions- und Reflexionsnebeln sowie Dunkelwolken. Prominente Beispiele sind der Orionnebel, bei dem man unmittelbar Zeuge der Sternentstehung wird: die Plejaden, einem offenen Sternhaufen, dessen Sterne in Reflexionsnebel eingebettet sind und der Pferdekopfnebel (ebenfalls im Sternbild Orion) einer Dunkelwolke aus Staub, die undurchdringlich für Strahlung optischer Wellenlängen ist.
  • Jetphysik hat die Erzeugung, Dynamik und Entwicklung von Gasströmen zum Forschungsgegenstand. Astronomen beobachten Jets in vielen Systemen, sowohl als stellare Jets (Mikrojets) bei Protosternen, Röntgendoppelsternen und Kataklysmischen Veränderlichen, als auch als großskalige Jets (Makrojets) in Galaxien, vor allem den AGN. Die Theorie nutzt für diese strömenden Fluide die Gleichungen der Hydrodynamik und Magnetohydrodynamik (MHD). Je nach kosmischen Objekten fließen Konzepte der relativistischen Astrophysik ein, so z.B. bei der Akkretion auf ein rotierendes Schwarzes Loch (allgemein relativistische MHD).
  • Die Strahlungsphysik ist so fundamental in der Astronomie, dass sie in beinahe alle genannten Disziplinen Einzug hält. Es gibt Grenzfälle, wo man sie vernachlässigen darf; dann spricht man von nicht-radiativer Astrophysik. Im engeren Sinne meint Strahlungsphysik die Entstehung unterschiedlicher Strahlungsformen (z.B. thermische Strahlung, Bremsstrahlung, Synchrotronstrahlung, Comptonisierung) und die Wechselwirkung von Strahlung mit Materie (Streuung, Absorption, Emission, Fluoreszenz, Reflexion).
  • An den Randgebieten der Astrophysik zu anderen Naturwissenschaften darf man Astrochemie und Exobiologie ansiedeln. Das Weltall ist voll von komplexen Molekülen, die sich durch charakteristische Linienemission verraten. Insbesondere muss für ihr Vorkommen eine geringe Temperatur gegeben sein. Denn die Umgebung heißer, junger Sterne (wie O- und B-Sterne) wird von UV-Strahlung durchflutet und ionisiert interstellare Gase (was zu charakteristischen HII-Regionen führt). Die Staubastronomie ist also eine Astronomie des kalten Universums. Erst in diesen kühlen Regionen kann ein 'chemischer Cocktail' gedeihen, der die Entstehung von Leben begünstigt. Die ganz allgemeinen Voraussetzungen für die Entwicklung von Lebensformen und deren Schicksal wird im Rahmen der Exobiologie untersucht.

Diese Themenschau zeigt: Astronomie ist mehr als ein verklärter Blick durch ein Fernrohr – Astronomie ist Grundlagenforschung an der Grenze des Denkbaren und Hochleistungstechnologie an der Grenze des Machbaren.

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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