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Lexikon der Astronomie: Blandford-Payne- Szenario

Das Blandford-Payne-Szenario, benannt nach den Pionieren, die den Effekt 1982 vorschlugen (Blandford & Payne, MNRAS 199, 883, 1982), beschreibt, wie es durch magnetische Prozesse in einem Akkretionsfluss zu einem ausfließenden Materiestrom kommen kann.

Magnetfelder von akkretierten Plasmen

Ein Akkretionsfluss in der Nähe eines kompakten Objekts ist heiß, typischerweise einige Millionen Grad und mehr. Dementsprechend liegt das einfallende Material nicht mehr in molekularer oder atomarer Form vor, sondern wird ionisiert. Dieses Akkretionsplasma besteht vor allem aus Ionen (verschiedener Elemente) und aus Elektronen. Eine Folge ist, dass die bewegten elektrischen Ladungen Magnetfelder induzieren: der Akkretionsfluss wird von Magnetfeldlinien durchsetzt. Typisch ist die Konfiguration einer rotierenden magnetisierten Akkretionsscheibe. Da die Magnetfeldlinien an das Plasma gekoppelt sind ('eingefrorener Fluss'), rotiert mit der Scheibe ein Vielzahl von Magnetfeldlinien, das man insgesamt als Magnetosphäre bezeichnet.

Produktion eines Scheibenwinds

Das Magnetfeld vermag Plasmateilchen aus der Scheibenoberfläche herauszuziehen – genau das passiert auch auf der Sonnenoberfläche und produziert einen Strom von Teilchen: den Sonnenwind. Analog verhält es sich bei der Akkretionsscheibe, nur dass Astrophysiker hier vom Scheibenwind sprechen. Typische Ausfließgeschwindigkeiten sind vergleichbar mit der Keplergeschwindigkeit am betreffenden Scheibenradius. Diese wiederum fällt mit der inversen Quadratwurzel im Abstand ab: die Windgeschwindigkeiten sind größer bei kleinen Radien und können sogar vergleichbar mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit werden, falls die Scheibe sehr nah um ein Schwarzes Loch rotiert.

Energiespender: rotierende und magnetisierte Scheibe

Der Wind wird von der rotierenden Scheibe und ihrem magnetischen Druck angetrieben. Die Astrophysiker sprechen hier von zentrifugal getriebenen Ausflüssen. Dem gegenüber steht der Blandford-Znajek-Mechanismus, der die Rotationsenergie eines Schwarzen Loches anzapft. Das Blandford-Payne-Szenario erfordert (im Unterschied zum Blandford-Znajek-Mechanismus) nicht die Existenz eines Schwarzen Loches, sondern nur ein rotierenden, magnetisiertes Plasma.

Was treibt den Jet?

Blandford-Payne-Szenario und Blandford-Znajek-Mechanismus sind zwei Prozesse, die zur Erzeugung von Jets in Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) und Röntgendoppelsternen mit Schwarzem Loch (BHXBs) diskutiert werden. Der ist Jet das Resultat, wenn der Wind beispielsweise durch magnetische Lorentz-Kräfte oder durch den Strahlungsdruck heißer Umgebungsquellen gebündelt wird (Kollimation).
Möglicherweise können Radioastronomen bald durch hochaufgelöste VLBI-Beobachtungen klären, welcher Mechanismus in der jeweiligen Jetquelle operiert. Denn mm-VLBI erreicht räumliche Auflösungen von wenigen bis einigen zehn Schwarzschildradien in AGN wie z.B. M87 (z.B. Krichbaum et al., astro-ph/0611288). Die bebachteten Strukturen an der Jetbasis würden den Mechanismus verraten, weil der Blandford-Znajek-Mechanismus 'einen schmale Jetfuß macht', wohingegen das Blandford-Payne-Szenario eine breite Jetbasis haben würde (etwa einige hundert Gravitationsradien).

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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