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Lexikon der Astronomie: Cerenkov-Strahlung

Mach-Kegel der Cerenkov-Strahlung eines relativistischen, geladenen Teilchens

Diese besondere Form der Strahlung ist das optische Analogon zum akustischen Überschallknall, den jeder von Düsenjets kennt, die sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegen. Bei einer Geschwindigkeit von 1 Mach (einfacher Schallgeschwindigkeit in Luft) bzw. einer Machzahl von 1 wird die 'Schallmauer durchbrochen' und ein Überschallknall breitet sich gut hörbar aus. Die nacheinander entlang der Flugrichtung emittierten kugelförmigen Schallwellen bilden als Einhüllende im Raum einen Kegel, den Machschen Kegel. Dieser hat einen umso kleineren Öffnungswinkel, je schneller sich das Objekt mit supersonischen Geschwindigkeiten (d.h. schneller als der Schall) durch die Luft bewegt.

Vom Schall zu Licht

Ein vergleichbares Phänomen tritt ein, wenn ein relativistisches, geladenes Teilchen ein transparentes Medium wie Wasser oder Eis durchläuft und eine höhere Geschwindigkeit hat, als die des Lichtes in diesem Medium. Dann emittiert es (analog zum obigen Beispiel der Kugelschallwellen) die Cerenkov-Strahlung. Auch hier bildet sich als Einhüllende der Machsche Kegel aus. Die Abstrahlung unter einem konstantem Winkel, dem Cerenkov-Winkel thetaC, hängt nur von der Teilchengeschwindigkeit v und der Mediumlichtgeschwindigkeit cm ab: cos(thetaC) = cm/v = c/(nv) mit der Vakuumlichtgeschwindigkeit c und dem Brechungsindex n. In Wasser liegt der Cerenkov-Winkel für relativistische Myonen bei etwa 40 Grad. Ebenso lässt sich abschätzen wie viele Cerenkov-Photonen im Mittel pro Wegstrecke emittiert werden. Typische Werte sind 200 Photonen/cm.

Ausnutzung in der Teilchendetektion

Das Phänomen der Cerenkov-Strahlung nutzt man bei Hochenergieastrophysik aus, um hochenergetische Teilchen aus dem Kosmos zu messen. Das funktioniert auch bei Neutrino-Teleskopen: die Neutrinos durchqueren Materie bekanntermaßen ohne erhebliche Wechselwirkungen einzugehen, daher nennt man sie gerade schwach wechselwirkende Teilchen (siehe auch bei den 'schweren Brüdern', den WIMPs). Es gibt jedoch eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie mit den Nukleonen der Atomkerne kollidieren und aus diesem Prozess Myonen hervorgehen. Es gibt in den Nukleon-Neutrino-Stößen zwei Möglichkeiten, wie die Sache ausgehen kann. Die Teilchenphysiker sprechen hier von zwei Zerfallskanälen: den einen nennt man NC für neutral current, weil hier keine geladenen Teilchen entstehen, nur wieder neue Neutrinos; den anderen – hier wesentlichen Kanal – nennt man CC für charged current, weil hier geladene Teilchen erzeugt werden: die Myonen. Aus Gründen der Leptonenzahlerhaltung muss bei diesen neutrino-induzierten Myonen das einlaufende Neutrino von der Myon-Familie, also ein Myon-Neutrino, sein. Zwischen den beiden Teilchenspuren von Neutrino und Myon gibt es einen leichten Versatz, der von der Neutrinoenergie E abhängt. Die mittlere Winkelabweichung beträgt (1.5 Grad)/(E/TeV)1/2, also 1.5 Grad für ein 1 TeV-Myon-Neutrino und bereits ganze 47 Grad für ein 1 GeV-Myon-Neutrino. Je schneller ('relativistischer') sich also das Neutrino bewegt, umso geringer ist der Versatz der sekundären Reaktionsprodukte! Diese Kenntnis dient natürlich der Rekonstruktion des Ortes der Neutrino-Emitter. Ein aktuelles, brisantes Forschungsgebiet ist die UHE-Neutrinoastronomie, die ultra-hochenergetische (ultra-high energetic, kurz UHE) Neutrinos sucht, die extragalaktische Quellen, wie die AGN (vor allem Blazare), galaktische Quellen wie Mikroquasare oder (langzeitige) Gamma Ray Burster emittiert haben könnten.

Teilchenjagd am Südpol

In der Antarktis wird das riesige Eisschild als Detektormaterial und Cerenkov-Medium benutzt. Das Antarctic Muon And Neutrino Detector Array AMANDA nutzt einen 1 km3 Eisblock, auf dessen Boden, 3 km tief im Eis eine Reihe von lichtempfindlichen Detektoren (photomultiplier tubes, PMTs) angeordnet wurden. Je nachdem wie die Detektoren ansprechen, lässt sich die Myon und schließlich die Neutrinospur rekonstruieren. Schließlich deutet diese Spur auf die kosmische Quelle am Himmel. Probleme bereitet das Rauschen atmosphärischer Myonen, die bereits in der Erdatmosphäre und nicht im Eis gebildet wurden. Sie sind auch in der Regel nicht neutrino-induziert, sondern bilden sich durch die Wechselwirkung der Kosmischen Strahlung (bestehend aus einem Konglomerat aus Protonen, Alphateilchen, Elektronen etc.). Ebenso problematisch sind sekundäre Cerenkov-Emitter entlang der Myonenspur aus weiteren Zerfallsprodukten von Myonen. Erst die Reduktion der Messdaten von diesen Störeffekten wird eine sichere Lokalisierung der kosmischen Quelle gestatten.

Quellen

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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