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Lexikon der Astronomie: Gamma Ray Burst

Illustration eines GRBs Es handelt sich dabei um Strahlungsausbrüche im hochenergetischen Bereich der Gammastrahlung, die auf sehr kurzen Zeitskalen (Millisekunden bis einige hundert Sekunden) am Himmel beobachtbar sind. Gamma Ray Bursts werden mit dem Akronym GRB abgekürzt. Im Deutschen ist der Begriff Gammastrahlenausbruch geeignet. Wie ein GRB in etwa aussieht, zeigt die Illustration rechts (Credit: Website des Röntgensatelliten Chandra, NASA/CXC). Dieser Lexikoneintrag demonstriert, dass GRBs ein sehr aktives und aktuelles Forschungsgebiet der Astronomie sind. Allein in den letzten Jahren wurden umwälzende Entdeckungen gemacht.

Am ganzen Himmel – im ganzen Kosmos

GRBs werden überall am Himmel in alle Richtungen gleichermaßen (isotrop) beobachtet. Es gibt keine Häufung in der galaktischen Ebene, was dafür sprechen würde, dass sie nur in der Milchstraße auftreten oder beobachtbar sind. Die Diagnose, dass GRBs isotrop am Himmel auftreten, basiert vor allem auf dem BATSE-Experiment an Bord des Compton-Gamma-Ray Observatory (CGRO), das über 2700 GRBs detektieren konnte. Astronomen interpretieren das so: GRBs sind kosmologisch, d.h. sie können auch in sehr großen Entfernungen, bei sehr großen kosmologischen Rotverschiebungen bis z ~ 6 beobachtet werden.

Pionierleistung

Der erste GRB wurde bereits am 02. Juli 1967 von den amerikanischen Vela-Satelliten VELA 4A und B entdeckt, die für diese hochenergetische Strahlung empfindlich waren. Eigentlich dienten diese Satelliten nicht astronomischen, sondern militärischen Zwecken, denn die USA wollten damit die Gammastrahlung von Nuklearwaffenexplosionen aufspüren. In dieser Ära des Kalten Kriegs waren die Tests von Kernwaffen verboten.
Gammastrahlung kennt man schon seit längerer Zeit aus der Kernphysik. Wenn radioaktive Atomkerne (Radionuklide) zerfallen, bilden sie häufig einen hoch angeregten Tochterkern, der sich unter Aussendung von Gammastrahlung abregt. Kernphysiker nennen das den Gamma-Zerfall. Doch die Quelle der kosmischen Gammastrahlung eines GRB ist nicht Radioaktivität!

Katalogisieren von GRBs

Zunächst ein paar Worte zur Nomenklatur: Die Fülle der beobachteten GRBs – typisch ist ein GRB am Tag – erfordert eine Katalogisierung. Ein Gammastrahlenausbruch wird mit den Buchstaben GRB eingeleitet, danach folgen sechs Ziffern, die das Beobachtungsdatum des Ausbruchs enthalten: Die ersten beiden Zahlen geben das Jahr an, die nachfolgenden beiden den Monat und die letzten beiden den Tag. So steht GRB 990705 für einen Gamma Ray Burst, der am fünften Juli 1999 beobachtet wurde. Gibt es mehrere GRBs pro Tag, werden sie aufsteigend mit Buchstaben des Alphabets gekennzeichnet, z.B. GRB950917A.

Beispiele

Nennen wir nun ein paar besondere GRBs: Der kürzeste Burst hatte eine Länge von 15 Millisekunden (GRB950917A), während der längste etwa 1000 Sekunden dauerte (GRB971208). Der am weitesten entfernte Burst ist GRB050904 mit einer Rotverschiebung von z = 6.18 (Price et al., ApJ 2006), und der räumlich nächste war bei z = 0.0085 (GRB980425).

Durchbruch 1: das Nachleuchten bei anderen Wellenlängen

Im Jahr 1997 konnten die Quellen für GRBs – die Gamma Ray Burster – sogar optisch nachgewiesen werden und zwar als optisches Nachleuchten im Anschluss an den Ausbruch im Gammabereich. Astronomen bezeichnen das als GRB-Nachleuchten (engl. GRB afterglow) und betrachten vor allem die zeitliche Entwicklung des GRB-Leuchtens (umfangreicher Review: van Paradijs et al., ARA&A 2000). Diese so genannte Lichtkurve zeigt sehr unterschiedliche Charakteristika in Form von Minima und Maxima. Irgendwann ist der GRB vorbei und die Lichtkurve am Minimum. Die Herausforderung der GRB-Forscher besteht darin, die unterschiedlichen Lichtkurven zu klassifizieren und die zugrunde liegende Physik zu verstehen.
Das Nachleuchten ist von immenser Wichtigkeit, weil es gestattet, die kosmologische Rotverschiebung zu bestimmen. Und siehe da: die GRBs befinden sich tatsächlich in ungeheuer großen Distanzen, Milliarden von Lichtjahren entfernt.

Durchbruch 2: zwei GRB-Typen

Zählt man die GRBs ab, die eine bestimmte Dauer haben, so ergibt sich ein Histogramm mit zwei (evt. drei) Maxima. Die Verteilung der GRBs ist demnach bimodal. Die Konsequenz: Astrophysiker unterscheiden heutzutage zwei Typen von GRBs, denen auch eine unterschiedliche Physik zugrunde liegt:

Lange GRBs dauern zwischen 2 und 1000 Sekunden. Die Astrophysiker sind davon überzeugt, dass in diesem Fall junge, sehr massereiche Sterne wie O-Sterne oder Wolf-Rayet-Sterne als Kollapsar (im engeren Sinne der Bezeichnung) enden und in einer Hypernova explodieren (MacFadyen & Woosley, ApJ 1999). Hypernovae sind noch heftigere Sternexplosionen als Supernovae (SN), aber von der Physik her verwandt. Zum Teil treten Supernova und Hypernova sogar zusammen auf. Die Population der Vorläufersterne (engl. progenitors) sind vornehmlich junge, massereiche Sterne. Das bereits angesprochene Nachleuchten in anderen Wellenlängenbereichen wurde nur bei den langen GRBs bisher beobachtet!

Kurze GRBs dauern zwischen 0.01 und 2 Sekunden. Astrophysiker erklären diese Ausbrüche mit einem anderen Illustration einer Neutronensternverscmelzung physikalischen Szenario: Verschmelzungsprozesse von kompakten Objekten, insbesondere Doppelsternsysteme (Binäre) aus Neutronensternen, sollen im Moment der Kollision und Verschmelzung den hellen Gammablitz erzeugen (Narayan, Paczynski & Piran, ApJ 1992; Ruffert & Janka seit 1995). Die Fachleute bezeichnen das mit dem englischen Begriff NS-NS merging, wie es in der Abbildung rechts illustriert ist (Credit: Website des Röntgensatelliten Chandra, NASA/CXC). Es ist vermutlich auch möglich, dass kurze GRBs bei der Verschmelzung von einem Neutronenstern mit einem stellaren Schwarzen Loch erzeugt werden (Ruffert & Janka, A&A 1999). Hier lautet der Fachbegriff NS-BH merging. Doppelsternsysteme sind sehr häufig im Kosmos anzutreffen, so dass es plausibel ist, dass die genannten kompakten Binäre vorkommen und verschmelzen können. Die Population dieser Vorläufersterne sind eher alte Neutronensterne. Das Phänomen des Nachleuchtens wurde bei diesen kurzen GRBs nie beobachtet!

Ein sattes Rrrums!

Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt: Gammastrahlenausbrüche sind die gigantischsten Explosionen, die im Universum bekannt sind. Der Energieoutput eines GRBs ist enorm, mit dem einer Supernova vergleichbar und übertrifft diese sogar. Es gibt dabei Unterschiede zwischen den kurzen und langen GRBs: Die freiwerdende Energie bei kurzen GRBs liegt bei etwa 1048 bis 1050 erg; lange GRBs setzten sogar etwa das Tausendfache frei, 1051 bis 1053 erg! Die Einheit erg ist eine typische Theoretiker-Einheit: 1 erg = 10-7 Joule. In der Supernova- und GRB-Physik gibt es außerdem die inoffizielle Einheit 1 foe = 1051 erg; foe bezieht sich auf (ten to the power of) fifty-one erg. Der kanonische Wert von 5 × 1050 erg für die im GRB freiwerdende Energie wurde erst gefunden, als der Blauverschiebungseffekt (Beaming) berücksichtigt wurde (Frail et al., ApJ 2001). Zuvor gab es Vermutungen, dass GRBs den fundamentalen Energieerhaltungssatz verletzen würden – diese Zweifel sind nun beseitigt.

GRBs – eine kosmische Gefahr

Ein Gamma Ray Burst nahe der Erde hätte fatale Folgen: die intensive, energiereiche Strahlung würde das Leben auslöschen, weil sie eine vergleichbar vernichtende Wirkung wie die Gammastrahlung aus Atomkernen hat. Die bekannten Schädigung des Erbguts oder die direkte Zerstörung des Lebens wären die Folgen eines nahen GRBs. Ein möglicher Kandidat eines langen GRBs ist der 'Superstern' η Carinae, der etwa 100 Sonnenmassen aufweist! Er ist mit 7500 Lj recht weit entfernt, doch wie eine Abschätzung im Lexikoneintrag Hypernova demonstriert, ist das irdische Leben von diesem Stern gefährdet. Jüngst konnte gezeigt werden, dass die langen GRBs mit dem größeren Energieoutput (also die gefährlicheren) in der Milchstraße sehr selten sind. Der Grund ist die interstellare Umgebung des GRBs: in der Milchstraße gibt es zu viele Metalle (dazu später unter dem Abschnitt GRBs und SN).
Im Detail hängt die Gefährlichkeit auch davon ab, wie der GRB zur Erde orientiert sein wird. Warum die Orientierung eine Rolle spielt, wird im nächsten Abschnitt erläutert.

Feuerball-Modell für GRBs

Durchbruch 3: Das Feuerball-Modell

Der so genannte anisotrope Feuerball (engl. anisotropic fire ball) ist das aktuell favorisierte, physikalische Modell, um GRBs zu verstehen (Meszaros & Rees 1997; umfangreicher Review: Meszaros, ARA&A 2002). In der Abbildung oben ist schematisch illustriert, wie das Modell funktioniert: Der 'GRB-Motor', entweder eine Hypernova oder ein Kollaps von mindestens zwei kompakten Objekten, treibt eine Schockfront nach außen. Dort trifft die Schockwelle auf das interstellare Medium (ISM). In diesem Zusammenhang nennt man das Umgebungsmedium um den Gammastrahlenausbruch auch Circum Burst Medium (CBM). Die Lorentz-Faktoren liegen bei 100 bis 1000, was Ausbreitungsgeschwindigkeiten des Explosionsmaterials bis zu 99.99995% der Vakuumlichtgeschwindigkeit entspricht. Die Effekte der Speziellen Relativitätstheorie werden bei diesen so genannten ultra-relativistischen Geschwindigkeiten wichtig. Am Bugschock dieser Front wird die kinetische Energie des Feuerballs auf die Elektronen und Photonen des CBM übertragen. Die Elektronen werden dabei auch ultra-relativistisch und kühlen vor dem Hintergrund des interstellaren Magnetfeldes über Synchrotronemission. In der innersten Schale entstehen dabei die charakteristischen Gammaquanten des GRBs. Das wird auch prompte Emission genannt. Dahinter, in weiteren Schalen des mittlerweile abgebremsten Feuerballs, entsteht das Nachleuchten der anderen Wellenlängenbereiche. Die auslaufende und immer langsamer werdende Schockfront erklärt damit das beobachtete Nachleuchten im Ultravioletten, Optischen, Infraroten und Radiobereich.

Ein Blick in einen fast lichtschnellen Materiestrahl

Das Schlüsselelement des anisotropen Feuerballs sind stellare, ultra-relativistische Jets. Die Astrophysiker nehmen heute an, dass sie im Kollaps des Vorläufersterns oder des Vorläufersystems entstehen. Aufgrund der enorm hohen Geschwindigkeiten des Jets ist auch der relativistische Beamingfaktor extrem groß. Beamingfaktor bezeichnet den speziell relativistischen Doppler-Faktor, der ein Maß dafür ist, wie sehr elektromagnetische Wellen, die vom GRB-Jet ausgehen verschoben werden. Bei einem irdisch beobachteten GRB muss der Jet – beschreibt der anisotrope Feuerball die Natur in richtiger Weise – etwa in Richtung Erde zeigen. Wenn sich ein leuchtendes Objekt fast lichtschnell in Richtung eines Beobachters bewegt, kommt ein starker Blauverschiebungseffekt der Strahlung zum Tragen: die Strahlung wird einerseits in ihrer Energie zum Blauen hin verschoben (ändert also ihre Farbe), anderseits wird auch ihre Intensität erhöht (Beaming). Ein Beobachter, der die GRB-Strahlung aus der Schockfront sieht, überschätzt sie! 'In Wahrheit', oder physikalisch präzise gesagt, im Ruhesystem ist die GRB-Strahlung viel energieärmer und dunkler. Kurz gesagt: Blauverschobene ('gebeamte') Strahlung ist energetischer und heller!
Beim Gravitationskollaps des Vorläufersterns (lange GRBs) bildet sich ein anfänglich eher pilzförmiger Jet aus. Dadurch dass der Öffnungswinkel des Jets vom Beamingfaktor abhängt, wurden theoretisch so genannte 'verwaiste' GRBs (engl. orphan GRBs) vorhergesagt. Hier sollte ein Nachleuchten bei niedrigeren Strahlungsenergien beobachtbar sein, ohne dass zuvor ein assoziierter GRB detektiert wurde. Bisher war die Suche nach diesen orphan GRBs erfolglos.
Daneben gibt es auch so genannte dunkle GRBs, wo nur eine Gamma-Komponente ohne optische Komponente nachweisbar ist. Vermutlich entstehen diese GRBs in einem Sternentstehungsgebiet, wo dichter, interstellarer Staub sehr hohe Extinktionen (eine bis fünf Magnituden) verursacht. Bei der Extinktion erfolgt aufgrund von Streuprozessen eine Abschwächung der Intensität der Strahlung und eine Rötung. Dieser Effekt mag bei GRBs in dichtem Milieu den optischen Anteil unterdrücken. Allerdings sollten Astronomen in diesem Fall intensive Infrarotstrahlung messen können, was bisher ebenfalls (noch) nicht gelungen ist.
Die Kollapsar-Jets langzeitiger GRBs sind heiße Kandidaten für die Emission ultra-hochenergetischer Neutrinos. Eine Entdeckung von GRBs in diesem 'neuen Fenster der Astronomie' wäre eine spektakuläre Entdeckung.

GRBs und SN: gute Kumpels?

Astronomen haben auch festgestellt, das einige dieser GRBs (z.B. GRB980425) mit Supernovae assoziiert sind: In den Lichtkurven fanden sie 'Extralicht' (engl. extra light), das vermutlich charakteristisch ist für SN. Mittlerweile wurden auch andere solcher SN-GRB-Verbindungen (engl SN-GRB connection) gefunden wie GRB030329 (Hjorth et al., Nature 423, 847, 2003). Das stützt das Kollapsarmodell. Unklar ist, warum nicht alle Supernovae mit GRBs assoziiert sind. Es wird vermutet, dass das Ausmaß der differenziellen Rotation des Eisenkerns im Kollapsar darüber entscheidet, ob beide Explosionsformen zusammen auftreten oder nicht (siehe auch Review: Woosley & Bloom ARA&A 2006; ePrint: astro-ph/0609142).
Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: die Umgebung des Explosionsortes. Auf diese Spur sind die Astronomen gekommen, als sie die Heimatgalaxien betrachteten, in denen sich die jeweilige Explosion ereignete. Das erste Kriterium ist die Morphologie der Galaxie, also der Hubble-Typ. Die Astronomen finden dann das Ergebnis, dass es deutliche Unterschiede bei den Heimatgalaxien gibt: SN ereignen sich viel häufiger in Spiralgalaxien als lange GRBs. Das zweite Kriterium ist die physische Größe der Galaxie. Auch hier finden Astronomen Unterschiede: GRBs ereignen sich bevorzugt in lichtschwachen, kleinen Galaxien. Was heißt das alles? Nun, die Hypothese lautet, dass die Wahrscheinlichkeit für einen GRB an den chemischen Entwicklungszustand des massereichen Sterns gekoppelt ist, also an seine Metallizität (Fruchter et al., Nature 441, 463, 2006). So zeigen mehrere Heimatgalaxien, in denen sich lange GRBs ereigneten, Metallizitäten von kleiner als ein Drittel der solaren Metallizität. Diese Vermutung passt zur Stellarphysik, weil metallreiche Sterne so starke Winde entwickeln, dass sie viel Masse verlieren und deshalb nicht zu einem Schwarzen Loch, dafür aber zu einem Neutronenstern kollabieren.
Lange GRBs treten demnach lieber in metallarmen, jungen Galaxien (mit hoher Sternentstehungsrate) auf und scheuen das metallreiche Milieu, wie beispielsweise in der Milchstraße. Die Milchstraße scheint tatsächlich ein recht lebensfreundlicher Ort zu sein.

Ertappte Schwarze Löcher

Das Aufregende und Faszinierende an Gamma Ray Bursts ist, dass man hier im Prinzip die Bildung eines stellaren Schwarzen Loches beobachtet. Es ist davon auszugehen, dass – unabhängig ob kurzer oder langer GRB – am Ende die Entstehung eines Loches steht. Wie bei den Aktiven Galaktischen Kernen (AGN) nehmen Astrophysiker heute an, dass rotierende Schwarze Löcher (Kerr-Lösung) auch bei den leuchtkräftigen GRBs eine Schlüsselrolle spielen. Kerr-Löcher werden zu den relativistischen Magneto-Rotatoren (RMRs, Gammie 2003) gerechnet. Die schnell rotierende Raumzeit der RMRs ist ein effizienter Antrieb, um ultra-relativistischen GRB-Jets herauszuschießen. Bei den Gamma Ray Bursts spielt somit die gleiche Physik eine Rolle wie bei den AGN: Akkretionsphysik, Magnetohydrodynamik, Jetphysik und natürlich Einsteins Theorie.

Eine andere Hypothese

Eine alternative Erklärung für GRBs wird unter dem Einfluss kosmischer topologischer Defekte gesehen. Diese Alternative ist unter Astrophysikern jedoch nicht etabliert und gilt als spekulativ.

Durchbruch 4: Relationen für langzeitige GRBs

Amati-Relation

2002 haben italienische GRB-Forscher zwölf Gammastrahlenausbrüche ausgewertet, die mit italienisch-niederländisch Hochenergiesatelliten BeppoSAX beobachtet wurden. Sie fanden bei der Analyse einen interessanten Zusammenhang, der heute nach dem Erstautor der Veröffentlichung Amati-Relation genannt wird (Amati et al., A&A 390, 81, 2002). Diese Relation besagt, dass die isotrope Gesamtenergie des Ausbruchs (Eiso) mit der Maximalenergie der GRB-Strahlung (Epeak) im Ruhesystem (!) der Quelle eindeutig zusammenhängt. Das bedeutet, dass die (im Laborsystem) beobachtete Maximalenergie der Strahlung erst noch um die kosmologische Rotverschiebung z des Bursts korrigiert werden muss, um die Korrelation zu zeigen. Dazu wird die beobachtete Energie mit (1 + z) multipliziert, was die höhere Ruheenergie liefert. Das klingt kompliziert – was bedeutet das anschaulich? Das heißt schlichtweg, dass die GRB-Strahlung 'vor Ort des Bursts' umso energiereicher ist, je größer die Explosionsenergie ist. Das ist eigentlich sehr einleuchtend.

Ghirlanda-Relation

Eine weitere, ähnliche Beziehung bei GRBs ist die Ghirlanda-Relation (Ghirlanda et al., ApJ 616, 331, 2004). Sie besagt, dass eine enge Korrelation zwischen der kollimationskorrigierten Energie des Bursts (Eγ) und der Maximalenergie der GRB-Strahlung (Epeak) besteht. Wie beim anisotropen Feuerball-Modell beschrieben, wird der GRB durch einen Jet gezündet. Dieser Jet hat einen bestimmten Öffnungswinkel. Es ist möglich, aus der isotropen Gesamtenergie und bekanntem Öffnungswinkel die kollimationskorrigierte Energie (gewissermaßen die 'anisotrope Gesamtenergie') auszurechnen. Die Öffnungswinkel der Jets beschaffen sich die Astronomen dabei aus dem GRB-Nachleuchten. Die somit gefundene Ghirlanda-Relation lautet dann auf der Grundlage der Beobachtungsdaten: Epeak proportional zu Eγ0.7. Die anschauliche Interpretation ist analog zur Amati-Relation. Allerdings streut die Ghirlanda-Relation nicht so sehr (d.h. die Messpunkte liegen enger an der Korrelationslinie). Das liegt an der adäquaten Berücksichtigung der Anisotropie des Feuerballs.

Firmani-Relation

Damit nicht genug – es wurde 2006 eine weitere GRB-Relation gefunden, die Firmani-Relation (Firmani et al., MNRAS 370, 185, 2006). Sie setzt drei charakteristische Größen miteinander in Bezug, die mit der prompten GRB-Emission assoziiert sind. Das sind die isotrope Maximalleuchtkraft (Liso), die Maximalenergie der prompten Emission (Epk) und die Zeitskala des prompten Signals (T0.45). Die Firmani-Relation fußt auf Messdaten und lautet Liso proportional zu Epk1.62 T0.45-0.49. Diese Relation klingt am kompliziertesten von allen. Sie besagt anschaulich, dass die GRB-Leuchtkraft umso höher ist, je größer die Maximalenergie der prompten Emission und je kürzer die Zeitskala des GRB-Aufblitzens ist. T0.45 beträgt typischerweise nur wenige Sekunden.
Das mag alles recht schleierhaft klingen, hat aber eine für die Astronomie entscheidende Konsequenz: Die Firmani-Relation kann dazu benutzt werden, um die Rotverschiebung eines GRBs zu bestimmen (photo-z im Astronomenjargon). Selbst wenn kein Nachleuchten beobachtet wurde und damit keine Rotverschiebung bestimmt werden konnte, folgt die Rotverschiebung aus der Firmani-Relation, die nur Charakteristika der prompten Emission involviert! Mit anderen Worten: Gammastrahlenausbrüche kämen dann als Standardkerzen in Frage!. Das ist eine völlig neue Eigenschaft der GRBs. Sie ist besonders deshalb so brisant, weil Supernovae Typ Ia – die sehr erfolgreich genutzten Standardkerzen der Kosmologie – maximal bis zu kosmologischen Rotverschiebungen von z ~ 1.5 bis 2 genutzt werden können. GRBs als gigantischste Sternexplosionen im Kosmos sind jedoch noch beobachtbar, auch wenn sie sehr weit entfernt sind, z.B. bis z ~ 6 und mehr! Damit wären GRBs von entscheidendem Nutzen, falls sie sich als Standardkerzen bewähren. 2004 ist es chinesischen Astronomen gelungen, für ein kleines GRB-Sample kosmologische Parameter (Ωm, w) übereinstimmend mit Supernovadaten zu bestimmen – allerdings war die Signifikanz dieser Messung noch sehr klein (Dai et al., ApJ 612, L101, 2004).

Erfolge mit dem GRB-Satelliten Swift

Ende 2004 wurde ein Spezialsatellit der NASA namens Swift gestartet, der extra für die Entdeckung und Analyse von GRBs designt wurde (Gehrels et al., ApJ 2004). Die erwartete Lebensdauer des Satelliten beträgt acht Jahre. Swift fängt nicht nur die prompte Gammastrahlung, sondern auch die im Nachleuchten auftretende Röntgen-, UV- und optische Strahlung auf. Schnelligkeit ist gefragt, um das Nachleuchten beobachten zu können: Blitzt ein GRB auf, schwenkt Swift innerhalb von 20 bis 75 Sekunden vollautomatisch auf die Position des Blitzes, um Beobachtungsdaten aufzunehmen! Die Beobachtungserfolge verdankt Swift dieser Automatisierung und der Kombination von drei Teleskopen:

  • dem Burst Alert Telescope (BAT), das mit seinem großen Gesichtsfeld etwa 100 GRBs pro Jahr aufspüren kann. Es beobachtet bei Gammaenergien von 15 bis 150 keV und spürt die Burstposition auf;
  • dem X-ray Telescope (XRT), also dem Röntgenteleskop, das bei Strahlungsenergien zwischen 0.3 und 10 keV empfindlich ist. XRT schießt Fotos und nimmt Röntgenspektren des GRB-Röntgennachleuchtens auf;
  • dem UV/Optical Telescope (UVOT), das im optischen Licht zwischen 170 und 650 nm sowohl Fotos macht, als auch Spektren aufnimmt.

Die GRB-Forscher haben u.a. dank Swift viele neue Erkenntnisse gewonnen. So wurde mit Swift und einem weiteren Satelliten HETE-2 2005 herausgefunden, dass die kurzen GRBs bevorzugt in alten elliptischen Galaxien auftreten und weniger in jungen Galaxien (Fox et al., Nature 437, 845, 2005; Gehrels et al., Nature 437, 851, 2005).
Ende 2005 wurde das Verschmelzungsszenario zweier Neutronensterne bestätigt, weil die beobachtete Rate für kurze GRBs gut mit der erwarteten Kollisionsrate von Doppel-Neutronensternen übereinstimmt (Barthelmy et al., Nature 438, 994, 2005; Tanvir et al., Nature 438, 991, 2005).
Und 2006 bestätigte Swift die oben beschriebene Amati-Relation anhand der Beobachtung eines so genannten Röntgenblitzes (engl. X-ray Flash, XRF) mit der Katalogbezeichnung XRF 050416A (Sakamoto et al., ApJ 636, L73, 2006).
Doch nicht genug mit GRB-Physik: Das Swift-Teleskop wird auch verwendet, um AGN zu untersuchen.

Eine dritte GRB-Klasse?

Im Jahr 2006 haben zwei Gammastrahlenausbrüche die Standardmodelle der GRB-Physik auf eine harte Probe gestellt: Der lange GRB060614 mit einer Dauer von 102 s (z = 0.125) und der mit 4 s ebenfalls lange GRB060505 (z = 0.089). Beide GRBs passen nicht in das Schema von bislang katalogisierten Ausbrüchen (McBreen & Greiner, Physik Journal, Februar 2007).
Nach dem Paradigma der SN-GRB-Verbindung sollte mit einem langen Gammastrahlenausbruch eine Supernova auftreten. Trotz angestrengter Suche wurde weder bei GRB060614, noch bei GRB060505 eine SN entdeckt. Waren es außergewöhnlich lichtschwache SNe? Auch bei der Lichtkurve wurde die seltsame Beobachtung gemacht, dass sie eher zu kurzen GRBs passe. Im Zuge dieser Ungereimtheiten haben führende GRB-Forscher angeregt, eine neue GRB-Klasse einzuführen (Gehrels et al., Nature 444, 1044, 2006). Eventuell gibt es andere Erklärungen, z.B. dass die Supernovaexplosion so schwach war, dass das ausgeworfene Material wieder zurückfiel auf das Schwarze Loch und somit nicht als hell leuchtender Ausbruch in Erscheinung trat.
Bei bislang etwa 4000 entdeckten GRBs, die gut in das Zwei-Klassen-Schema passen, sind 'zwei Ausreißer' noch nicht genug, um ein erfolgreiches Modell zu überdenken. Zum einen müssen nun die beiden Spezialfälle sehr genau analysiert werden. Zum anderen werden weitere Beobachtungen zeigen müssen, ob eine dritte GRB-Klasse tatsächlich nötig ist.

Kosmologie mit GRBs

Bei extrem weit entfernten GRBs geschehen interessante Effekte: Das optische Nachleuchten eines GRBs mit z > 6 kann nicht mehr mit dem UVOT-Detektor auf Swift beobachtet werden, weil es zu stark rotverschoben ist, nämlich oberhalb von 650 nm. Deshalb weicht man in diesen (seltenen) Fällen auf bodengestützte Infrarotteleskope aus.
Der oben erwähnte Entfernungsrekord, der GRB050904 mit z = 6.18 ist so weit entfernt, dass das Universum zur Epoche des GRBs noch nicht ganz ionisiert war. Die Ära der Reionisation endete später. Nun kann das optische Nachleuchten des GRBs genutzt werden, um den Kosmos zu durchleuchten, weil sich die Verteilung der neutralen Materie durch Absorptionslinien verrät. Das Prinzip ist vergleichbar der Röntgendiagnostik beim Arzt: der Astronom ist der Arzt, das Universum der Patient. Bitte frei und schön weit aufmachen, Kosmos!

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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