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Lexikon der Astronomie: Pulsar

Pulsar mit Magnetosphäre und Ausfluss

Ein Pulsar ist ein rotierender Neutronenstern, dessen Rotationsachse nicht mit der Magnetfeldachse übereinstimmt, so dass ein Doppelkegel (Bikonus) emittierter Strahlung wie bei einem Leuchtturm mit der Rotationsperiode des Sterns mitrotiert. In besonderen Fällen kann diese Strahlung die Erde treffen, was beim Beobachter den Eindruck gepulster Strahlung vermittelt. In der Abbildung oben ist die Rotationsachse des Pulsars schwarz, während die Magnetfeldachse rot dargestellt ist. Die roten Linien illustrieren die Pulsarmagnetosphäre in Form von Isokonturlinien des Magnetfeldes: Man erkennt eine dominant toroidale (schlauchartige) Magnetfeldstruktur, die aus der hohen Rotation und den gravitomagnetischen Kräften resultiert (gravitomagnetischer Dynamo). Die grünen Gebilde veranschaulichen die Strahlungskeulen, die immer wieder infolge der Rotation einen geeignet orientierten Beobachter treffen.

Ursprung des Pulsarlichts

Die Strahlung ist Synchrotronstrahlung, die von relativistisch schnellen Elementarteilchen (Elektronen und Positronen, auch Protonen und Ionen) in den hohen Magnetfeldern der Pulsarmagnetosphäre entsteht.

schnelle Rotation...

Da der Drehimpuls auch im Gravitationskollaps nahezu erhalten bleibt, übernimmt der Neutronenstern den Drehimpuls des Vorläufersterns (engl. progenitor). Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Sternkern typischerweise entkoppelt von äußeren Sternhüllen rotiert und sich 'unter der Sternoberfläche weg dreht'. Demnach überträgt sich nur der Drehimpuls des Sternkerns auf den entstehenden Neutronenstern. Der Neutronenstern als ein Vertreter der Klasse kompakter Objekte ist jedoch viel kompakter, so dass die Rotationsgeschwindigkeit um ein Vielfaches höher ist, als beim Vorläuferstern ('Pirouetteneffekt'). Die schnellsten Pulsare drehen sich daher in der Größenordnung von Millisekunden (ms) einmal um sich selbst! Sie heißen Millisekundenpulsare.

...wird abgebremst

Die Rotationsenergie des sich schnell drehenden Pulsars wird aber mit der Zeit abgebaut. Sie speist die Magnetfelder und die elektromagnetische Strahlung, die der Pulsar abgibt. Die Magnetfelder werden durch den gravitomagnetischen Dynamo verstärkt, was auf Kosten der Rotation geht. Aus diesem Grund gibt die gemessene Rotationsperiode bzw. die Abbremsrate des Pulsars eine Information über die Stärke des Magnetfelds und das Pulsaralter. Millisekundenpulsare sind also junge Pulsare.

Entdeckung, Häufigkeit, Magnetfeld

Der erste Pulsar wurde 1967 entdeckt und war ein Radiopulsar. Die Astronomen kennen derzeit mehr als 1700 Pulsare. Davon sind etwa 170 Millisekundenpulsare, ca. 130 befinden sich in Doppelsternsystemen. Hat der Pulsar ein besonders hohes Magnetfeld ab etwa 1014 Gauß, so nennt man ihn Magnetar.

Crab-Nebel fotografiert mit HST 2005

Crab – ein optischer Pulsar

Der Crab-Pulsar befindet sich im Krebsnebel im Sternbild Stier (siehe Beobachtungsfoto oben; große Version; Credit: NASA/ESA/HST, Hester & Loll 2005). Es handelt sich um einen Supernovaüberrest (Supernovaremnant, SNR) in ca. 6500 Lichtjahren Entfernung. Das Bild zeigt einen einzigartigen Strukturreichtum des Explosionsgebietes. Im Zentrum leuchten blau und diffus die relativistischen Elektronen, die im Crab-Nebel beschleunigt wurden. Die Supernova (Typ II), die zu diesem Neutronenstern führte, wurde 1054 von chinesischen Astronomen beobachtet. Damals war die Lichtkurve der Supernova mehrere Wochen oder sogar Monate mit bloßem Auge sichtbar! Der Nebel bildete sich durch ausgestoßenes Gas, das von der Supernovaexplosion nach außen getragen wurde. Heute beobachten die Astronomen immer noch eine Gasexpansion mit einer Geschwindigkeit von etwa 1000 km/s. Im Zentrum des Crab-Nebels wurde ein optischer Millisekundenpulsar entdeckt! Die Rotationszeit beträgt nur 33 ms, weshalb der assoziierte Neutronenstern mit der Bezeichnung NP 0532 zu den schnellsten Pulsaren gehört, die entdeckt wurden.

Pulsare im Doppelpack

Besonders erwähnenswert ist die Existenz von Doppel-Pulsaren: Das Objekt PSR1913+16 ist ein solcher Bipulsar, der sehr berühmt wurde. Die Forscher Joseph H. Taylor Jr. und Russel A. Hulse bekamen 1993 den Nobelpreis für den indirekten Beweis der Emission von Gravitationswellen, die dieses Objekt aussendet. Sie konnten anhand langfristiger Messungen (seit 1974) der Umlaufperioden beider Neutronensterne über die Beobachtung der gepulsten Strahlung nachweisen, dass sie sich infolge des Verlustes an Gesamtenergie des Systems durch Emission von Gravitationswellen sukzessive annähern! Irgendwann werden die beiden Neutronensterne verschmelzen und zu einem stellaren Schwarzen Loch kollabieren. Dieses Ereignis wird mit einem kurzzeitigen Gammastrahlenausbruch (Gamma Ray Burst, GRB) einhergehen. Einige Daten zum Hulse-Taylor-Pulsar: Die Pulsarperiode beträgt 59 ms, beide Neutronensterne haben etwa 1.4 Sonnenmassen, das System ist zum Beobachter um 14° geneigt, im Periastron beträgt ihr Abstand nur 1.1 Sonnenradien und im Apastron 4.8 Sonnenradien.
In Simulationen konnte gezeigt werden, dass beim Verschmelzen von Neutronensternen (engl. NS merging) sehr schwere Elemente wie Gold (chem. Symbol Au) und Platin (Pt) gebildet werden können. Dies ist also eine Alternative zu den s-Prozessen in AGB-Sternen und r-Prozessen sowie p-Prozessen in Supernovae, die zur Bildung von Elementen schwerer als Eisen beitragen.

RRATs – eine neue Pulsar-Klasse

Bei Beobachtungen von transienten Radioquellen wurde eine neue Population von Neutronensternen entdeckt, die Radiobursts abgeben. Sie wurden als rotierende Radiotransienten bezeichnet (engl. Rotating RAdio Transients, RRATs) bezeichnet. Sie unterscheiden sich von normalen Radiopulsaren und geben Radiostrahlung nur für etwa eine Sekunde pro Tag ab. Der Pulsar PSR B1931+24 ist ein Vertreter dieser neuen Klasse. Es wurde in diesem Fall vorgeschlagen, dass die Radiostrahlung von der Wechselwirkung einer präzedierenden Materiescheibe und der Magnetosphäre des Pulsars kommt.

Pulsare im Gamma- und TeV-Bereich

Im höchsten Energiebereich der elekromagnetischen Strahlung konnten nur wenige Pulsare nachgewiesen werden. Im hochenergetischen Gammabereich wurden vor allem die Pulsarwindnebel (engl. pulsar wind nebulae, PWN) beobachtet. In diesen magnetohydrodynamisch beschleunigten Strukturen wurden die höchsten Lorentz-Faktoren im ganzen Universum gemessen! PWNs strahlen Synchrotronstrahlung vom Radio- bis in den TeV-Bereich ab. Dieses leuchtende Plasma besteht vornehmlich aus relativistischen Elektronen und Positronen. Die zur Beschleunigung nötige Energie stammt von zusammenbrechenden Magnetfeldern (Rekonnexion). Die Feldenergie wird wiederum gespeist von der schnellen Rotation des Neutronensterns bzw. seiner Raumzeit (siehe auch Frame-Dragging).
Die Wechselwirkung zwischen dem relativistischen Wind und dem interstellaren Medium, beschleunigt Teilchen in der Schockregion durch Fermi-Prozesse erster Ordnung und produziert Röntgenstrahlung, wie sie z.B. im Fall von PSR B1957+20 beobachtet wird.
Als Teil des Pulsarwinds treten auch stellare Jets auf, z.B. beim Crab-Pulsar.

Übersichtspapiere

  • Becker et al.: On the Present and Future of Pulsar Astronomy, IAU General Assembly, Prag, 2006; Preprint: astro-ph/0702254
  • Kirk et al.: The theory of pulsar winds and nebulae, Heraeus Seminar, Bad Honnef, 2006; Preprint: astro-ph/0703116

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  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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