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Lexikon der Astronomie: Spezielle Relativitätstheorie

Die berühmteste Gleichung der Welt: Einsteins Masse-Energie-Äquivalent Die Spezielle Relativitätstheorie oder kurz SRT war der erste Schritt einer fundamentalen Theorie des 20. Jahrhunderts von Albert Einstein (1879 – 1955), die nicht nur die Sichtweise der physikalischen Welt vollkommen umwälzte. Einstein publizierte die SRT in seinem 'Wunderjahr' 1905, in dem er viele wichtige Arbeiten veröffentlichte. Salopp gesagt ist die Spezielle Relativitätstheorie eine Theorie der hohen Geschwindigkeiten und verschiedenen Beobachter, die einen Vorgang in der Natur betrachten. Etwas präziser formuliert beschreibt die SRT die Transformation einzelner physikalischer Größen oder physikalischer Gesetze, wenn man das Bezugssystem wechselt. Die Effekte der SRT werden besonders dann relevant, wenn die relative Geschwindigkeit zwischen den betrachteten Bezugssystemen vergleichbar wird mit der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.

Einsteins erste Ansätze

Ausgangspunkt waren Einsteins Gedankenexperimente. Schon als 16jähriger stellte er sich die Frage, wie die Welt aussehen möge, wenn man auf einem Lichtstrahl reitet. Die Theorie der klassischen Elektrodynamik von J.C. Maxwell faszinierte ihn sehr früh. Er stellte fest, dass es eine Inkonsistenz zwischen dieser Theorie und der klassischen Gravitationstheorie von Isaac Newton gab: Im Kern ist es aus heutiger Sicht klar, dass die Galilei-Invarianz der Newtonschen Theorie völlig wesensverschieden von der Lorentzinvarianz der Maxwellschen Theorie ist. Deshalb musste es zu diesem Missverhältnis kommen.

Die Experimente von Michelson und Morley

Bauweise eines Michelson-Interferometers Als Einstein noch ein Knabe war, wurden die Michelson-Morley-Experimente (1881 und 1887) durchgeführt. Dieses Experiment ist eine Anordnung, die zum Ziel hatte, die Richtungsabhängigkeit der Geschwindigkeit von Lichtwellen zu zeigen. Die Physiker nahmen bis dato an, dass – analog zur Akustik, wo sich Schallwellen z.B. im Medium Luft ausbreiten – ein Medium für die Lichtwellen existiere, das sie Weltäther nannten. Sollte er existieren, so müsste dieses Medium (ebenso wie Luft) durch die Erdrotation abgelenkt werden. Als Messinstrument kam ein präzises, optisches Messsystems mit der Bezeichnung Michelson-Interferometer zum Einsatz (rechts dargestellt mit modernem Laser und Photodiode; große Abbildung). In dieser Anordnung von Lichtstrahlen sollte die Mitbewegung des Lichtäthers, also auch der Lichtwellen auf einem der Interferometerarme nachgewiesen werden. Dabei sollte sich das Interferenzmuster verändern, doch war keine Interferenzverschiebung beobachtbar! Die Lichtgeschwindigkeit ist demnach in alle Richtungen gleich und unabhängig von der Bewegung der Lichtquelle! Die Nichtnachweisbarkeit des Äthers wird in der Literatur als Negativresultat bezeichnet.

Einsteins verblüffende Lösung

Einstein konnte diese experimentelle Beobachtung erklären, indem er forderte, dass es erstens gar keinen Weltäther gebe und zweitens, dass die Lichtgeschwindigkeit in allen Bezugssystemen konstant sei. Neben diesem ersten Postulat, der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, nahm er ein zweites an, das Relativitätsprinzip. Dessen Aussage ist, dass die physikalischen Gesetze und Messungen in allen zueinander gleichförmig geradlinig bewegten Systemen gleich seien.

Ein Vorschlag erschüttert die Welt

Diese Postulate hatten weit reichende Konsequenzen und führten zu einer Revision der Begriffe Zeit, Raum und Gleichzeitigkeit. Der Wechsel zwischen relativ zueinander geradlinig gleichförmig bewegten Bezugssystemen wird mathematisch nicht mit der Galilei-Transformation beschrieben, sondern mit der Lorentz-Transformation. Sie zeigt, dass Raum und Zeit ein vierdimensionales Kontinuum bilden und nicht unabhängig voneinander sind. So beschreibt ein Ereignis oder Weltvektor einen Punkt in der vierdimensionalen Raumzeit, der durch die Zeit und die drei räumlichen Koordinaten eindeutig festgelegt ist. Der raumzeitliche (4er-)Abstand (siehe auch Linienelement) zwischen zwei Ereignissen ist eine Lorentz-Invariante, d.h. unabhängig von der Wahl des Bezugssystems. Lorentz-Invarianten verändern sich nicht unter Lorentz-Transformationen. Raum und Zeit für sich genommen hingegen sind abhängig vom Bezugssystem. Durch die SRT verlor die Zeit ihren absoluten Charakter, den Aristoteles und Newton in ihr sahen. Daher ist auch die Gleichzeitigkeit ein relativer Begriff in der Relativitätstheorie.
Bewegt sich ein kräftefreier Körper in einem Bezugssystem geradlinig und gleichförmig, so nennt man dieses System Inertialsystem (vgl. inert: 'träge'). In einem Inertialsystem wirken also auch keine 'Scheinkräfte', wie die Trägheitskräfte Zentrifugalkraft und Coriolis-Kraft. Die Erde ist demnach kein Inertialsystem.

Konsequenzen einer absoluten Vakuumlichtgeschwindigkeit

Die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit c zog bizarre Effekte, wie die Längen- oder Lorentz-Kontraktion und die Zeitdilatation nach sich, die auch heute noch für den alltäglichen Gebrauch seltsam anmuten. Im ersten Fall wird die Länge eines Objekts in Bewegungsrichtung gestaucht – und zwar für jemanden, der das Objekt von außen beobachtet. Im zweiten Falle wird ein Zeitintervall einer bewegten Uhr gedehnt, die ein Außenbeobachter an sich vorbeifliegen sieht. Beides wird also relativ betrachtet vom Ruhesystem zu einem Beobachtersystem, die sich mit der konstanten Relativgeschwindigkeit v zueinander bewegen. Die Effekte der SRT werden dann besonders groß, wenn v und c vergleichbare Beträge haben. Das ist der Grund, weshalb uns speziell relativistische Phänomene im Alltag fremd sind. In der relativistischen Astrophysik sind die Effekte Normalität, z.B. bei den Jets der Schwarzen Löcher oder bei den Bewegungen von Akkretionsflüssen.
Rechnerisch ableiten lassen sich diese Effekte formal mit der Lorentz-Transformation, die man mathematisch als Matrix-Vektor-Produkt schreiben kann. Hier wird die Lorentz-Transformationsmatrix auf (ko- oder kontravariante) Vierervektoren angewendet, die einen Weltpunkt definieren. Ein Weltpunkt ist ausgezeichnet durch eine Zeitkoordinate und drei Raumkoordinaten, gemessen in einem Bezugssystem.

E = mc2

Lorentz-Faktor Die bekannteste Gleichung Einsteins, sicherlich die bekannteste der Physik, ist wohl das Masse-Energie-Äquivalent, E = mc2. Sie besagt als wichtiger, erkenntnistheoretischer Aspekt, dass Masse und Energiewesensgleich sind.
E ist die Gesamtenergie eines Systems. Der Lorentz-Faktor (γ, manchmal auch Γ, 'gamma', siehe Gleichung rechts; wieder mit der relativen Geschwindigkeit v des Körpers und der Vakuumlichtgeschwindigkeit c) steckt in dieser Gleichung und kann für kleine Geschwindigkeiten v entwickelt werden (Binomische Reihe). Nach dieser Prozedur zeigt sich, dass die Gesamtenergie aus Beiträgen verschiedener Energien besteht: E = E0 + Ekin + .... Die kinetische Energie ist der klassisch bekannte Term: Ekin = ½ m0v2. Der erste Term jedoch ist neu: E0 = m0c2 nennen Physiker die Ruheenergie, die unabhängig von der Geschwindigkeit v ist. Durch die sehr große Zahl c2 steckt in jedem Teilchen also eine gigantische Energie, die genutzt werden kann. Genau das passiert im Innern von Sternen in thermonuklearen Fusionsprozessen und auch in kernphysikalischen Experimenten.
Am Ende des Lexikoneintrags Relativitätstheorie wird ein aktueller, experimenteller Test vorgestellt, der in einem Versuch die Richtigkeit von E = mc2 mit hoher Präzision demonstriert hat.

Von der flachen zur gekrümmten Raumzeit

Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) gelang es Einstein und vor allem seinem Studienkollegen Marcel Grossmann nach jahrelanger Arbeit das Relativitätsprinzip auf beschleunigte Systeme zu verallgemeinern. Das neue Prinzip heißt Äquivalenzprinzip. Da die Gravitation Systeme beschleunigt, ist die ART damit eine Theorie der Gravitation. Die Verallgemeinerung lautet: frei fallende Labore sind Inertialsysteme.
Die vierdimensionale Raumzeit der SRT ist flach, d.h. sie weist keine Krümmungen auf und wird durch die Minkowski-Metrik beschrieben. Das ist in der ART wesentlich komplizierter: die Metrik ist im Allgemeinen gekrümmt. Der metrische Tensor hat dann keine konstanten Einträge mehr, wie in der Spezielle Relativitätstheorie, sondern Komponenten, die vom Weltpunkt selbst (also Koordinatenzeit und den drei räumlichen Koordinaten) abhängen. Die Krümmung kann sich von Weltpunkt zu Weltpunkt ändern und wird durch Energieformen, wie beispielsweise von Masse, erzeugt. Diese Information steckt vollständig im Energie-Impuls-Tensor. Die zentrale Gleichung der ART ist die Einsteinsche Feldgleichung, die mathematisch ausdrückt, wie Massen die Raumzeit krümmen und umgekehrt, wie die Raumzeit den Testmassen eine Bewegung auf Geodäten diktiert.

  • Die Autoren
- Dr. Andreas Müller, München

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