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Kompaktlexikon der Biologie: Bacillariophyceae

Bacillariophyceae, Diatomeae, Kieselalgen, eine sehr umfangreiche Klasse der Algen mit über 10000 Arten in 200 Gattungen. Es handelt sich um einzeln oder in Kolonien lebende, braun gefärbte Einzeller, die z.T. zu Bändern oder Fächern vereinigt sind. Sie leben meist in großer Individuenzahl im Süß- und Salzwasser, einige kommen auch auf feuchten Böden und anderem feuchten Substrat vor. Die Chromatophoren der Kieselalgen enthalten weitgehend die gleichen Farbstoffe wie die Goldalgen (Chrysophyceae), mit denen sie früher in eine Klasse gestellt wurden. Von diesen unterscheiden sie sich jedoch durch das Vorhandensein eines Kieselsäurepanzers, der ihr charakteristisches Merkmal ist. Er liegt in oder auf einer Pektinmembran und besteht aus zwei Schalen, die wie Deckel und Boden einer Schachtel ineinandergreifen. Die Seitenbänder der beiden Schalen werden Gürtelbänder genannt. Die Oberfläche des Kieselsäurepanzers ist mit bestimmten Strukturen wie Poren, Leisten oder Knötchen versehen. Diese Strukturen sind nach elektronenmikroskopischen Untersuchungen Systeme von Kammern, die mit dem Zellinhalt in Verbindung stehen. Bei den Arten, die sich aktiv fortbewegen, hat der Kieselsäurepanzer in der Symmetrielinie einen Längsspalt, die Raphe. Hier tritt Protoplasma nach außen, strömt den Kanal entlang und bewegt durch die Reibung mit der Unterlage die Zelle vorwärts. Als Assimilationsprodukte treten das Polysaccharid Chrysolaminarin und Öl auf.

Die ungschlechtliche Vermehrung der B. erfolgt durch Längsteilung der Zelle. Dabei werden die beiden Schalen an den Gürtelbändern auseinander geschoben. Jede Tochterzelle bildet wieder eine neue Schalenhälfte aus, und zwar jeweils die untere, sodass nach und nach die Individuen immer kleiner werden. Wenn eine bestimmte Minimalgröße erreicht ist, setzt die geschlechtliche Fortpflanzung ein. Die nach der Befruchtung entstandene Zygote wächst wieder zur ursprünglichen Größe heran und bildet zwei neue Schalenhälften aus. Die sich vergrößernde Zygote wird Auxozygote genannt.
Nach der Art der geschlechtlichen Fortpflanzung und dem Schalenbau unterscheidet man bei den B. zwei Ordnungen: Centrales und Pennales. Zur Ord. Centrales gehören Kieselalgen mit radiärer Symmetrie. Sie haben fast immer runde oder dreieckige Schalen, z.T. mit bizarren Fortsätzen, da viele von ihnen zum Meeresplankton (Plankton) gehören. Im Gegensatz zu den Pennales sind sie unbeweglich. Die Form ihrer sexuellen Fortpflanzung ist die Oogamie, bei der Eizellen und Spermatozoiden mit Flimmergeißel ausgebildet werden. Die Auxozygote bildet dann das neue Individuum, das diploid ist.

Bekannte Gatt. sind Biddulphia und Melosira ( vgl. Abb. ), deren Vertreter z.T. lange Ketten bilden.

Zur Ord. Pennales gehören lang gestreckte, stab- oder schiffchenförmig gebaute Kieselalgen mit bilateraler Symmetrie, die zu einer Kriechbewegung befähigt sind. Die Form ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung ist Isogamie durch unbegeißelte Gameten; nach der Befruchtung entsteht ebenfalls eine Auxozygote. Die Pennales leben überwiegend am Grund von Gewässern, z.T. auf Wasserpflanzen oder im Schlamm. Einige Arten legen sich zu langen Ketten zusammen und bilden z.B. sternförmige Kolonien. Die häufigsten Gatt. sind Navicula, Pinnularia, Pleurosigma, Tabellaria, Asterionella, Synedra.

Fossile Kieselalgen sind schon aus dem Jura bekannt. Im Diluvium bildeten sie mächtige Lager (Kieselgur oder Diatomeenerde), die abgebaut und zu technischen Zwecken verwendet wurden. Kieselgur wird heute vor allem als Filtermasse in der Zuckerindustrie, bei der Herstellung von Bier und Wein, in der Mikrobiologie sowie zur Wasserreinigung verwendet.



Bacillariophyceae: a Coscinodiscus polychordus (Schwebekolonie mit Gallertfäden), b Melosira varians, c Triceratium favus, d Coscinodiscus spec. (Schalenansicht), e Chaetoceros coarctatus (Habitusbild einer Kette), f Rhizosolenia eriensis, g Pinnularia viridis (Schalenansicht)

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Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

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Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
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Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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